Wir müssen hiebey anmerken, daß wir in dem erst gegebenen Beweise das Bewußtseyn in einem sehr engen und genauen Verstande nehmen, weil wir von einem solchen Bewußtseyn auf die Wahrheit der Vor- stellung einen Schluß machen. Wir haben hier nicht nöthig zu untersuchen, wiefern das Bewußtseyn in einem weitern oder engern Verstande genommen wer- den kann, sondern werden nur anzeigen, daß wir es hier in einem sehr engen und genau bestimmten Ver- stande nehmen können und müssen. Denn da wir hier von der Gewißheit reden, so dürfen wir nur aus dem §. 72. wiederholen, daß das Bewußtseyn uns- rer Existenz der eigentliche und wahre Maaßstab der Gewißheit sey, und eine absolute Einheit aus- mache. (§. 76.) Haben wir nun dieses Bewußtseyn von der durchgängigen Gedenkbarkeit einer Vorstel- lung, so ist sie unstreitig so gewiß wahr und richtig, so gewiß wir sind. (§. 72.) Und haben wir eben dieses Bewußtseyn, daß eine Vorstellung, so weit wir sie haben, noch nicht complet ist, so fällt auch die Ungewißheit von allem, was wir uns davon mit einem solchen Bewußtseyn als gedenkbar vorstellen, ganz weg. Und dieses ist alles, was wir über den gegebe- nen Beweis anzumerken nöthig haben. Denn daß es ein solches Bewußtseyn gebe, haben wir dadurch auf ein unmittelbares Postulatum (§. 71.) reducirt. Ob aber ein solches Bewußtseyn bey jedem Gedenkbaren seyn könne, das ist hier die Frage noch nicht. Aber so strenge müssen wir es nehmen, wo von der Gewiß- heit an sich, folglich von der absoluten Gewißheit die Rede ist. Will man aber bey unserm Satze die wahre Gewißheit von der bloß vermeynten noch un- getrennt lassen, so wird von der bloßen Einbildung eben das gelten, was wir von dem Wahren gesagt
haben.
Lamb. Org. I. Band. N n
des Wahren und Jrrigen.
§. 210.
Wir muͤſſen hiebey anmerken, daß wir in dem erſt gegebenen Beweiſe das Bewußtſeyn in einem ſehr engen und genauen Verſtande nehmen, weil wir von einem ſolchen Bewußtſeyn auf die Wahrheit der Vor- ſtellung einen Schluß machen. Wir haben hier nicht noͤthig zu unterſuchen, wiefern das Bewußtſeyn in einem weitern oder engern Verſtande genommen wer- den kann, ſondern werden nur anzeigen, daß wir es hier in einem ſehr engen und genau beſtimmten Ver- ſtande nehmen koͤnnen und muͤſſen. Denn da wir hier von der Gewißheit reden, ſo duͤrfen wir nur aus dem §. 72. wiederholen, daß das Bewußtſeyn unſ- rer Exiſtenz der eigentliche und wahre Maaßſtab der Gewißheit ſey, und eine abſolute Einheit aus- mache. (§. 76.) Haben wir nun dieſes Bewußtſeyn von der durchgaͤngigen Gedenkbarkeit einer Vorſtel- lung, ſo iſt ſie unſtreitig ſo gewiß wahr und richtig, ſo gewiß wir ſind. (§. 72.) Und haben wir eben dieſes Bewußtſeyn, daß eine Vorſtellung, ſo weit wir ſie haben, noch nicht complet iſt, ſo faͤllt auch die Ungewißheit von allem, was wir uns davon mit einem ſolchen Bewußtſeyn als gedenkbar vorſtellen, ganz weg. Und dieſes iſt alles, was wir uͤber den gegebe- nen Beweis anzumerken noͤthig haben. Denn daß es ein ſolches Bewußtſeyn gebe, haben wir dadurch auf ein unmittelbares Poſtulatum (§. 71.) reducirt. Ob aber ein ſolches Bewußtſeyn bey jedem Gedenkbaren ſeyn koͤnne, das iſt hier die Frage noch nicht. Aber ſo ſtrenge muͤſſen wir es nehmen, wo von der Gewiß- heit an ſich, folglich von der abſoluten Gewißheit die Rede iſt. Will man aber bey unſerm Satze die wahre Gewißheit von der bloß vermeynten noch un- getrennt laſſen, ſo wird von der bloßen Einbildung eben das gelten, was wir von dem Wahren geſagt
haben.
Lamb. Org. I. Band. N n
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des Wahren und Jrrigen.
§. 210.
Wir muͤſſen hiebey anmerken, daß wir in dem erſt
gegebenen Beweiſe das Bewußtſeyn in einem ſehr
engen und genauen Verſtande nehmen, weil wir von
einem ſolchen Bewußtſeyn auf die Wahrheit der Vor-
ſtellung einen Schluß machen. Wir haben hier nicht
noͤthig zu unterſuchen, wiefern das Bewußtſeyn in
einem weitern oder engern Verſtande genommen wer-
den kann, ſondern werden nur anzeigen, daß wir es
hier in einem ſehr engen und genau beſtimmten Ver-
ſtande nehmen koͤnnen und muͤſſen. Denn da wir
hier von der Gewißheit reden, ſo duͤrfen wir nur aus
dem §. 72. wiederholen, daß das Bewußtſeyn unſ-
rer Exiſtenz der eigentliche und wahre Maaßſtab
der Gewißheit ſey, und eine abſolute Einheit aus-
mache. (§. 76.) Haben wir nun dieſes Bewußtſeyn
von der durchgaͤngigen Gedenkbarkeit einer Vorſtel-
lung, ſo iſt ſie unſtreitig ſo gewiß wahr und richtig,
ſo gewiß wir ſind. (§. 72.) Und haben wir eben
dieſes Bewußtſeyn, daß eine Vorſtellung, ſo weit wir
ſie haben, noch nicht complet iſt, ſo faͤllt auch die
Ungewißheit von allem, was wir uns davon mit einem
ſolchen Bewußtſeyn als gedenkbar vorſtellen, ganz
weg. Und dieſes iſt alles, was wir uͤber den gegebe-
nen Beweis anzumerken noͤthig haben. Denn daß es
ein ſolches Bewußtſeyn gebe, haben wir dadurch auf
ein unmittelbares Poſtulatum (§. 71.) reducirt. Ob
aber ein ſolches Bewußtſeyn bey jedem Gedenkbaren
ſeyn koͤnne, das iſt hier die Frage noch nicht. Aber
ſo ſtrenge muͤſſen wir es nehmen, wo von der Gewiß-
heit an ſich, folglich von der abſoluten Gewißheit
die Rede iſt. Will man aber bey unſerm Satze die
wahre Gewißheit von der bloß vermeynten noch un-
getrennt laſſen, ſo wird von der bloßen Einbildung
eben das gelten, was wir von dem Wahren geſagt
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/583>, abgerufen am 22.12.2024.
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