Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Aus dem Tagebuche einer Ameise. Wie ich tief sie hege im Gemüte, Sproßt daraus des Liedes zarte Blüte. Und von ihrer Nähe Licht getroffen Wagt es sich hervor zu frohem Hoffen. Eine Herrin hab' ich mir erkoren, Lieb' und Lieder sind ihr zugeschworen! Es ist gewiß merkwürdig, daß ein so rohes Tier wie Flügelsonne 25. Jn der Beherrschung der Sprache und Schrift der Aus dem Tagebuche einer Ameiſe. Wie ich tief ſie hege im Gemüte, Sproßt daraus des Liedes zarte Blüte. Und von ihrer Nähe Licht getroffen Wagt es ſich hervor zu frohem Hoffen. Eine Herrin hab’ ich mir erkoren, Lieb’ und Lieder ſind ihr zugeſchworen! Es iſt gewiß merkwürdig, daß ein ſo rohes Tier wie Flügelſonne 25. Jn der Beherrſchung der Sprache und Schrift der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0101" n="95"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.</hi> </fw><lb/> <lg n="4"> <l>Wie ich tief ſie hege im Gemüte,</l><lb/> <l>Sproßt daraus des Liedes zarte Blüte.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und von ihrer Nähe Licht getroffen</l><lb/> <l>Wagt es ſich hervor zu frohem Hoffen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Eine Herrin hab’ ich mir erkoren,</l><lb/> <l>Lieb’ und Lieder ſind ihr zugeſchworen!</l> </lg> </lg><lb/> <p>Es iſt gewiß merkwürdig, daß ein ſo rohes Tier wie<lb/> der Menſch überhaupt derartige Kunſtleiſtungen zuſtande<lb/> bringt. Aber einen Sinn kann man freilich nicht darin<lb/> finden. Erſtens iſt es ſchon Unſinn, daß ein Führer —<lb/> und ein ſolcher muß doch der Menſch ſein, denn gewöhn-<lb/> liche Männchen und Arbeiter können nicht Verſe machen<lb/> — daß ein Führer von einem Weibchen ſich etwas be-<lb/> fehlen laſſen ſollte. Und dann, was iſt überhaupt <hi rendition="#g">Liebe?</hi><lb/> Ein Wort, mit dem die Menſchen gern umherwerfen,<lb/> aber ich glaube nicht, daß ſie ſich ſelbſt dabei etwas<lb/> denken. Wir wenigſtens verſtehen es nicht. Man ſorgt<lb/> für Puppen und Larven und für das Wohl des Staates,<lb/> aber das iſt doch alles ſelbſtverſtändlich — — und<lb/> Liebe? Das muß wohl einer von den menſchlichen Jn-<lb/> ſtinkten ſein, über die wir, dank unſerer Ameiſenwürde,<lb/> erhaben ſind.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Flügelſonne 25.</hi> </head><lb/> <p>Jn der Beherrſchung der Sprache und Schrift der<lb/> Menſchen habe ich gute Fortſchritte gemacht. Jch ver-<lb/> ſäumte keine Gelegenheit, den Menſchen zu ſtudieren, der<lb/> ſich oft in unſerer Nähe einfindet.</p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0101]
Aus dem Tagebuche einer Ameiſe.
Wie ich tief ſie hege im Gemüte,
Sproßt daraus des Liedes zarte Blüte.
Und von ihrer Nähe Licht getroffen
Wagt es ſich hervor zu frohem Hoffen.
Eine Herrin hab’ ich mir erkoren,
Lieb’ und Lieder ſind ihr zugeſchworen!
Es iſt gewiß merkwürdig, daß ein ſo rohes Tier wie
der Menſch überhaupt derartige Kunſtleiſtungen zuſtande
bringt. Aber einen Sinn kann man freilich nicht darin
finden. Erſtens iſt es ſchon Unſinn, daß ein Führer —
und ein ſolcher muß doch der Menſch ſein, denn gewöhn-
liche Männchen und Arbeiter können nicht Verſe machen
— daß ein Führer von einem Weibchen ſich etwas be-
fehlen laſſen ſollte. Und dann, was iſt überhaupt Liebe?
Ein Wort, mit dem die Menſchen gern umherwerfen,
aber ich glaube nicht, daß ſie ſich ſelbſt dabei etwas
denken. Wir wenigſtens verſtehen es nicht. Man ſorgt
für Puppen und Larven und für das Wohl des Staates,
aber das iſt doch alles ſelbſtverſtändlich — — und
Liebe? Das muß wohl einer von den menſchlichen Jn-
ſtinkten ſein, über die wir, dank unſerer Ameiſenwürde,
erhaben ſind.
Flügelſonne 25.
Jn der Beherrſchung der Sprache und Schrift der
Menſchen habe ich gute Fortſchritte gemacht. Jch ver-
ſäumte keine Gelegenheit, den Menſchen zu ſtudieren, der
ſich oft in unſerer Nähe einfindet.
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