Ich habe sehr schöne Gedanken und Reflexionen im Kopfe, aber ich weiß ja, was Du dazu sagst, wenn man sie zwischen Handeln und That spreut. "Handle, lebe," pflegtest Du zu sagen -- "von den sieben Wei¬ sen Griechenlands herunter haben die Leute philosophirt, systematisirt, schematisirt und doch nichts gelernt, sie haben alles in Formeln gebracht und darüber die schöne Zeit verloren, während welcher sie glücklich sein konnten. Lebe, sagtest Du mir beim Abschiede, und da Du ja auch ein Federheld bist, schreib mir's, wie und was Du lebst, aber ohne Beisatz, Beigeschmack und Brimborium; schick' mir das nackte Leben, ich werd' mir's schon selbst ankleiden. Durch Eure Art von Schreiben wird noch der letzte Schimmer von Objectivität vernichtet, den wir haben können. Ihr seid im Stande, einem die Entdeckung von Amerika in Gestalt des Hrn. Constantin, Valerius etc. zuzuschicken. Am Aergsten treibt es Kupido, aber da er es sogleich bis zur völlig unkenntlichen Lüge treibt, und da er Alles aus einem klingenden, romantischen Fond schüttelt, so entschädigt seine Erzählung durch eine Art von Poesie."
3. Constantin an Hyppolit.
Ich habe ſehr ſchöne Gedanken und Reflexionen im Kopfe, aber ich weiß ja, was Du dazu ſagſt, wenn man ſie zwiſchen Handeln und That ſpreut. „Handle, lebe,“ pflegteſt Du zu ſagen — „von den ſieben Wei¬ ſen Griechenlands herunter haben die Leute philoſophirt, ſyſtematiſirt, ſchematiſirt und doch nichts gelernt, ſie haben alles in Formeln gebracht und darüber die ſchöne Zeit verloren, während welcher ſie glücklich ſein konnten. Lebe, ſagteſt Du mir beim Abſchiede, und da Du ja auch ein Federheld biſt, ſchreib mir's, wie und was Du lebſt, aber ohne Beiſatz, Beigeſchmack und Brimborium; ſchick' mir das nackte Leben, ich werd' mir's ſchon ſelbſt ankleiden. Durch Eure Art von Schreiben wird noch der letzte Schimmer von Objectivität vernichtet, den wir haben können. Ihr ſeid im Stande, einem die Entdeckung von Amerika in Geſtalt des Hrn. Conſtantin, Valerius ꝛc. zuzuſchicken. Am Aergſten treibt es Kupido, aber da er es ſogleich bis zur völlig unkenntlichen Lüge treibt, und da er Alles aus einem klingenden, romantiſchen Fond ſchüttelt, ſo entſchädigt ſeine Erzählung durch eine Art von Poeſie.“
<TEI><text><body><divn="1"><pbn="23"facs="#f0033"/></div><divn="1"><head>3.<lb/><hirendition="#b #g">Constantin an Hyppolit.</hi><lb/></head><p>Ich habe ſehr ſchöne Gedanken und Reflexionen<lb/>
im Kopfe, aber ich weiß ja, was Du dazu ſagſt, wenn<lb/>
man ſie zwiſchen Handeln und That ſpreut. „Handle,<lb/>
lebe,“ pflegteſt Du zu ſagen —„von den ſieben Wei¬<lb/>ſen Griechenlands herunter haben die Leute philoſophirt,<lb/>ſyſtematiſirt, ſchematiſirt und doch nichts gelernt, ſie<lb/>
haben alles in Formeln gebracht und darüber die ſchöne<lb/>
Zeit verloren, während welcher ſie glücklich ſein konnten.<lb/><hirendition="#g">Lebe</hi>, ſagteſt Du mir beim Abſchiede, und da Du ja<lb/>
auch ein Federheld biſt, ſchreib mir's, wie und was Du<lb/>
lebſt, aber ohne Beiſatz, Beigeſchmack und Brimborium;<lb/>ſchick' mir das nackte Leben, ich werd' mir's ſchon ſelbſt<lb/>
ankleiden. Durch Eure Art von Schreiben wird noch<lb/>
der letzte Schimmer von Objectivität vernichtet, den wir<lb/>
haben können. Ihr ſeid im Stande, einem die Entdeckung<lb/>
von Amerika in Geſtalt des Hrn. Conſtantin, Valerius ꝛc.<lb/>
zuzuſchicken. Am Aergſten treibt es Kupido, aber da er es<lb/>ſogleich bis zur völlig unkenntlichen Lüge treibt, und da er<lb/>
Alles aus einem klingenden, romantiſchen Fond ſchüttelt,<lb/>ſo entſchädigt ſeine Erzählung durch eine Art von Poeſie.“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[23/0033]
3.
Constantin an Hyppolit.
Ich habe ſehr ſchöne Gedanken und Reflexionen
im Kopfe, aber ich weiß ja, was Du dazu ſagſt, wenn
man ſie zwiſchen Handeln und That ſpreut. „Handle,
lebe,“ pflegteſt Du zu ſagen — „von den ſieben Wei¬
ſen Griechenlands herunter haben die Leute philoſophirt,
ſyſtematiſirt, ſchematiſirt und doch nichts gelernt, ſie
haben alles in Formeln gebracht und darüber die ſchöne
Zeit verloren, während welcher ſie glücklich ſein konnten.
Lebe, ſagteſt Du mir beim Abſchiede, und da Du ja
auch ein Federheld biſt, ſchreib mir's, wie und was Du
lebſt, aber ohne Beiſatz, Beigeſchmack und Brimborium;
ſchick' mir das nackte Leben, ich werd' mir's ſchon ſelbſt
ankleiden. Durch Eure Art von Schreiben wird noch
der letzte Schimmer von Objectivität vernichtet, den wir
haben können. Ihr ſeid im Stande, einem die Entdeckung
von Amerika in Geſtalt des Hrn. Conſtantin, Valerius ꝛc.
zuzuſchicken. Am Aergſten treibt es Kupido, aber da er es
ſogleich bis zur völlig unkenntlichen Lüge treibt, und da er
Alles aus einem klingenden, romantiſchen Fond ſchüttelt,
ſo entſchädigt ſeine Erzählung durch eine Art von Poeſie.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/33>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.