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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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die nationalliberalen Frauen repräsentierte, hat aus seiner Be-
günstigung der politischen Frauenrechte niemals ein Hehl gemacht.
Schon im Frühling 1912 hielt er im Reichstage eine Rede, in
der er ausdrücklich betonte, daß die Regierung die Frauenrechte
erweitern und den Frauen nach einander alle Türen öffnen
müsse. Auch er geht mit Vorliebe um das Wort Stimmrecht
herum, aber jeder versteht, was gemeint ist. Verschiedene
nationalliberale Zeitungen
, deren Namen ich auf
Wunsch nennen kann, weisen gegen das Frauen-
stimmrecht gerichtete Artikel von Parteiange-
hörigen unter Hinweis auf die abweichende
Stellung der Parteileitung zurück.
Die Kandi-
datur von Traub, der sich offen zum Frauenstimmrecht bekannt
hat, wurde ohne Einschränkung von der Partei empfohlen. -

Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite. Am 10. De-
zember 1912 sprach in Kiel der Generalsekretär der national-
liberalen Partei in Hamburg über die politische Lage. Einem
Diskussionsredner gegenüber, der auf die auch der national-
liberalen Partei drohende Umgarnung seitens der Frauen-
bewegung hinwies, erklärte der Herr Generalsekretär, daß er ein
Gegner des Frauenstimmrechts sei mit dem ausdrücklichen Zu-
satze, daß auch die Führer der Partei nicht für das Frauenstimm-
recht einträten. - "Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt
der Glaube!"

Eine schlechte Zensur, die von dieser Seite kommend wohl
mehr als Belobigung zu werten ist, erhält auch der national-
liberale Verein für Altona-Ottensen vom "Vorwärts", der ihm
Rückständigkeit vorwirft. Ein Herr Dr. R. hielt in Altona einen
Vortrag und empfahl bei aller Ablehnung der radikalen Frauen-
forderungen die Aufnahme der nationalliberalen Frauen in den
Verein. Charakteristisch ist u. a. folgendes Wort des Vor-
tragenden: "Die Frauen stehen vor der Tür; öffnen wir ihnen
nicht, so gehen sie ein Haus weiter zu den Freisinnigen." Dieses
eine Wort spricht Bände. Es sind also garnicht nationalliberale
Frauen, die um Einlaß bitten, um der Partei zu dienen, sondern
es sind Frauenrechtlerinnen, welche die Partei für sich ein-
fangen wollen, und eventuell, wenn das nicht gelingen sollte, auch
in das nächste Haus einbrechen. Nach kurzer Beratung beschloß
der Altonaer Verein: Frauen werden in den nationalliberalen
Verein nicht aufgenommen. Begründung: Es besteht die Be-
fürchtung, daß dann zahlreiche nationalliberale Männer aus-
treten würden. Ein getreues Spiegelbild der Haltung der
nationalliberalen Partei in der Frauenfrage gab auch die

Frauenstimmrecht 3

die nationalliberalen Frauen repräsentierte, hat aus seiner Be-
günstigung der politischen Frauenrechte niemals ein Hehl gemacht.
Schon im Frühling 1912 hielt er im Reichstage eine Rede, in
der er ausdrücklich betonte, daß die Regierung die Frauenrechte
erweitern und den Frauen nach einander alle Türen öffnen
müsse. Auch er geht mit Vorliebe um das Wort Stimmrecht
herum, aber jeder versteht, was gemeint ist. Verschiedene
nationalliberale Zeitungen
, deren Namen ich auf
Wunsch nennen kann, weisen gegen das Frauen-
stimmrecht gerichtete Artikel von Parteiange-
hörigen unter Hinweis auf die abweichende
Stellung der Parteileitung zurück.
Die Kandi-
datur von Traub, der sich offen zum Frauenstimmrecht bekannt
hat, wurde ohne Einschränkung von der Partei empfohlen. –

Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite. Am 10. De-
zember 1912 sprach in Kiel der Generalsekretär der national-
liberalen Partei in Hamburg über die politische Lage. Einem
Diskussionsredner gegenüber, der auf die auch der national-
liberalen Partei drohende Umgarnung seitens der Frauen-
bewegung hinwies, erklärte der Herr Generalsekretär, daß er ein
Gegner des Frauenstimmrechts sei mit dem ausdrücklichen Zu-
satze, daß auch die Führer der Partei nicht für das Frauenstimm-
recht einträten. – „Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt
der Glaube!“

Eine schlechte Zensur, die von dieser Seite kommend wohl
mehr als Belobigung zu werten ist, erhält auch der national-
liberale Verein für Altona-Ottensen vom „Vorwärts“, der ihm
Rückständigkeit vorwirft. Ein Herr Dr. R. hielt in Altona einen
Vortrag und empfahl bei aller Ablehnung der radikalen Frauen-
forderungen die Aufnahme der nationalliberalen Frauen in den
Verein. Charakteristisch ist u. a. folgendes Wort des Vor-
tragenden: „Die Frauen stehen vor der Tür; öffnen wir ihnen
nicht, so gehen sie ein Haus weiter zu den Freisinnigen.“ Dieses
eine Wort spricht Bände. Es sind also garnicht nationalliberale
Frauen, die um Einlaß bitten, um der Partei zu dienen, sondern
es sind Frauenrechtlerinnen, welche die Partei für sich ein-
fangen wollen, und eventuell, wenn das nicht gelingen sollte, auch
in das nächste Haus einbrechen. Nach kurzer Beratung beschloß
der Altonaer Verein: Frauen werden in den nationalliberalen
Verein nicht aufgenommen. Begründung: Es besteht die Be-
fürchtung, daß dann zahlreiche nationalliberale Männer aus-
treten würden. Ein getreues Spiegelbild der Haltung der
nationalliberalen Partei in der Frauenfrage gab auch die

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[7/0007] die nationalliberalen Frauen repräsentierte, hat aus seiner Be- günstigung der politischen Frauenrechte niemals ein Hehl gemacht. Schon im Frühling 1912 hielt er im Reichstage eine Rede, in der er ausdrücklich betonte, daß die Regierung die Frauenrechte erweitern und den Frauen nach einander alle Türen öffnen müsse. Auch er geht mit Vorliebe um das Wort Stimmrecht herum, aber jeder versteht, was gemeint ist. Verschiedene nationalliberale Zeitungen, deren Namen ich auf Wunsch nennen kann, weisen gegen das Frauen- stimmrecht gerichtete Artikel von Parteiange- hörigen unter Hinweis auf die abweichende Stellung der Parteileitung zurück. Die Kandi- datur von Traub, der sich offen zum Frauenstimmrecht bekannt hat, wurde ohne Einschränkung von der Partei empfohlen. – Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite. Am 10. De- zember 1912 sprach in Kiel der Generalsekretär der national- liberalen Partei in Hamburg über die politische Lage. Einem Diskussionsredner gegenüber, der auf die auch der national- liberalen Partei drohende Umgarnung seitens der Frauen- bewegung hinwies, erklärte der Herr Generalsekretär, daß er ein Gegner des Frauenstimmrechts sei mit dem ausdrücklichen Zu- satze, daß auch die Führer der Partei nicht für das Frauenstimm- recht einträten. – „Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!“ Eine schlechte Zensur, die von dieser Seite kommend wohl mehr als Belobigung zu werten ist, erhält auch der national- liberale Verein für Altona-Ottensen vom „Vorwärts“, der ihm Rückständigkeit vorwirft. Ein Herr Dr. R. hielt in Altona einen Vortrag und empfahl bei aller Ablehnung der radikalen Frauen- forderungen die Aufnahme der nationalliberalen Frauen in den Verein. Charakteristisch ist u. a. folgendes Wort des Vor- tragenden: „Die Frauen stehen vor der Tür; öffnen wir ihnen nicht, so gehen sie ein Haus weiter zu den Freisinnigen.“ Dieses eine Wort spricht Bände. Es sind also garnicht nationalliberale Frauen, die um Einlaß bitten, um der Partei zu dienen, sondern es sind Frauenrechtlerinnen, welche die Partei für sich ein- fangen wollen, und eventuell, wenn das nicht gelingen sollte, auch in das nächste Haus einbrechen. Nach kurzer Beratung beschloß der Altonaer Verein: Frauen werden in den nationalliberalen Verein nicht aufgenommen. Begründung: Es besteht die Be- fürchtung, daß dann zahlreiche nationalliberale Männer aus- treten würden. Ein getreues Spiegelbild der Haltung der nationalliberalen Partei in der Frauenfrage gab auch die Frauenstimmrecht 3

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/7>, abgerufen am 26.04.2024.