Charakter; wehe den Elenden, die sie zu verderben suchen! Sie sind ein eben so seltener Mann, erwiederte er, als das Fräulein ein seltenes Frauenzimmer ist. Sie wären der schicklichste Liebhaber für sie gewesen, und ich hätte ihr Ver- trauter und Geschichtschreiber seyn mögen.
Jch glaube nicht, Milord Derby, daß Jhnen das Fräulein oder ich diesen Auf- trag gemacht hätte, sagte ich. Ueber die- se Antwort sah ich eine Miene an ihm, die mir gänzlich mißfiel; sie war lächelnd und nachdenkend; aber, mein Freund, ich konnte mich nicht enthalten in meinem Herzen zu sagen, so lächelt Satan, wenn er sich eines giftigen Anschlags bewußt ist.
Fräulein von Sternheim an Emilien.
Jhr Stilleschweigen, meine Freundin, dünket mich und Rosinen sehr lange und
unbillig;
M
Charakter; wehe den Elenden, die ſie zu verderben ſuchen! Sie ſind ein eben ſo ſeltener Mann, erwiederte er, als das Fraͤulein ein ſeltenes Frauenzimmer iſt. Sie waͤren der ſchicklichſte Liebhaber fuͤr ſie geweſen, und ich haͤtte ihr Ver- trauter und Geſchichtſchreiber ſeyn moͤgen.
Jch glaube nicht, Milord Derby, daß Jhnen das Fraͤulein oder ich dieſen Auf- trag gemacht haͤtte, ſagte ich. Ueber die- ſe Antwort ſah ich eine Miene an ihm, die mir gaͤnzlich mißfiel; ſie war laͤchelnd und nachdenkend; aber, mein Freund, ich konnte mich nicht enthalten in meinem Herzen zu ſagen, ſo laͤchelt Satan, wenn er ſich eines giftigen Anſchlags bewußt iſt.
Fraͤulein von Sternheim an Emilien.
Jhr Stilleſchweigen, meine Freundin, duͤnket mich und Roſinen ſehr lange und
unbillig;
M
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0203"n="177"/><hirendition="#fr">Charakter; wehe den Elenden, die<lb/>ſie zu verderben ſuchen!</hi> Sie ſind ein<lb/>
eben ſo ſeltener Mann, erwiederte er, als<lb/>
das Fraͤulein ein ſeltenes Frauenzimmer<lb/>
iſt. Sie waͤren der ſchicklichſte Liebhaber<lb/>
fuͤr ſie geweſen, und ich haͤtte ihr Ver-<lb/>
trauter und Geſchichtſchreiber ſeyn moͤgen.</p><lb/><p>Jch glaube nicht, Milord Derby, daß<lb/>
Jhnen das Fraͤulein oder ich dieſen Auf-<lb/>
trag gemacht haͤtte, ſagte ich. Ueber die-<lb/>ſe Antwort ſah ich eine Miene an ihm,<lb/>
die mir gaͤnzlich mißfiel; ſie war laͤchelnd<lb/>
und nachdenkend; aber, mein Freund, ich<lb/>
konnte mich nicht enthalten in meinem<lb/>
Herzen zu ſagen, ſo laͤchelt Satan, wenn<lb/>
er ſich eines giftigen Anſchlags bewußt iſt.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Fraͤulein von Sternheim</hi><lb/>
an<lb/><hirendition="#fr"><hirendition="#g">Emilien.</hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>hr Stilleſchweigen, meine Freundin,<lb/>
duͤnket mich und Roſinen ſehr lange und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M</fw><fwplace="bottom"type="catch">unbillig;</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[177/0203]
Charakter; wehe den Elenden, die
ſie zu verderben ſuchen! Sie ſind ein
eben ſo ſeltener Mann, erwiederte er, als
das Fraͤulein ein ſeltenes Frauenzimmer
iſt. Sie waͤren der ſchicklichſte Liebhaber
fuͤr ſie geweſen, und ich haͤtte ihr Ver-
trauter und Geſchichtſchreiber ſeyn moͤgen.
Jch glaube nicht, Milord Derby, daß
Jhnen das Fraͤulein oder ich dieſen Auf-
trag gemacht haͤtte, ſagte ich. Ueber die-
ſe Antwort ſah ich eine Miene an ihm,
die mir gaͤnzlich mißfiel; ſie war laͤchelnd
und nachdenkend; aber, mein Freund, ich
konnte mich nicht enthalten in meinem
Herzen zu ſagen, ſo laͤchelt Satan, wenn
er ſich eines giftigen Anſchlags bewußt iſt.
Fraͤulein von Sternheim
an
Emilien.
Jhr Stilleſchweigen, meine Freundin,
duͤnket mich und Roſinen ſehr lange und
unbillig;
M
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/203>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.