Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

von den Urtheilen und Fragen.
ben, als zureichend und nothwendig sind, die Aufgabe
aufzulösen. Und wenn etwann weniger sind, so geben
sie gleich der Aufgabe wiederum einen besondern Na-
men, indem sie sie Problema indeterminatum, oder
unbestimmte Aufgabe nennen, dergleichen die dio-
phantischen
sind, welche von ihrem Erfinder Dio-
phantus
so genennt werden.

§. 164.

Diese ausnehmende Genauigkeit der Mathema-
tiker läßt sich noch wenig in den übrigen Wissenschaf-
ten anbringen. Weil in diesen die Verhältnisse der
Dinge, wodurch eines durch die übrigen vollständig
bestimmt wird, vielfacher und verwickelter sind. Die
Vernunftlehre, und in dieser besonders die Theorie
von Umkehrung der Sätze, und die von den Schlüs-
sen, giebt noch die besten Beyspiele, weil man hier
alle zu der Bestimmung der Sache nöthige Stücke
vorgezählt findet. Jn den übrigen philosophischen
Wissenschaften sind die Begriffe entweder zu abstract,
oder die Sachen selbst mit zu vielen Veränderlichkei-
ten und Umständen durchflochten, als daß man die
nothwendigen Bestimmungsstücke sogleich finden
könnte. Man wird hiebey eben den Mangel finden,
den wir oben (§. 110.) in einer andern Absicht an-
gezeigt haben.

§. 165.

Die Data und Quaesita bestimmen einander öf-
ters auf eine solche Art, daß man hinwiederum aus
dem Quaesito und einigen Datis die übrigen Data
finden kann. Thut man dieses, so wird die Aufgabe
umgekehrt. Z. E. Man kann aus dem Diameter
eines Zirkels den Umkrais, und so hinwiederum aus
diesem jenen finden.

§. 166.
G 5

von den Urtheilen und Fragen.
ben, als zureichend und nothwendig ſind, die Aufgabe
aufzuloͤſen. Und wenn etwann weniger ſind, ſo geben
ſie gleich der Aufgabe wiederum einen beſondern Na-
men, indem ſie ſie Problema indeterminatum, oder
unbeſtimmte Aufgabe nennen, dergleichen die dio-
phantiſchen
ſind, welche von ihrem Erfinder Dio-
phantus
ſo genennt werden.

§. 164.

Dieſe ausnehmende Genauigkeit der Mathema-
tiker laͤßt ſich noch wenig in den uͤbrigen Wiſſenſchaf-
ten anbringen. Weil in dieſen die Verhaͤltniſſe der
Dinge, wodurch eines durch die uͤbrigen vollſtaͤndig
beſtimmt wird, vielfacher und verwickelter ſind. Die
Vernunftlehre, und in dieſer beſonders die Theorie
von Umkehrung der Saͤtze, und die von den Schluͤſ-
ſen, giebt noch die beſten Beyſpiele, weil man hier
alle zu der Beſtimmung der Sache noͤthige Stuͤcke
vorgezaͤhlt findet. Jn den uͤbrigen philoſophiſchen
Wiſſenſchaften ſind die Begriffe entweder zu abſtract,
oder die Sachen ſelbſt mit zu vielen Veraͤnderlichkei-
ten und Umſtaͤnden durchflochten, als daß man die
nothwendigen Beſtimmungsſtuͤcke ſogleich finden
koͤnnte. Man wird hiebey eben den Mangel finden,
den wir oben (§. 110.) in einer andern Abſicht an-
gezeigt haben.

§. 165.

Die Data und Quaeſita beſtimmen einander oͤf-
ters auf eine ſolche Art, daß man hinwiederum aus
dem Quaeſito und einigen Datis die uͤbrigen Data
finden kann. Thut man dieſes, ſo wird die Aufgabe
umgekehrt. Z. E. Man kann aus dem Diameter
eines Zirkels den Umkrais, und ſo hinwiederum aus
dieſem jenen finden.

§. 166.
G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0127" n="105"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den Urtheilen und Fragen.</hi></fw><lb/>
ben, als zureichend und nothwendig &#x017F;ind, die Aufgabe<lb/>
aufzulo&#x0364;&#x017F;en. Und wenn etwann weniger &#x017F;ind, &#x017F;o geben<lb/>
&#x017F;ie gleich der Aufgabe wiederum einen be&#x017F;ondern Na-<lb/>
men, indem &#x017F;ie &#x017F;ie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Problema indeterminatum,</hi></hi> oder<lb/>
unbe&#x017F;timmte <hi rendition="#fr">Aufgabe</hi> nennen, dergleichen die <hi rendition="#fr">dio-<lb/>
phanti&#x017F;chen</hi> &#x017F;ind, welche von ihrem Erfinder <hi rendition="#aq">Dio-<lb/>
phantus</hi> &#x017F;o genennt werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 164.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;e ausnehmende Genauigkeit der Mathema-<lb/>
tiker la&#x0364;ßt &#x017F;ich noch wenig in den u&#x0364;brigen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaf-<lb/>
ten anbringen. Weil in die&#x017F;en die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Dinge, wodurch eines durch die u&#x0364;brigen voll&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
be&#x017F;timmt wird, vielfacher und verwickelter &#x017F;ind. Die<lb/>
Vernunftlehre, und in die&#x017F;er be&#x017F;onders die Theorie<lb/>
von Umkehrung der Sa&#x0364;tze, und die von den Schlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, giebt noch die be&#x017F;ten Bey&#x017F;piele, weil man hier<lb/>
alle zu der Be&#x017F;timmung der Sache no&#x0364;thige Stu&#x0364;cke<lb/>
vorgeza&#x0364;hlt findet. Jn den u&#x0364;brigen philo&#x017F;ophi&#x017F;chen<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften &#x017F;ind die Begriffe entweder zu ab&#x017F;tract,<lb/>
oder die Sachen &#x017F;elb&#x017F;t mit zu vielen Vera&#x0364;nderlichkei-<lb/>
ten und Um&#x017F;ta&#x0364;nden durchflochten, als daß man die<lb/>
nothwendigen Be&#x017F;timmungs&#x017F;tu&#x0364;cke &#x017F;ogleich finden<lb/>
ko&#x0364;nnte. Man wird hiebey eben den Mangel finden,<lb/>
den wir oben (§. 110.) in einer andern Ab&#x017F;icht an-<lb/>
gezeigt haben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 165.</head><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#aq">Data</hi> und <hi rendition="#aq">Quae&#x017F;ita</hi> be&#x017F;timmen einander o&#x0364;f-<lb/>
ters auf eine &#x017F;olche Art, daß man hinwiederum aus<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Quae&#x017F;ito</hi> und einigen <hi rendition="#aq">Datis</hi> die u&#x0364;brigen <hi rendition="#aq">Data</hi><lb/>
finden kann. Thut man die&#x017F;es, &#x017F;o wird die Aufgabe<lb/><hi rendition="#fr">umgekehrt.</hi> Z. E. Man kann aus dem Diameter<lb/>
eines Zirkels den Umkrais, und &#x017F;o hinwiederum aus<lb/>
die&#x017F;em jenen finden.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 166.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0127] von den Urtheilen und Fragen. ben, als zureichend und nothwendig ſind, die Aufgabe aufzuloͤſen. Und wenn etwann weniger ſind, ſo geben ſie gleich der Aufgabe wiederum einen beſondern Na- men, indem ſie ſie Problema indeterminatum, oder unbeſtimmte Aufgabe nennen, dergleichen die dio- phantiſchen ſind, welche von ihrem Erfinder Dio- phantus ſo genennt werden. §. 164. Dieſe ausnehmende Genauigkeit der Mathema- tiker laͤßt ſich noch wenig in den uͤbrigen Wiſſenſchaf- ten anbringen. Weil in dieſen die Verhaͤltniſſe der Dinge, wodurch eines durch die uͤbrigen vollſtaͤndig beſtimmt wird, vielfacher und verwickelter ſind. Die Vernunftlehre, und in dieſer beſonders die Theorie von Umkehrung der Saͤtze, und die von den Schluͤſ- ſen, giebt noch die beſten Beyſpiele, weil man hier alle zu der Beſtimmung der Sache noͤthige Stuͤcke vorgezaͤhlt findet. Jn den uͤbrigen philoſophiſchen Wiſſenſchaften ſind die Begriffe entweder zu abſtract, oder die Sachen ſelbſt mit zu vielen Veraͤnderlichkei- ten und Umſtaͤnden durchflochten, als daß man die nothwendigen Beſtimmungsſtuͤcke ſogleich finden koͤnnte. Man wird hiebey eben den Mangel finden, den wir oben (§. 110.) in einer andern Abſicht an- gezeigt haben. §. 165. Die Data und Quaeſita beſtimmen einander oͤf- ters auf eine ſolche Art, daß man hinwiederum aus dem Quaeſito und einigen Datis die uͤbrigen Data finden kann. Thut man dieſes, ſo wird die Aufgabe umgekehrt. Z. E. Man kann aus dem Diameter eines Zirkels den Umkrais, und ſo hinwiederum aus dieſem jenen finden. §. 166. G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/127
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/127>, abgerufen am 21.12.2024.