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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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Milord Seymour.
an
den Doctor T**.

Lieber Freund, ich hörte Sie oft sagen,
die Beobachtungen, die Sie auf Jhren
Reisen, durch Deutschland, über den
Grundcharakter dieser Nation gemacht,
hätte in Jhnen den Wunsch hervorge-
bracht, auf einer Seite den Tiefsinn unsrer
Philosophen mit dem methodischen Vortrag
der Deutschen, und auf der andern das
kalte und langsam gehende Blut ihrer
übrigen Köpfe, mit der feurigen Einbil-
dungskraft der unsern, vereinigt zu sehen.
Sie suchten auch lang eine Mischung in
mir hervorzubringen, wodurch meine hef-
tigen Empfindungen möchten gemildert
werden, indem Sie sagten, daß dieses
die einzige Hinderniß sey, warum ich in
den Wissenschaften, die ich doch liebte, nie-
mals zu einer gewissen Vollkommenheit
gelangen würde. Sie giengen sanft und
gütig mit mir um, weil Sie durch die
Zärtlichkeit meines Herzens den Weg zu

der
K
Milord Seymour.
an
den Doctor T**.

Lieber Freund, ich hoͤrte Sie oft ſagen,
die Beobachtungen, die Sie auf Jhren
Reiſen, durch Deutſchland, uͤber den
Grundcharakter dieſer Nation gemacht,
haͤtte in Jhnen den Wunſch hervorge-
bracht, auf einer Seite den Tiefſinn unſrer
Philoſophen mit dem methodiſchen Vortrag
der Deutſchen, und auf der andern das
kalte und langſam gehende Blut ihrer
uͤbrigen Koͤpfe, mit der feurigen Einbil-
dungskraft der unſern, vereinigt zu ſehen.
Sie ſuchten auch lang eine Miſchung in
mir hervorzubringen, wodurch meine hef-
tigen Empfindungen moͤchten gemildert
werden, indem Sie ſagten, daß dieſes
die einzige Hinderniß ſey, warum ich in
den Wiſſenſchaften, die ich doch liebte, nie-
mals zu einer gewiſſen Vollkommenheit
gelangen wuͤrde. Sie giengen ſanft und
guͤtig mit mir um, weil Sie durch die
Zaͤrtlichkeit meines Herzens den Weg zu

der
K
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[145/0171] Milord Seymour. an den Doctor T**. Lieber Freund, ich hoͤrte Sie oft ſagen, die Beobachtungen, die Sie auf Jhren Reiſen, durch Deutſchland, uͤber den Grundcharakter dieſer Nation gemacht, haͤtte in Jhnen den Wunſch hervorge- bracht, auf einer Seite den Tiefſinn unſrer Philoſophen mit dem methodiſchen Vortrag der Deutſchen, und auf der andern das kalte und langſam gehende Blut ihrer uͤbrigen Koͤpfe, mit der feurigen Einbil- dungskraft der unſern, vereinigt zu ſehen. Sie ſuchten auch lang eine Miſchung in mir hervorzubringen, wodurch meine hef- tigen Empfindungen moͤchten gemildert werden, indem Sie ſagten, daß dieſes die einzige Hinderniß ſey, warum ich in den Wiſſenſchaften, die ich doch liebte, nie- mals zu einer gewiſſen Vollkommenheit gelangen wuͤrde. Sie giengen ſanft und guͤtig mit mir um, weil Sie durch die Zaͤrtlichkeit meines Herzens den Weg zu der K

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/171>, abgerufen am 21.12.2024.