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Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554.

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Frauenwahlrecht

Zu den Illusionen aus der Zeit der schönen "blonden
Jugendeselei" der Völker wie der Individuen gehört die
Auffassung, dass die "Vertretungen des Volkes," die Parlamente,
aus den weisesten, edelsten, klügsten Männern zusammengesetzt
seien, die in gemeinsamer Erwägung die höchsten
Ideale des Gemeinschaftslebens ihrer Verwirklichung entgegenführen
wollen; eine Auffassung, die vielleicht an einzelnen
hochragenden Gestalten einer früheren Epoche gewonnen war.
Aelter und kälter geworden, in einem Lebensabschnitt, in dem
man seine Anschauungen nicht mehr durch Generalisirung,
durch Uebertragung der eigenen Ideale auf die Aussenwelt,
gewinnt, sondern durch vorsichtige Beobachtung konkreter
Vorgänge und Persönlichkeiten, sieht man, dass die weisen
Männer hier nicht dichter gesät sind als anderswo. Vielleicht
noch weniger dicht, denn der weise Mann liebt es nicht, sich
mit Majoritäten, d. h. Durchschnittsintelligenzen, herumzuschlagen.
Und sieht man sich die Endziele an, so lehrt eine
nüchterne Beobachtung, dass ein jeder die Interessen seines
Standes, seiner Bildungssphäre, seiner Scholle vertritt und dass
die Macht der latenten Anschauungsmassen, an deren kompaktem
Bau das ganze milieu von Jugend auf gearbeitet hat, eine so
unwiderstehliche ist, dass ein gewiegter Parlamentarier mit
absoluter Sicherheit vorauszusagen vermag, wie sich dieser
oder jener, wie sich ganze Parteien einer Einzelfrage gegenüber
verhalten werden; es sei denn, dass -- nach dem hochethischen
Brauch unserer Parlamente -- ein Stimmkompromiss die
Berechnung verschiebt.

Diese Erkenntnis braucht einem nicht den Glauben an das
redliche Wollen des Einzelnen wie der Parteien zu rauben.

Frauenwahlrecht

Zu den Illusionen aus der Zeit der schönen „blonden
Jugendeselei“ der Völker wie der Individuen gehört die
Auffassung, dass die „Vertretungen des Volkes,“ die Parlamente,
aus den weisesten, edelsten, klügsten Männern zusammengesetzt
seien, die in gemeinsamer Erwägung die höchsten
Ideale des Gemeinschaftslebens ihrer Verwirklichung entgegenführen
wollen; eine Auffassung, die vielleicht an einzelnen
hochragenden Gestalten einer früheren Epoche gewonnen war.
Aelter und kälter geworden, in einem Lebensabschnitt, in dem
man seine Anschauungen nicht mehr durch Generalisirung,
durch Uebertragung der eigenen Ideale auf die Aussenwelt,
gewinnt, sondern durch vorsichtige Beobachtung konkreter
Vorgänge und Persönlichkeiten, sieht man, dass die weisen
Männer hier nicht dichter gesät sind als anderswo. Vielleicht
noch weniger dicht, denn der weise Mann liebt es nicht, sich
mit Majoritäten, d. h. Durchschnittsintelligenzen, herumzuschlagen.
Und sieht man sich die Endziele an, so lehrt eine
nüchterne Beobachtung, dass ein jeder die Interessen seines
Standes, seiner Bildungssphäre, seiner Scholle vertritt und dass
die Macht der latenten Anschauungsmassen, an deren kompaktem
Bau das ganze milieu von Jugend auf gearbeitet hat, eine so
unwiderstehliche ist, dass ein gewiegter Parlamentarier mit
absoluter Sicherheit vorauszusagen vermag, wie sich dieser
oder jener, wie sich ganze Parteien einer Einzelfrage gegenüber
verhalten werden; es sei denn, dass — nach dem hochethischen
Brauch unserer Parlamente — ein Stimmkompromiss die
Berechnung verschiebt.

Diese Erkenntnis braucht einem nicht den Glauben an das
redliche Wollen des Einzelnen wie der Parteien zu rauben.

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[539/0002] Frauenwahlrecht Zu den Illusionen aus der Zeit der schönen „blonden Jugendeselei“ der Völker wie der Individuen gehört die Auffassung, dass die „Vertretungen des Volkes,“ die Parlamente, aus den weisesten, edelsten, klügsten Männern zusammengesetzt seien, die in gemeinsamer Erwägung die höchsten Ideale des Gemeinschaftslebens ihrer Verwirklichung entgegenführen wollen; eine Auffassung, die vielleicht an einzelnen hochragenden Gestalten einer früheren Epoche gewonnen war. Aelter und kälter geworden, in einem Lebensabschnitt, in dem man seine Anschauungen nicht mehr durch Generalisirung, durch Uebertragung der eigenen Ideale auf die Aussenwelt, gewinnt, sondern durch vorsichtige Beobachtung konkreter Vorgänge und Persönlichkeiten, sieht man, dass die weisen Männer hier nicht dichter gesät sind als anderswo. Vielleicht noch weniger dicht, denn der weise Mann liebt es nicht, sich mit Majoritäten, d. h. Durchschnittsintelligenzen, herumzuschlagen. Und sieht man sich die Endziele an, so lehrt eine nüchterne Beobachtung, dass ein jeder die Interessen seines Standes, seiner Bildungssphäre, seiner Scholle vertritt und dass die Macht der latenten Anschauungsmassen, an deren kompaktem Bau das ganze milieu von Jugend auf gearbeitet hat, eine so unwiderstehliche ist, dass ein gewiegter Parlamentarier mit absoluter Sicherheit vorauszusagen vermag, wie sich dieser oder jener, wie sich ganze Parteien einer Einzelfrage gegenüber verhalten werden; es sei denn, dass — nach dem hochethischen Brauch unserer Parlamente — ein Stimmkompromiss die Berechnung verschiebt. Diese Erkenntnis braucht einem nicht den Glauben an das redliche Wollen des Einzelnen wie der Parteien zu rauben.

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Zitationshilfe: Lange, Helene: Frauenwahlrecht. In: Cosmopolis – an international monthly review, hrsg. v. F. Ortmans, Heft III. London u. a., 1896, S. 539–554, hier S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_frauenwahlrecht_1896/2>, abgerufen am 13.11.2024.