Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwei und zwanzigstes Kapitel.

Meine erste Lage bei den Soldaten.



Mein Wirth, der Untrrofficier Zutzel, war ein
äusserst schnurriger Mensch, von hämischem Karakter,
der sich so recht freute, wenn er jemanden einen
Stein stoßen konnte. Ich muß ihn etwas näher
beschreiben, vorher aber anmerken, daß die meisten
Unterofficiere, die ich habe kennen lernen, Preußi-
sche sowohl als andere, eine große Aehnlichkeit mit
den Verschnittenen haben, welche die Weiber im
Orient bewachen müßen. Da sie, wie diese, ihren
Vorgesetzten auf eine ganz vorzügliche Art, und noch
unendlich mehr als der gemeine Bursche unterworfen
und gehorsam seyn müssen, auch sehr oft mishan-
delt und belastet werden, so suchen sie ihren Un-
muth und ihre beleidigte Eigenliebe an den Soldaten
auszuüben, wie jene an den Weibern; werden aber
auch nicht selten von den pfiffigen Burschen ange-
führt, wie die schwarzen Kastraten von ihrem intri-
ganten Frauenzimmer: dies nebenher.

Zutzel mit seiner Eheliebsten war sehr fromm,
das heißt, er las alle Tage in einer alten dicken Po-

Zwei und zwanzigſtes Kapitel.

Meine erſte Lage bei den Soldaten.



Mein Wirth, der Untrrofficier Zutzel, war ein
aͤuſſerſt ſchnurriger Menſch, von haͤmiſchem Karakter,
der ſich ſo recht freute, wenn er jemanden einen
Stein ſtoßen konnte. Ich muß ihn etwas naͤher
beſchreiben, vorher aber anmerken, daß die meiſten
Unterofficiere, die ich habe kennen lernen, Preußi-
ſche ſowohl als andere, eine große Aehnlichkeit mit
den Verſchnittenen haben, welche die Weiber im
Orient bewachen muͤßen. Da ſie, wie dieſe, ihren
Vorgeſetzten auf eine ganz vorzuͤgliche Art, und noch
unendlich mehr als der gemeine Burſche unterworfen
und gehorſam ſeyn muͤſſen, auch ſehr oft mishan-
delt und belaſtet werden, ſo ſuchen ſie ihren Un-
muth und ihre beleidigte Eigenliebe an den Soldaten
auszuuͤben, wie jene an den Weibern; werden aber
auch nicht ſelten von den pfiffigen Burſchen ange-
fuͤhrt, wie die ſchwarzen Kaſtraten von ihrem intri-
ganten Frauenzimmer: dies nebenher.

Zutzel mit ſeiner Eheliebſten war ſehr fromm,
das heißt, er las alle Tage in einer alten dicken Po-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0261" n="249[259]"/>
      <div n="1">
        <head>Zwei und zwanzig&#x017F;tes Kapitel.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Meine er&#x017F;te Lage bei den Soldaten</hi>.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">M</hi>ein Wirth, der Untrrofficier Zutzel, war ein<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t &#x017F;chnurriger Men&#x017F;ch, von ha&#x0364;mi&#x017F;chem Karakter,<lb/>
der &#x017F;ich &#x017F;o recht freute, wenn er jemanden einen<lb/>
Stein &#x017F;toßen konnte. Ich muß ihn etwas na&#x0364;her<lb/>
be&#x017F;chreiben, vorher aber anmerken, daß die mei&#x017F;ten<lb/>
Unterofficiere, die ich habe kennen lernen, Preußi-<lb/>
&#x017F;che &#x017F;owohl als andere, eine große Aehnlichkeit mit<lb/>
den Ver&#x017F;chnittenen haben, welche die Weiber im<lb/>
Orient bewachen mu&#x0364;ßen. Da &#x017F;ie, wie die&#x017F;e, ihren<lb/>
Vorge&#x017F;etzten auf eine ganz vorzu&#x0364;gliche Art, und noch<lb/>
unendlich mehr als der gemeine Bur&#x017F;che unterworfen<lb/>
und gehor&#x017F;am &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, auch &#x017F;ehr oft mishan-<lb/>
delt und bela&#x017F;tet werden, &#x017F;o &#x017F;uchen &#x017F;ie ihren Un-<lb/>
muth und ihre beleidigte Eigenliebe an den Soldaten<lb/>
auszuu&#x0364;ben, wie jene an den Weibern; werden aber<lb/>
auch nicht &#x017F;elten von den pfiffigen Bur&#x017F;chen ange-<lb/>
fu&#x0364;hrt, wie die &#x017F;chwarzen Ka&#x017F;traten von ihrem intri-<lb/>
ganten Frauenzimmer: dies nebenher.</p><lb/>
        <p>Zutzel mit &#x017F;einer Ehelieb&#x017F;ten war &#x017F;ehr fromm,<lb/>
das heißt, er las alle Tage in einer alten dicken Po-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249[259]/0261] Zwei und zwanzigſtes Kapitel. Meine erſte Lage bei den Soldaten. Mein Wirth, der Untrrofficier Zutzel, war ein aͤuſſerſt ſchnurriger Menſch, von haͤmiſchem Karakter, der ſich ſo recht freute, wenn er jemanden einen Stein ſtoßen konnte. Ich muß ihn etwas naͤher beſchreiben, vorher aber anmerken, daß die meiſten Unterofficiere, die ich habe kennen lernen, Preußi- ſche ſowohl als andere, eine große Aehnlichkeit mit den Verſchnittenen haben, welche die Weiber im Orient bewachen muͤßen. Da ſie, wie dieſe, ihren Vorgeſetzten auf eine ganz vorzuͤgliche Art, und noch unendlich mehr als der gemeine Burſche unterworfen und gehorſam ſeyn muͤſſen, auch ſehr oft mishan- delt und belaſtet werden, ſo ſuchen ſie ihren Un- muth und ihre beleidigte Eigenliebe an den Soldaten auszuuͤben, wie jene an den Weibern; werden aber auch nicht ſelten von den pfiffigen Burſchen ange- fuͤhrt, wie die ſchwarzen Kaſtraten von ihrem intri- ganten Frauenzimmer: dies nebenher. Zutzel mit ſeiner Eheliebſten war ſehr fromm, das heißt, er las alle Tage in einer alten dicken Po-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/261
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 249[259]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/261>, abgerufen am 30.12.2024.