Affecten hinreißen läßt, ohne weitern Unterschied das ganze System zu verwerfen. Es hat inzwischen schon mehrere Systemen gegeben, die man gleichsam wech- selsweise verworfen und wieder hervorgezogen hat, und das Gefallen oder Nichtgefallen ist dabey nicht immer aus dem bloßen Begriffe des Wahren oder Nichtwahren entstanden. Denn diese Begriffe al- lein lassen dem Gemüthe noch die erforderliche Ruhe und Geduld zum sorgfältigern Auseinanderlesen.
Fünftes Hauptstück. Von dem Wahrscheinlichen.
§. 149.
Wir haben noch das Wahre und den Schein des Wahren mit der Gewißheit und ihren Graden zu vergleichen, und hiezu beut uns die Spra- che eine Menge von Ausdrücken an, deren wir uns da- bey bedienen, und die theils der Art nach, theils stuf- fenweise, in ihrer Bedeutung verschieden sind. Denn nebst dem, daß wir etwan sagen, daß eine Sache oder Aussage wahr, oder nicht wahr, gewiß oder un- gewiß sey, daß man sie noch nicht erörtert habe, daß sie dahin gestellt bleibe etc., so bedienen wir uns zu- weilen auch der Ausdrücke: vermuthlich, glaub- lich, ohne Zweifel, allem Ansehen nach, kaum zu zweifeln, es scheine wahr zu seyn, es sey wahrscheinlich, muthmaßlich etc. Diese Ausdrük- ke haben sämtlich etwas gemeinsames, indem sie die Art und den Grad der Versicherung angeben, mit wel- cher wir über eine Sache urtheilen oder denken. So z. E. sagen wir: ohne Zweifel, wenn uns nichts ein-
zuwenden
V. Hauptſtuͤck.
Affecten hinreißen laͤßt, ohne weitern Unterſchied das ganze Syſtem zu verwerfen. Es hat inzwiſchen ſchon mehrere Syſtemen gegeben, die man gleichſam wech- ſelsweiſe verworfen und wieder hervorgezogen hat, und das Gefallen oder Nichtgefallen iſt dabey nicht immer aus dem bloßen Begriffe des Wahren oder Nichtwahren entſtanden. Denn dieſe Begriffe al- lein laſſen dem Gemuͤthe noch die erforderliche Ruhe und Geduld zum ſorgfaͤltigern Auseinanderleſen.
Fuͤnftes Hauptſtuͤck. Von dem Wahrſcheinlichen.
§. 149.
Wir haben noch das Wahre und den Schein des Wahren mit der Gewißheit und ihren Graden zu vergleichen, und hiezu beut uns die Spra- che eine Menge von Ausdruͤcken an, deren wir uns da- bey bedienen, und die theils der Art nach, theils ſtuf- fenweiſe, in ihrer Bedeutung verſchieden ſind. Denn nebſt dem, daß wir etwan ſagen, daß eine Sache oder Ausſage wahr, oder nicht wahr, gewiß oder un- gewiß ſey, daß man ſie noch nicht eroͤrtert habe, daß ſie dahin geſtellt bleibe ꝛc., ſo bedienen wir uns zu- weilen auch der Ausdruͤcke: vermuthlich, glaub- lich, ohne Zweifel, allem Anſehen nach, kaum zu zweifeln, es ſcheine wahr zu ſeyn, es ſey wahrſcheinlich, muthmaßlich ꝛc. Dieſe Ausdruͤk- ke haben ſaͤmtlich etwas gemeinſames, indem ſie die Art und den Grad der Verſicherung angeben, mit wel- cher wir uͤber eine Sache urtheilen oder denken. So z. E. ſagen wir: ohne Zweifel, wenn uns nichts ein-
zuwenden
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V. Hauptſtuͤck.
Affecten hinreißen laͤßt, ohne weitern Unterſchied das
ganze Syſtem zu verwerfen. Es hat inzwiſchen ſchon
mehrere Syſtemen gegeben, die man gleichſam wech-
ſelsweiſe verworfen und wieder hervorgezogen hat, und
das Gefallen oder Nichtgefallen iſt dabey nicht
immer aus dem bloßen Begriffe des Wahren oder
Nichtwahren entſtanden. Denn dieſe Begriffe al-
lein laſſen dem Gemuͤthe noch die erforderliche Ruhe
und Geduld zum ſorgfaͤltigern Auseinanderleſen.
Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
Von dem Wahrſcheinlichen.
§. 149.
Wir haben noch das Wahre und den Schein des
Wahren mit der Gewißheit und ihren
Graden zu vergleichen, und hiezu beut uns die Spra-
che eine Menge von Ausdruͤcken an, deren wir uns da-
bey bedienen, und die theils der Art nach, theils ſtuf-
fenweiſe, in ihrer Bedeutung verſchieden ſind. Denn
nebſt dem, daß wir etwan ſagen, daß eine Sache oder
Ausſage wahr, oder nicht wahr, gewiß oder un-
gewiß ſey, daß man ſie noch nicht eroͤrtert habe, daß
ſie dahin geſtellt bleibe ꝛc., ſo bedienen wir uns zu-
weilen auch der Ausdruͤcke: vermuthlich, glaub-
lich, ohne Zweifel, allem Anſehen nach, kaum
zu zweifeln, es ſcheine wahr zu ſeyn, es ſey
wahrſcheinlich, muthmaßlich ꝛc. Dieſe Ausdruͤk-
ke haben ſaͤmtlich etwas gemeinſames, indem ſie die
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 2. Leipzig, 1764, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon02_1764/324>, abgerufen am 03.03.2025.
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