Mein gehaltreicher Sir John, was hör' ich für Dinge von Euch, Ihr gebt Euch einer wüsten innern Unordnung hin -- was soll das? Befolge eiligst Valers Rath, und komm hieher, die Luft der Kuhställe wird Dich heilen. Ein Mann wie Du wird sich doch nicht den Grillen ergeben! Du siehst, ich habe mich auch hier eingefunden, um meinen Geist zu sammeln vom wirren Stadtleben, und ihn vorzubereiten auf größere Wirren, denen ich in Europas Hauptstädten entgegengehen will. Das ist nämlich der Plan zu meinem neuen Epos: zur Physignomie jeder Hauptstadt will ich einen ent¬ sprechenden Körper schaffen, dann will ich sie durchein¬ ander werfen und Situationen erzeugen, und wer die Civilisation und die Schönheit heirathet, der ist der Held. Komm und beschreib' mir Berlin mit der langweiligen Regelmäßigkeit und der kurzweiligen Soldatenspielerei -- romantisch darf ich jene dürre Stadt schwerlich anziehn, dazu ist sie zu gesetzt, zu altklug, zu hegelisch; komm, hilf
11. Hyppolit an Constantin.
Grünſchloß, den 20 Juni.
Mein gehaltreicher Sir John, was hör' ich für Dinge von Euch, Ihr gebt Euch einer wüſten innern Unordnung hin — was ſoll das? Befolge eiligſt Valers Rath, und komm hieher, die Luft der Kuhſtälle wird Dich heilen. Ein Mann wie Du wird ſich doch nicht den Grillen ergeben! Du ſiehſt, ich habe mich auch hier eingefunden, um meinen Geiſt zu ſammeln vom wirren Stadtleben, und ihn vorzubereiten auf größere Wirren, denen ich in Europas Hauptſtädten entgegengehen will. Das iſt nämlich der Plan zu meinem neuen Epos: zur Phyſignomie jeder Hauptſtadt will ich einen ent¬ ſprechenden Körper ſchaffen, dann will ich ſie durchein¬ ander werfen und Situationen erzeugen, und wer die Civiliſation und die Schönheit heirathet, der iſt der Held. Komm und beſchreib' mir Berlin mit der langweiligen Regelmäßigkeit und der kurzweiligen Soldatenſpielerei — romantiſch darf ich jene dürre Stadt ſchwerlich anziehn, dazu iſt ſie zu geſetzt, zu altklug, zu hegeliſch; komm, hilf
<TEI><text><body><divn="1"><pbn="95"facs="#f0105"/></div><divn="1"><head>11.<lb/><hirendition="#b #g">Hyppolit an Constantin.</hi><lb/></head><datelinerendition="#right">Grünſchloß, den 20 Juni.<lb/></dateline><p>Mein gehaltreicher Sir John, was hör' ich für<lb/>
Dinge von Euch, Ihr gebt Euch einer wüſten innern<lb/>
Unordnung hin — was ſoll das? Befolge eiligſt Valers<lb/>
Rath, und komm hieher, die Luft der Kuhſtälle wird<lb/>
Dich heilen. Ein Mann wie Du wird ſich doch nicht<lb/>
den Grillen ergeben! Du ſiehſt, ich habe mich auch<lb/>
hier eingefunden, um meinen Geiſt zu ſammeln vom<lb/>
wirren Stadtleben, und ihn vorzubereiten auf größere<lb/>
Wirren, denen ich in Europas Hauptſtädten entgegengehen<lb/>
will. Das iſt nämlich der Plan zu meinem neuen Epos:<lb/>
zur Phyſignomie jeder Hauptſtadt will ich einen ent¬<lb/>ſprechenden Körper ſchaffen, dann will ich ſie durchein¬<lb/>
ander werfen und Situationen erzeugen, und wer die<lb/>
Civiliſation und die Schönheit heirathet, der iſt der Held.<lb/>
Komm und beſchreib' mir Berlin mit der langweiligen<lb/>
Regelmäßigkeit und der kurzweiligen Soldatenſpielerei —<lb/>
romantiſch darf ich jene dürre Stadt ſchwerlich anziehn,<lb/>
dazu iſt ſie zu geſetzt, zu altklug, zu hegeliſch; komm, hilf<lb/></p></div></body></text></TEI>
[95/0105]
11.
Hyppolit an Constantin.
Grünſchloß, den 20 Juni.
Mein gehaltreicher Sir John, was hör' ich für
Dinge von Euch, Ihr gebt Euch einer wüſten innern
Unordnung hin — was ſoll das? Befolge eiligſt Valers
Rath, und komm hieher, die Luft der Kuhſtälle wird
Dich heilen. Ein Mann wie Du wird ſich doch nicht
den Grillen ergeben! Du ſiehſt, ich habe mich auch
hier eingefunden, um meinen Geiſt zu ſammeln vom
wirren Stadtleben, und ihn vorzubereiten auf größere
Wirren, denen ich in Europas Hauptſtädten entgegengehen
will. Das iſt nämlich der Plan zu meinem neuen Epos:
zur Phyſignomie jeder Hauptſtadt will ich einen ent¬
ſprechenden Körper ſchaffen, dann will ich ſie durchein¬
ander werfen und Situationen erzeugen, und wer die
Civiliſation und die Schönheit heirathet, der iſt der Held.
Komm und beſchreib' mir Berlin mit der langweiligen
Regelmäßigkeit und der kurzweiligen Soldatenſpielerei —
romantiſch darf ich jene dürre Stadt ſchwerlich anziehn,
dazu iſt ſie zu geſetzt, zu altklug, zu hegeliſch; komm, hilf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/105>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.