Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite
56.
Valerius an Constantin.

Hyppolit ist auf der Reise nach Paris, ihm kann
ich nicht schreiben, Du wirst wohl in Deiner begonne¬
nen Metamorphose noch so viel Gedächtniß übrig be¬
halten haben, daß Du ein wenig Interesse an mir und
meinen Angelegenheiten nimmst; ich will nichts über
Staat und Kirche schreiben, mein Herz drängt mich
aber zur Mittheilung, ich muß sprechen, muß schwätzen,
höre mir zu. Sie ist wieder gekommen, Camilla näm¬
lich. Erröthend trat sie mir entgegen, ein ganzer Mor¬
genhimmel von Schaamhaftigkeit glänzte auf ihrem lieb¬
reichen Gesichte: damals wußte ich nicht warum, jetzt
weiß ich's. Ich war spaziren geritten als sie ankam;
der Himmel war blau, die Sonne, das Auge Gottes
auf dieser Erde, wärmend und freundlich in milder
Liebe, die Lerchen sangen ihre jauchzenden Stoßtöne der
Freude, die Bäume mit Früchten beladen sahen wie
glückliche Mütter freundlich drein in die helle Welt, ich
schaukelte mich auf dem Pferde in gesunder fröhlicher
Empfängniß all dieser Freuden, die der Schöpfer Allen,

56.
Valerius an Constantin.

Hyppolit iſt auf der Reiſe nach Paris, ihm kann
ich nicht ſchreiben, Du wirſt wohl in Deiner begonne¬
nen Metamorphoſe noch ſo viel Gedächtniß übrig be¬
halten haben, daß Du ein wenig Intereſſe an mir und
meinen Angelegenheiten nimmſt; ich will nichts über
Staat und Kirche ſchreiben, mein Herz drängt mich
aber zur Mittheilung, ich muß ſprechen, muß ſchwätzen,
höre mir zu. Sie iſt wieder gekommen, Camilla näm¬
lich. Erröthend trat ſie mir entgegen, ein ganzer Mor¬
genhimmel von Schaamhaftigkeit glänzte auf ihrem lieb¬
reichen Geſichte: damals wußte ich nicht warum, jetzt
weiß ich's. Ich war ſpaziren geritten als ſie ankam;
der Himmel war blau, die Sonne, das Auge Gottes
auf dieſer Erde, wärmend und freundlich in milder
Liebe, die Lerchen ſangen ihre jauchzenden Stoßtöne der
Freude, die Bäume mit Früchten beladen ſahen wie
glückliche Mütter freundlich drein in die helle Welt, ich
ſchaukelte mich auf dem Pferde in geſunder fröhlicher
Empfängniß all dieſer Freuden, die der Schöpfer Allen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0161" n="149"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head>56.<lb/><hi rendition="#b #g">Valerius an Constantin.</hi><lb/></head>
        <p>Hyppolit i&#x017F;t auf der Rei&#x017F;e nach Paris, ihm kann<lb/>
ich nicht &#x017F;chreiben, Du wir&#x017F;t wohl in Deiner begonne¬<lb/>
nen Metamorpho&#x017F;e noch &#x017F;o viel Gedächtniß übrig be¬<lb/>
halten haben, daß Du ein wenig Intere&#x017F;&#x017F;e an mir und<lb/>
meinen Angelegenheiten nimm&#x017F;t; ich will nichts über<lb/>
Staat und Kirche &#x017F;chreiben, mein Herz drängt mich<lb/>
aber zur Mittheilung, ich muß &#x017F;prechen, muß &#x017F;chwätzen,<lb/>
höre mir zu. Sie i&#x017F;t wieder gekommen, Camilla näm¬<lb/>
lich. Erröthend trat &#x017F;ie mir entgegen, ein ganzer Mor¬<lb/>
genhimmel von Schaamhaftigkeit glänzte auf ihrem lieb¬<lb/>
reichen Ge&#x017F;ichte: damals wußte ich nicht warum, jetzt<lb/>
weiß ich's. Ich war &#x017F;paziren geritten als &#x017F;ie ankam;<lb/>
der Himmel war blau, die Sonne, das Auge Gottes<lb/>
auf die&#x017F;er Erde, wärmend und freundlich in milder<lb/>
Liebe, die Lerchen &#x017F;angen ihre jauchzenden Stoßtöne der<lb/>
Freude, die Bäume mit Früchten beladen &#x017F;ahen wie<lb/>
glückliche Mütter freundlich drein in die helle Welt, ich<lb/>
&#x017F;chaukelte mich auf dem Pferde in ge&#x017F;under fröhlicher<lb/>
Empfängniß all die&#x017F;er Freuden, die der Schöpfer Allen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0161] 56. Valerius an Constantin. Hyppolit iſt auf der Reiſe nach Paris, ihm kann ich nicht ſchreiben, Du wirſt wohl in Deiner begonne¬ nen Metamorphoſe noch ſo viel Gedächtniß übrig be¬ halten haben, daß Du ein wenig Intereſſe an mir und meinen Angelegenheiten nimmſt; ich will nichts über Staat und Kirche ſchreiben, mein Herz drängt mich aber zur Mittheilung, ich muß ſprechen, muß ſchwätzen, höre mir zu. Sie iſt wieder gekommen, Camilla näm¬ lich. Erröthend trat ſie mir entgegen, ein ganzer Mor¬ genhimmel von Schaamhaftigkeit glänzte auf ihrem lieb¬ reichen Geſichte: damals wußte ich nicht warum, jetzt weiß ich's. Ich war ſpaziren geritten als ſie ankam; der Himmel war blau, die Sonne, das Auge Gottes auf dieſer Erde, wärmend und freundlich in milder Liebe, die Lerchen ſangen ihre jauchzenden Stoßtöne der Freude, die Bäume mit Früchten beladen ſahen wie glückliche Mütter freundlich drein in die helle Welt, ich ſchaukelte mich auf dem Pferde in geſunder fröhlicher Empfängniß all dieſer Freuden, die der Schöpfer Allen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/161
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/161>, abgerufen am 22.12.2024.