Hingegen muß man sich bey der physischen Gewißheit, der Empfindungen errinnern, und kann sie im Fall des Vergessens nicht immer so leicht wiederum erneuern. Daß die historische oder aus Nachrichten erlangte Ge- wißheit noch leichter verlohren gehen könne, ist für sich klar, es sey, daß das Ansehen des Aussagers vergessen oder wankend wird, oder daß man im Nachsagen die Aussage nicht so genau beybehält, oder von dem Bey- behalten keine so zuverläßige Gründe geben kann. Um desto mehr hat man demnach auf die Verwandlung der Gewißheiten in dauerhaftere und unmittelbarere zu sehen.
Sechstes Hauptstück. Von der Zeichnung des Scheins.
§. 266.
Die Phänomenologie beschäfftigt sich überhaupt da- mit, daß sie bestimme, was in jeder Art des Scheins real und wahr ist, und zu diesem Ende entwik- kelt sie die besondern Ursachen und Umstände, die einen Schein hervorbringen und verändern, damit man aus dem Schein auf das Reale und Wahre schließen könne. Wir haben bereits in dem ersten Hauptstücke (§. 2. seqq.) angemerkt, daß die Optiker uns längst schon ei- nen Lehrbegriff des sichtbaren Scheins gegeben, und die Phänomenologie in ihrem allgemeinsten Umfange eine transcendente Optik genennt werden könne, so fern sie überhaupt aus dem Wahren den Schein, und hin- wiederum aus dem Schein das Wahre bestimmt. Die- ses thut die Optik in Absicht auf das Auge. Sie geht
aber
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Von dem Wahrſcheinlichen.
Hingegen muß man ſich bey der phyſiſchen Gewißheit, der Empfindungen errinnern, und kann ſie im Fall des Vergeſſens nicht immer ſo leicht wiederum erneuern. Daß die hiſtoriſche oder aus Nachrichten erlangte Ge- wißheit noch leichter verlohren gehen koͤnne, iſt fuͤr ſich klar, es ſey, daß das Anſehen des Ausſagers vergeſſen oder wankend wird, oder daß man im Nachſagen die Ausſage nicht ſo genau beybehaͤlt, oder von dem Bey- behalten keine ſo zuverlaͤßige Gruͤnde geben kann. Um deſto mehr hat man demnach auf die Verwandlung der Gewißheiten in dauerhaftere und unmittelbarere zu ſehen.
Sechstes Hauptſtuͤck. Von der Zeichnung des Scheins.
§. 266.
Die Phaͤnomenologie beſchaͤfftigt ſich uͤberhaupt da- mit, daß ſie beſtimme, was in jeder Art des Scheins real und wahr iſt, und zu dieſem Ende entwik- kelt ſie die beſondern Urſachen und Umſtaͤnde, die einen Schein hervorbringen und veraͤndern, damit man aus dem Schein auf das Reale und Wahre ſchließen koͤnne. Wir haben bereits in dem erſten Hauptſtuͤcke (§. 2. ſeqq.) angemerkt, daß die Optiker uns laͤngſt ſchon ei- nen Lehrbegriff des ſichtbaren Scheins gegeben, und die Phaͤnomenologie in ihrem allgemeinſten Umfange eine tranſcendente Optik genennt werden koͤnne, ſo fern ſie uͤberhaupt aus dem Wahren den Schein, und hin- wiederum aus dem Schein das Wahre beſtimmt. Die- ſes thut die Optik in Abſicht auf das Auge. Sie geht
aber
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Von dem Wahrſcheinlichen.
Hingegen muß man ſich bey der phyſiſchen Gewißheit,
der Empfindungen errinnern, und kann ſie im Fall des
Vergeſſens nicht immer ſo leicht wiederum erneuern.
Daß die hiſtoriſche oder aus Nachrichten erlangte Ge-
wißheit noch leichter verlohren gehen koͤnne, iſt fuͤr ſich
klar, es ſey, daß das Anſehen des Ausſagers vergeſſen
oder wankend wird, oder daß man im Nachſagen die
Ausſage nicht ſo genau beybehaͤlt, oder von dem Bey-
behalten keine ſo zuverlaͤßige Gruͤnde geben kann. Um
deſto mehr hat man demnach auf die Verwandlung
der Gewißheiten in dauerhaftere und unmittelbarere
zu ſehen.
Sechstes Hauptſtuͤck.
Von
der Zeichnung des Scheins.
§. 266.
Die Phaͤnomenologie beſchaͤfftigt ſich uͤberhaupt da-
mit, daß ſie beſtimme, was in jeder Art des
Scheins real und wahr iſt, und zu dieſem Ende entwik-
kelt ſie die beſondern Urſachen und Umſtaͤnde, die einen
Schein hervorbringen und veraͤndern, damit man aus
dem Schein auf das Reale und Wahre ſchließen koͤnne.
Wir haben bereits in dem erſten Hauptſtuͤcke (§. 2.
ſeqq.) angemerkt, daß die Optiker uns laͤngſt ſchon ei-
nen Lehrbegriff des ſichtbaren Scheins gegeben, und
die Phaͤnomenologie in ihrem allgemeinſten Umfange
eine tranſcendente Optik genennt werden koͤnne, ſo fern
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/427>, abgerufen am 03.03.2025.
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