Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Hauptstück,
man aus dem Gesuchten herleite, was zu dessen Be-
stimmung nothwendig erfordert wird, bis man auf
solche Stücke kömmt, die man als bekannt oder
gegeben voraus setzen kann. Es ist klar, daß man in
solchen Fällen genau und ausführlich ausmachen
müsse, was man eigentlich sucht, und wozu man es
haben will. Denn diese Bedingungen machen, daß
sich die Requisita und Criteria des gesuchten leichter
finden lassen. Jn diesen Fällen hat man selbst in der
Mathematik mehr Nachsicht, weil man in Ermang-
lung der gegebnen Stücke sich begnügt, wenn das
Quaesitum wenigstens auch nur auf eine Art gefunden
werden kann. So z. E. bleibt es noch dermalen da-
hin gestellt, ob unter allen Ausschnitten oder Abschnit-
ten eines Zirkels auch nur ein einiger sich quadriren
lasse, ohne unendliche Reihen oder Quantitates ima-
ginarias
dazu zu gebrauchen. Wäre aber einer gefun-
den, so würde man auch bald darauf bedacht seyn, die
Data näher zu bestimmen, die Aufgabe allgemeiner
zu machen, die Methode abzuändern, in die Kürze zu
ziehen etc. Denn dieses alles hängt von der Möglich-
keit und Erfindung der gegebenen Stücke zu den ge-
suchten ab.

§. 496.

Wenn man nach einer langen Reihe von Schlüs-
sen endlich auf einen sehr einfachen Satz kömmt, wo-
durch die Aufgabe aufgelöset wird, so kann man aller-
dings vermuthen, daß man durch Umwege gegangen, und
daß dabey Abkürzungen möglich sind. (§. 488. 490.)
Dieses geschieht, wenn man die Sache zu weit
herholet,
das will sagen, wenn man bey einer höhern
Gattung anfängt als nöthig wäre, um die Eigenschaf-
ten einer vorgegebenen Art zu finden, (§. 50.) oder
wenn man die Sache theilsweise durchgeht, da man

sie

VII. Hauptſtuͤck,
man aus dem Geſuchten herleite, was zu deſſen Be-
ſtimmung nothwendig erfordert wird, bis man auf
ſolche Stuͤcke koͤmmt, die man als bekannt oder
gegeben voraus ſetzen kann. Es iſt klar, daß man in
ſolchen Faͤllen genau und ausfuͤhrlich ausmachen
muͤſſe, was man eigentlich ſucht, und wozu man es
haben will. Denn dieſe Bedingungen machen, daß
ſich die Requiſita und Criteria des geſuchten leichter
finden laſſen. Jn dieſen Faͤllen hat man ſelbſt in der
Mathematik mehr Nachſicht, weil man in Ermang-
lung der gegebnen Stuͤcke ſich begnuͤgt, wenn das
Quaeſitum wenigſtens auch nur auf eine Art gefunden
werden kann. So z. E. bleibt es noch dermalen da-
hin geſtellt, ob unter allen Ausſchnitten oder Abſchnit-
ten eines Zirkels auch nur ein einiger ſich quadriren
laſſe, ohne unendliche Reihen oder Quantitates ima-
ginarias
dazu zu gebrauchen. Waͤre aber einer gefun-
den, ſo wuͤrde man auch bald darauf bedacht ſeyn, die
Data naͤher zu beſtimmen, die Aufgabe allgemeiner
zu machen, die Methode abzuaͤndern, in die Kuͤrze zu
ziehen ꝛc. Denn dieſes alles haͤngt von der Moͤglich-
keit und Erfindung der gegebenen Stuͤcke zu den ge-
ſuchten ab.

§. 496.

Wenn man nach einer langen Reihe von Schluͤſ-
ſen endlich auf einen ſehr einfachen Satz koͤmmt, wo-
durch die Aufgabe aufgeloͤſet wird, ſo kann man aller-
dings vermuthen, daß man durch Umwege gegangen, und
daß dabey Abkuͤrzungen moͤglich ſind. (§. 488. 490.)
Dieſes geſchieht, wenn man die Sache zu weit
herholet,
das will ſagen, wenn man bey einer hoͤhern
Gattung anfaͤngt als noͤthig waͤre, um die Eigenſchaf-
ten einer vorgegebenen Art zu finden, (§. 50.) oder
wenn man die Sache theilsweiſe durchgeht, da man

ſie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0338" n="316"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
man aus dem Ge&#x017F;uchten herleite, was zu de&#x017F;&#x017F;en Be-<lb/>
&#x017F;timmung nothwendig erfordert wird, bis man auf<lb/>
&#x017F;olche Stu&#x0364;cke ko&#x0364;mmt, die man als bekannt oder<lb/>
gegeben voraus &#x017F;etzen kann. Es i&#x017F;t klar, daß man in<lb/>
&#x017F;olchen Fa&#x0364;llen genau und ausfu&#x0364;hrlich ausmachen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, was man eigentlich &#x017F;ucht, und wozu man es<lb/>
haben will. Denn die&#x017F;e Bedingungen machen, daß<lb/>
&#x017F;ich die <hi rendition="#aq">Requi&#x017F;ita</hi> und <hi rendition="#aq">Criteria</hi> des ge&#x017F;uchten leichter<lb/>
finden la&#x017F;&#x017F;en. Jn die&#x017F;en Fa&#x0364;llen hat man &#x017F;elb&#x017F;t in der<lb/>
Mathematik mehr Nach&#x017F;icht, weil man in Ermang-<lb/>
lung der gegebnen Stu&#x0364;cke &#x017F;ich begnu&#x0364;gt, wenn das<lb/><hi rendition="#aq">Quae&#x017F;itum</hi> wenig&#x017F;tens auch nur auf eine Art gefunden<lb/>
werden kann. So z. E. bleibt es noch dermalen da-<lb/>
hin ge&#x017F;tellt, ob unter allen Aus&#x017F;chnitten oder Ab&#x017F;chnit-<lb/>
ten eines Zirkels auch nur ein einiger &#x017F;ich quadriren<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e, ohne unendliche Reihen oder <hi rendition="#aq">Quantitates ima-<lb/>
ginarias</hi> dazu zu gebrauchen. Wa&#x0364;re aber einer gefun-<lb/>
den, &#x017F;o wu&#x0364;rde man auch bald darauf bedacht &#x017F;eyn, die<lb/><hi rendition="#aq">Data</hi> na&#x0364;her zu be&#x017F;timmen, die Aufgabe allgemeiner<lb/>
zu machen, die Methode abzua&#x0364;ndern, in die Ku&#x0364;rze zu<lb/>
ziehen &#xA75B;c. Denn die&#x017F;es alles ha&#x0364;ngt von der Mo&#x0364;glich-<lb/>
keit und Erfindung der gegebenen Stu&#x0364;cke zu den ge-<lb/>
&#x017F;uchten ab.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 496.</head><lb/>
            <p>Wenn man nach einer langen Reihe von Schlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en endlich auf einen &#x017F;ehr einfachen Satz ko&#x0364;mmt, wo-<lb/>
durch die Aufgabe aufgelo&#x0364;&#x017F;et wird, &#x017F;o kann man aller-<lb/>
dings vermuthen, daß man durch Umwege gegangen, und<lb/>
daß dabey Abku&#x0364;rzungen mo&#x0364;glich &#x017F;ind. (§. 488. 490.)<lb/>
Die&#x017F;es ge&#x017F;chieht, <hi rendition="#fr">wenn man die Sache zu weit<lb/>
herholet,</hi> das will &#x017F;agen, wenn man bey einer ho&#x0364;hern<lb/>
Gattung anfa&#x0364;ngt als no&#x0364;thig wa&#x0364;re, um die Eigen&#x017F;chaf-<lb/>
ten einer vorgegebenen Art zu finden, (§. 50.) oder<lb/>
wenn man die Sache theilswei&#x017F;e durchgeht, da man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0338] VII. Hauptſtuͤck, man aus dem Geſuchten herleite, was zu deſſen Be- ſtimmung nothwendig erfordert wird, bis man auf ſolche Stuͤcke koͤmmt, die man als bekannt oder gegeben voraus ſetzen kann. Es iſt klar, daß man in ſolchen Faͤllen genau und ausfuͤhrlich ausmachen muͤſſe, was man eigentlich ſucht, und wozu man es haben will. Denn dieſe Bedingungen machen, daß ſich die Requiſita und Criteria des geſuchten leichter finden laſſen. Jn dieſen Faͤllen hat man ſelbſt in der Mathematik mehr Nachſicht, weil man in Ermang- lung der gegebnen Stuͤcke ſich begnuͤgt, wenn das Quaeſitum wenigſtens auch nur auf eine Art gefunden werden kann. So z. E. bleibt es noch dermalen da- hin geſtellt, ob unter allen Ausſchnitten oder Abſchnit- ten eines Zirkels auch nur ein einiger ſich quadriren laſſe, ohne unendliche Reihen oder Quantitates ima- ginarias dazu zu gebrauchen. Waͤre aber einer gefun- den, ſo wuͤrde man auch bald darauf bedacht ſeyn, die Data naͤher zu beſtimmen, die Aufgabe allgemeiner zu machen, die Methode abzuaͤndern, in die Kuͤrze zu ziehen ꝛc. Denn dieſes alles haͤngt von der Moͤglich- keit und Erfindung der gegebenen Stuͤcke zu den ge- ſuchten ab. §. 496. Wenn man nach einer langen Reihe von Schluͤſ- ſen endlich auf einen ſehr einfachen Satz koͤmmt, wo- durch die Aufgabe aufgeloͤſet wird, ſo kann man aller- dings vermuthen, daß man durch Umwege gegangen, und daß dabey Abkuͤrzungen moͤglich ſind. (§. 488. 490.) Dieſes geſchieht, wenn man die Sache zu weit herholet, das will ſagen, wenn man bey einer hoͤhern Gattung anfaͤngt als noͤthig waͤre, um die Eigenſchaf- ten einer vorgegebenen Art zu finden, (§. 50.) oder wenn man die Sache theilsweiſe durchgeht, da man ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/338
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/338>, abgerufen am 22.12.2024.