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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

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Cosmologische Briefe
lassen, und wenn ich ihre Unwahrscheinlichkeit erweisen
könnte, so würde ich alles thun, um die Philosophen
davon abzuhalten. Allein sie stellen uns alle die Sa-
chen so vor, daß ich weder Wahrscheinliches noch Un-
wahrscheinliches dabey finden kann, wollen eben nicht
gut dafür stehen, ob nicht heute noch ein so böser Co-
met kömmt, der uns den friedsamen Mond wegraubt,
oder der Erde selbst einen Stoß giebt, daß sie zu
Trümmern fährt, oder wenigstens einen guten Theil
seines Schweifes in unserer Athmosphäre zurück läßt.
Den Chinesern, die ich so ofte verlacht hatte, gebe ich
nun bald Recht, daß sie alle Nächte Wachten gegen
den Himmel ausstellen, eben so, wie wir es gegen das
Feld thun, und daß sie auf ihren Sternwarten aus-
spähen lassen, ob sich nichts feindliches am Himmel zei-
get. Wie unbesorgt war doch der gute Ptolomäus
bey seiner ruhenden Erde, und wie ruhig blieben seine
Anhänger, bis Copernicus kame, und anfienge, die
Erde um die Sonne herum zu führen. Aber nun
geht es bunter zu, und Copernicus würde sich auf sei-
nen Triumph nicht viel zu gut halten, wenn er wüßte,
daß wir nun zu besorgen haben, es möchte ein Comet
kommen, und die Erde bis jenseits der Fixsterne mit
sich fortschleppen, oder wenigstens uns alle ersäufen,
zerquetschen, ersticken, verbrennen, und was derglei-
chen Unheil noch mehr ist, das uns die Weltweisen be-
fürchten machen. Ich wünschte bald, daß die Come-
ten wieder ihre alte Bedeutung hätten, und Krieg und
alles Unheil vorhersagten, das uns ja ohnehin betrift,
und weniger allgemein ist, als solche Wirkungen, die

nicht

Coſmologiſche Briefe
laſſen, und wenn ich ihre Unwahrſcheinlichkeit erweiſen
koͤnnte, ſo wuͤrde ich alles thun, um die Philoſophen
davon abzuhalten. Allein ſie ſtellen uns alle die Sa-
chen ſo vor, daß ich weder Wahrſcheinliches noch Un-
wahrſcheinliches dabey finden kann, wollen eben nicht
gut dafuͤr ſtehen, ob nicht heute noch ein ſo boͤſer Co-
met koͤmmt, der uns den friedſamen Mond wegraubt,
oder der Erde ſelbſt einen Stoß giebt, daß ſie zu
Truͤmmern faͤhrt, oder wenigſtens einen guten Theil
ſeines Schweifes in unſerer Athmoſphaͤre zuruͤck laͤßt.
Den Chineſern, die ich ſo ofte verlacht hatte, gebe ich
nun bald Recht, daß ſie alle Naͤchte Wachten gegen
den Himmel ausſtellen, eben ſo, wie wir es gegen das
Feld thun, und daß ſie auf ihren Sternwarten aus-
ſpaͤhen laſſen, ob ſich nichts feindliches am Himmel zei-
get. Wie unbeſorgt war doch der gute Ptolomaͤus
bey ſeiner ruhenden Erde, und wie ruhig blieben ſeine
Anhaͤnger, bis Copernicus kame, und anfienge, die
Erde um die Sonne herum zu fuͤhren. Aber nun
geht es bunter zu, und Copernicus wuͤrde ſich auf ſei-
nen Triumph nicht viel zu gut halten, wenn er wuͤßte,
daß wir nun zu beſorgen haben, es moͤchte ein Comet
kommen, und die Erde bis jenſeits der Fixſterne mit
ſich fortſchleppen, oder wenigſtens uns alle erſaͤufen,
zerquetſchen, erſticken, verbrennen, und was derglei-
chen Unheil noch mehr iſt, das uns die Weltweiſen be-
fuͤrchten machen. Ich wuͤnſchte bald, daß die Come-
ten wieder ihre alte Bedeutung haͤtten, und Krieg und
alles Unheil vorherſagten, das uns ja ohnehin betrift,
und weniger allgemein iſt, als ſolche Wirkungen, die

nicht
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[6/0039] Coſmologiſche Briefe laſſen, und wenn ich ihre Unwahrſcheinlichkeit erweiſen koͤnnte, ſo wuͤrde ich alles thun, um die Philoſophen davon abzuhalten. Allein ſie ſtellen uns alle die Sa- chen ſo vor, daß ich weder Wahrſcheinliches noch Un- wahrſcheinliches dabey finden kann, wollen eben nicht gut dafuͤr ſtehen, ob nicht heute noch ein ſo boͤſer Co- met koͤmmt, der uns den friedſamen Mond wegraubt, oder der Erde ſelbſt einen Stoß giebt, daß ſie zu Truͤmmern faͤhrt, oder wenigſtens einen guten Theil ſeines Schweifes in unſerer Athmoſphaͤre zuruͤck laͤßt. Den Chineſern, die ich ſo ofte verlacht hatte, gebe ich nun bald Recht, daß ſie alle Naͤchte Wachten gegen den Himmel ausſtellen, eben ſo, wie wir es gegen das Feld thun, und daß ſie auf ihren Sternwarten aus- ſpaͤhen laſſen, ob ſich nichts feindliches am Himmel zei- get. Wie unbeſorgt war doch der gute Ptolomaͤus bey ſeiner ruhenden Erde, und wie ruhig blieben ſeine Anhaͤnger, bis Copernicus kame, und anfienge, die Erde um die Sonne herum zu fuͤhren. Aber nun geht es bunter zu, und Copernicus wuͤrde ſich auf ſei- nen Triumph nicht viel zu gut halten, wenn er wuͤßte, daß wir nun zu beſorgen haben, es moͤchte ein Comet kommen, und die Erde bis jenſeits der Fixſterne mit ſich fortſchleppen, oder wenigſtens uns alle erſaͤufen, zerquetſchen, erſticken, verbrennen, und was derglei- chen Unheil noch mehr iſt, das uns die Weltweiſen be- fuͤrchten machen. Ich wuͤnſchte bald, daß die Come- ten wieder ihre alte Bedeutung haͤtten, und Krieg und alles Unheil vorherſagten, das uns ja ohnehin betrift, und weniger allgemein iſt, als ſolche Wirkungen, die nicht

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/39>, abgerufen am 26.04.2024.