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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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22.
Julia an ihre Mutter.

Wie es mir geht, meine liebe, liebe Mutter? Gut --
schlecht -- die Worte passen nicht dafür; unglaublich
wunderlich. Für Augenblicke fühl' ich mich beseligt, ich
schwimme in Blüthendüften, und dann kommt wieder
ein langer Tag unaussprechlicher Angst, kindischer Ver¬
zweiflung. So leiten die Dichter gewöhnlich ein, wenn
sie ein verliebtes Mädchen einführen wollen; ich weiß,
wie oft Papa darüber lachte, aber hier ist es doch ein
wenig anders. Ein junger Mann, von aller Welt
kurz Hyppolit genannt -- er soll der Sohn eines spa¬
nischen Grand sein -- macht mir auf eine beispiellose
Weise den Hof. Sein stürmisches Wesen, mit dem er
mich übereilte, hat mich tödtlich erschreckt; was ich von
der Fürstin Constantie, die seit einigen Tagen hier ist,
vernehme, was ich an der unglücklichen Alberta sehe,
die ihn glühend liebt, und plötzlich von ihm verlassen ist,
flößt mir ein Grauen vor dem Menschen ein. Und da¬
bei ist er zauberhaft schön, beredt, liebenswürdig --
ach meine liebe Mutter! dafür ist der Ausdruck erfun¬
den: er ist ein gefährlicher Mensch. Wenn Alles wahr

22.
Julia an ihre Mutter.

Wie es mir geht, meine liebe, liebe Mutter? Gut —
ſchlecht — die Worte paſſen nicht dafür; unglaublich
wunderlich. Für Augenblicke fühl' ich mich beſeligt, ich
ſchwimme in Blüthendüften, und dann kommt wieder
ein langer Tag unausſprechlicher Angſt, kindiſcher Ver¬
zweiflung. So leiten die Dichter gewöhnlich ein, wenn
ſie ein verliebtes Mädchen einführen wollen; ich weiß,
wie oft Papa darüber lachte, aber hier iſt es doch ein
wenig anders. Ein junger Mann, von aller Welt
kurz Hyppolit genannt — er ſoll der Sohn eines ſpa¬
niſchen Grand ſein — macht mir auf eine beiſpielloſe
Weiſe den Hof. Sein ſtürmiſches Weſen, mit dem er
mich übereilte, hat mich tödtlich erſchreckt; was ich von
der Fürſtin Conſtantie, die ſeit einigen Tagen hier iſt,
vernehme, was ich an der unglücklichen Alberta ſehe,
die ihn glühend liebt, und plötzlich von ihm verlaſſen iſt,
flößt mir ein Grauen vor dem Menſchen ein. Und da¬
bei iſt er zauberhaft ſchön, beredt, liebenswürdig —
ach meine liebe Mutter! dafür iſt der Ausdruck erfun¬
den: er iſt ein gefährlicher Menſch. Wenn Alles wahr

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[48/0060] 22. Julia an ihre Mutter. Wie es mir geht, meine liebe, liebe Mutter? Gut — ſchlecht — die Worte paſſen nicht dafür; unglaublich wunderlich. Für Augenblicke fühl' ich mich beſeligt, ich ſchwimme in Blüthendüften, und dann kommt wieder ein langer Tag unausſprechlicher Angſt, kindiſcher Ver¬ zweiflung. So leiten die Dichter gewöhnlich ein, wenn ſie ein verliebtes Mädchen einführen wollen; ich weiß, wie oft Papa darüber lachte, aber hier iſt es doch ein wenig anders. Ein junger Mann, von aller Welt kurz Hyppolit genannt — er ſoll der Sohn eines ſpa¬ niſchen Grand ſein — macht mir auf eine beiſpielloſe Weiſe den Hof. Sein ſtürmiſches Weſen, mit dem er mich übereilte, hat mich tödtlich erſchreckt; was ich von der Fürſtin Conſtantie, die ſeit einigen Tagen hier iſt, vernehme, was ich an der unglücklichen Alberta ſehe, die ihn glühend liebt, und plötzlich von ihm verlaſſen iſt, flößt mir ein Grauen vor dem Menſchen ein. Und da¬ bei iſt er zauberhaft ſchön, beredt, liebenswürdig — ach meine liebe Mutter! dafür iſt der Ausdruck erfun¬ den: er iſt ein gefährlicher Menſch. Wenn Alles wahr

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/60>, abgerufen am 22.12.2024.