Begriffen ausführlicher vorgetragen werden, damit, wenn auch noch irgend ein Mißverstand in den Wor- ten mit unterlaufen könnte, demselben vorgebogen werde. Dieses war aber hier unsre Absicht nicht. Denn da wir sie hier nur anzeigen wollten, um sie gleichsam im Ganzen zu betrachten, so haben wir sie so viel nöthig war, zusammen aufgehäuft. Jn- dessen aber fordern sie, um einleuchtend zu werden, weiter nichts, als die klare Vorstellung der Begriffe, und die benöthigte Aufmerksamkeit. Wir wollen sie nun untereinander vergleichen.
§. 127.
Unter den Wissenschaften, so die einfachen Be- griffe zum Gegenstande haben, ist bisher vornehmlich nur noch die Arithmetik und Geometrie (§. 74. 82.) in eine strengere wissenschaftliche Form gebracht. Wir wollen die Geometrie zum Muster nehmen, und da ist offenbar, daß die dafür angegebenen Grundsätze und Postulata (§. 83. 84. 115.) diejenigen sind, wodurch die tiefsinnigsten geometrischen Lehrsätze und Aufgaben möglich gemacht, erwiesen und aufgelöst werden können. Euclid hat sie etwas specialer vor- getragen, und mehrere einzelne daraus gemacht, um sie so zu reden näher bey der Hand zu haben.
§. 128.
Ob nun die Chronometrie und Phoronomie einen ähnlichen und gleich strengen Vortrag leide, läßt sich aus der Aehnlichkeit der Grundsätze und Forderungen (§. 78 seqq 89 seqq.) leicht abnehmen, wenn man sie mit den geometrischen vergleicht. Die Postulata geben allgemeine Möglichkeiten an, und diese muß man nothwendig haben, wenn man die bestimmtern Möglichkeiten daraus herleiten will.
§. 129.
III. Hauptſtuͤck,
Begriffen ausfuͤhrlicher vorgetragen werden, damit, wenn auch noch irgend ein Mißverſtand in den Wor- ten mit unterlaufen koͤnnte, demſelben vorgebogen werde. Dieſes war aber hier unſre Abſicht nicht. Denn da wir ſie hier nur anzeigen wollten, um ſie gleichſam im Ganzen zu betrachten, ſo haben wir ſie ſo viel noͤthig war, zuſammen aufgehaͤuft. Jn- deſſen aber fordern ſie, um einleuchtend zu werden, weiter nichts, als die klare Vorſtellung der Begriffe, und die benoͤthigte Aufmerkſamkeit. Wir wollen ſie nun untereinander vergleichen.
§. 127.
Unter den Wiſſenſchaften, ſo die einfachen Be- griffe zum Gegenſtande haben, iſt bisher vornehmlich nur noch die Arithmetik und Geometrie (§. 74. 82.) in eine ſtrengere wiſſenſchaftliche Form gebracht. Wir wollen die Geometrie zum Muſter nehmen, und da iſt offenbar, daß die dafuͤr angegebenen Grundſaͤtze und Poſtulata (§. 83. 84. 115.) diejenigen ſind, wodurch die tiefſinnigſten geometriſchen Lehrſaͤtze und Aufgaben moͤglich gemacht, erwieſen und aufgeloͤſt werden koͤnnen. Euclid hat ſie etwas ſpecialer vor- getragen, und mehrere einzelne daraus gemacht, um ſie ſo zu reden naͤher bey der Hand zu haben.
§. 128.
Ob nun die Chronometrie und Phoronomie einen aͤhnlichen und gleich ſtrengen Vortrag leide, laͤßt ſich aus der Aehnlichkeit der Grundſaͤtze und Forderungen (§. 78 ſeqq 89 ſeqq.) leicht abnehmen, wenn man ſie mit den geometriſchen vergleicht. Die Poſtulata geben allgemeine Moͤglichkeiten an, und dieſe muß man nothwendig haben, wenn man die beſtimmtern Moͤglichkeiten daraus herleiten will.
§. 129.
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III. Hauptſtuͤck,
Begriffen ausfuͤhrlicher vorgetragen werden, damit,
wenn auch noch irgend ein Mißverſtand in den Wor-
ten mit unterlaufen koͤnnte, demſelben vorgebogen
werde. Dieſes war aber hier unſre Abſicht nicht.
Denn da wir ſie hier nur anzeigen wollten, um ſie
gleichſam im Ganzen zu betrachten, ſo haben wir
ſie ſo viel noͤthig war, zuſammen aufgehaͤuft. Jn-
deſſen aber fordern ſie, um einleuchtend zu werden,
weiter nichts, als die klare Vorſtellung der Begriffe,
und die benoͤthigte Aufmerkſamkeit. Wir wollen ſie
nun untereinander vergleichen.
§. 127.
Unter den Wiſſenſchaften, ſo die einfachen Be-
griffe zum Gegenſtande haben, iſt bisher vornehmlich
nur noch die Arithmetik und Geometrie (§. 74. 82.)
in eine ſtrengere wiſſenſchaftliche Form gebracht.
Wir wollen die Geometrie zum Muſter nehmen, und
da iſt offenbar, daß die dafuͤr angegebenen Grundſaͤtze
und Poſtulata (§. 83. 84. 115.) diejenigen ſind,
wodurch die tiefſinnigſten geometriſchen Lehrſaͤtze und
Aufgaben moͤglich gemacht, erwieſen und aufgeloͤſt
werden koͤnnen. Euclid hat ſie etwas ſpecialer vor-
getragen, und mehrere einzelne daraus gemacht, um
ſie ſo zu reden naͤher bey der Hand zu haben.
§. 128.
Ob nun die Chronometrie und Phoronomie einen
aͤhnlichen und gleich ſtrengen Vortrag leide, laͤßt ſich
aus der Aehnlichkeit der Grundſaͤtze und Forderungen
(§. 78 ſeqq 89 ſeqq.) leicht abnehmen, wenn man
ſie mit den geometriſchen vergleicht. Die Poſtulata
geben allgemeine Moͤglichkeiten an, und dieſe muß
man nothwendig haben, wenn man die beſtimmtern
Moͤglichkeiten daraus herleiten will.
§. 129.
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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/542>, abgerufen am 23.11.2024.
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