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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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VI. Hauptstück,
lich als unmöglich seyn. Euclids Schluß geht
demnach überhaupt deswegen an, weil in der Formel

entweder so wohl an als a, oder keines von beyden
sich durch e theilen läßt. Die Bedingung setzt, an. a
lasse sich theilen, folglich läßt sich so wohl an--1 als
a theilen, demnach nicht keines von beyden. Und
aus diesem Grunde kann Euclid allerdings eine Weile
einräumen, als ob sich a nicht theilen ließe, und be-
gnügt sich, daß an--1 sich theilen lasse, um daraus
zu folgern, daß die Theilung auch mit a angehe.

§. 390.

Dieses Beyspiel, allgemeiner vorgetragen, kömmt
demnach darauf an, daß, wenn man eine Sache aus
zwey oder mehrerley Gründen beweisen oder noth-
wendig machen kann, der eine dieser Gründe für ei-
ne Zeitlang als falsch könne angesehen werden, wenn
ihn der Gegner nicht will einräumen. Denn da man
mit dem andern Grunde, oder mit den andern aus-
reicht, ihn zu überzeugen, so kann man sodann den
ersten oder geläugneten nachholen. Dieses Verfah-
ren hat eine völlige Aehnlichkeit mit den Schlüssen in
Caspida. Denn giebt man in dem Schlusse:

Alle A sind entweder M oder N
aber Sowohl M als N ist B
folglich: Alle A sind B

das disjunctive Mittelglied in dem Untersatze nebst
dem Obersatze zu, so hat es in Absicht auf den Schluß-
satz nichts zu sagen, ob A, M oder N sey. Man
kann demnach das eine oder das andre läugnen las-
sen, ohne dem Schlußsatz Abbruch zu thun. Eben
so geht es auch bey einer specialern Anwendung die-
ses Schlusses. Z. E.

C ist

VI. Hauptſtuͤck,
lich als unmoͤglich ſeyn. Euclids Schluß geht
demnach uͤberhaupt deswegen an, weil in der Formel

entweder ſo wohl an als a, oder keines von beyden
ſich durch e theilen laͤßt. Die Bedingung ſetzt, an. a
laſſe ſich theilen, folglich laͤßt ſich ſo wohl an—1 als
a theilen, demnach nicht keines von beyden. Und
aus dieſem Grunde kann Euclid allerdings eine Weile
einraͤumen, als ob ſich a nicht theilen ließe, und be-
gnuͤgt ſich, daß an—1 ſich theilen laſſe, um daraus
zu folgern, daß die Theilung auch mit a angehe.

§. 390.

Dieſes Beyſpiel, allgemeiner vorgetragen, koͤmmt
demnach darauf an, daß, wenn man eine Sache aus
zwey oder mehrerley Gruͤnden beweiſen oder noth-
wendig machen kann, der eine dieſer Gruͤnde fuͤr ei-
ne Zeitlang als falſch koͤnne angeſehen werden, wenn
ihn der Gegner nicht will einraͤumen. Denn da man
mit dem andern Grunde, oder mit den andern aus-
reicht, ihn zu uͤberzeugen, ſo kann man ſodann den
erſten oder gelaͤugneten nachholen. Dieſes Verfah-
ren hat eine voͤllige Aehnlichkeit mit den Schluͤſſen in
Caſpida. Denn giebt man in dem Schluſſe:

Alle A ſind entweder M oder N
aber Sowohl M als N iſt B
folglich: Alle A ſind B

das disjunctive Mittelglied in dem Unterſatze nebſt
dem Oberſatze zu, ſo hat es in Abſicht auf den Schluß-
ſatz nichts zu ſagen, ob A, M oder N ſey. Man
kann demnach das eine oder das andre laͤugnen laſ-
ſen, ohne dem Schlußſatz Abbruch zu thun. Eben
ſo geht es auch bey einer ſpecialern Anwendung die-
ſes Schluſſes. Z. E.

C iſt
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[254/0276] VI. Hauptſtuͤck, lich als unmoͤglich ſeyn. Euclids Schluß geht demnach uͤberhaupt deswegen an, weil in der Formel [FORMEL] entweder ſo wohl an als a, oder keines von beyden ſich durch e theilen laͤßt. Die Bedingung ſetzt, an. a laſſe ſich theilen, folglich laͤßt ſich ſo wohl an—1 als a theilen, demnach nicht keines von beyden. Und aus dieſem Grunde kann Euclid allerdings eine Weile einraͤumen, als ob ſich a nicht theilen ließe, und be- gnuͤgt ſich, daß an—1 ſich theilen laſſe, um daraus zu folgern, daß die Theilung auch mit a angehe. §. 390. Dieſes Beyſpiel, allgemeiner vorgetragen, koͤmmt demnach darauf an, daß, wenn man eine Sache aus zwey oder mehrerley Gruͤnden beweiſen oder noth- wendig machen kann, der eine dieſer Gruͤnde fuͤr ei- ne Zeitlang als falſch koͤnne angeſehen werden, wenn ihn der Gegner nicht will einraͤumen. Denn da man mit dem andern Grunde, oder mit den andern aus- reicht, ihn zu uͤberzeugen, ſo kann man ſodann den erſten oder gelaͤugneten nachholen. Dieſes Verfah- ren hat eine voͤllige Aehnlichkeit mit den Schluͤſſen in Caſpida. Denn giebt man in dem Schluſſe: Alle A ſind entweder M oder N aber Sowohl M als N iſt B folglich: Alle A ſind B das disjunctive Mittelglied in dem Unterſatze nebſt dem Oberſatze zu, ſo hat es in Abſicht auf den Schluß- ſatz nichts zu ſagen, ob A, M oder N ſey. Man kann demnach das eine oder das andre laͤugnen laſ- ſen, ohne dem Schlußſatz Abbruch zu thun. Eben ſo geht es auch bey einer ſpecialern Anwendung die- ſes Schluſſes. Z. E. C iſt

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/276>, abgerufen am 21.11.2024.