Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

XIV. Hauptstück.
Denn so wird man M = (mb + nb) : (b + b)
finden. Es geht aber auch dieses nur an, so fern
b und b der Ungleichartigkeit ungeachtet auf einerley
Maaßstab gebracht werden kann. Denn wo dieses
nicht ist, da ist der Ausdruck M schlechthin symbolisch.

§. 455.

Von solchen Ausdrücken kommen in der Sprache
eine Menge vor, und es läßt sich auch aus der Ent-
stehensart der Sprachen leicht begreifen, weil die er-
sten Urheber der Sprache anfangen mußten, solche
Ganze zu benennen, die vorgezeiget werden konnten.
Auf diese Art wurden nicht einfache, sondern ganze
Summen von Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten,
und so auch ganze Summen von Veränderungen mit
einem Worte benennet. Und nachdem einmal die
erste Anlage von solchen unmittelbaren Benennungen
da war, so fieng man an, dieselbe metaphorisch und
transcendent zu machen, ohne so genau bestimmen zu
können, wie weit sich das tertium comparationis er-
strecket. Die Regel, a potiori fit denominatio, ist
in der Sprache bald durchgängig, weil auch die ab-
geleiteten und zusammengesetzten Wörter die Sache
mehrentheils nur von einer gewissen Seite betrachtet,
benennen, (Semiot. §. 264.). Dazu kömmt noch,
daß wenn mehrere einfachere Empfindungen zusam-
menfließen, das Bild der ganzen Empfindung öfters
ganz einfach scheint. Denn so scheint die weiße Farbe
so einfach zu seyn, als jede andere, ungeachtet sie
aus denselben zusammengesetzt ist. Dieses alles aber
vergrößert die Schwierigkeit, in solchen vermischten
Vorstellungen die einfachen Bestimmungen, und die
Theile, worinn sie vorkommen, aus einander zu lesen.
Bis dahin bleibt allemal die Möglichkeit der Aus-

messung

XIV. Hauptſtuͤck.
Denn ſo wird man M = (mb + nβ) : (b + β)
finden. Es geht aber auch dieſes nur an, ſo fern
b und β der Ungleichartigkeit ungeachtet auf einerley
Maaßſtab gebracht werden kann. Denn wo dieſes
nicht iſt, da iſt der Ausdruck M ſchlechthin ſymboliſch.

§. 455.

Von ſolchen Ausdruͤcken kommen in der Sprache
eine Menge vor, und es laͤßt ſich auch aus der Ent-
ſtehensart der Sprachen leicht begreifen, weil die er-
ſten Urheber der Sprache anfangen mußten, ſolche
Ganze zu benennen, die vorgezeiget werden konnten.
Auf dieſe Art wurden nicht einfache, ſondern ganze
Summen von Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten,
und ſo auch ganze Summen von Veraͤnderungen mit
einem Worte benennet. Und nachdem einmal die
erſte Anlage von ſolchen unmittelbaren Benennungen
da war, ſo fieng man an, dieſelbe metaphoriſch und
tranſcendent zu machen, ohne ſo genau beſtimmen zu
koͤnnen, wie weit ſich das tertium comparationis er-
ſtrecket. Die Regel, a potiori fit denominatio, iſt
in der Sprache bald durchgaͤngig, weil auch die ab-
geleiteten und zuſammengeſetzten Woͤrter die Sache
mehrentheils nur von einer gewiſſen Seite betrachtet,
benennen, (Semiot. §. 264.). Dazu koͤmmt noch,
daß wenn mehrere einfachere Empfindungen zuſam-
menfließen, das Bild der ganzen Empfindung oͤfters
ganz einfach ſcheint. Denn ſo ſcheint die weiße Farbe
ſo einfach zu ſeyn, als jede andere, ungeachtet ſie
aus denſelben zuſammengeſetzt iſt. Dieſes alles aber
vergroͤßert die Schwierigkeit, in ſolchen vermiſchten
Vorſtellungen die einfachen Beſtimmungen, und die
Theile, worinn ſie vorkommen, aus einander zu leſen.
Bis dahin bleibt allemal die Moͤglichkeit der Aus-

meſſung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0084" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XIV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
Denn &#x017F;o wird man <hi rendition="#aq">M = (mb + n&#x03B2;) : (b + &#x03B2;)</hi><lb/>
finden. Es geht aber auch die&#x017F;es nur an, &#x017F;o fern<lb/><hi rendition="#aq">b</hi> und &#x03B2; der Ungleichartigkeit ungeachtet auf einerley<lb/>
Maaß&#x017F;tab gebracht werden kann. Denn wo die&#x017F;es<lb/>
nicht i&#x017F;t, da i&#x017F;t der Ausdruck <hi rendition="#aq">M</hi> &#x017F;chlechthin &#x017F;ymboli&#x017F;ch.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 455.</head><lb/>
            <p>Von &#x017F;olchen Ausdru&#x0364;cken kommen in der Sprache<lb/>
eine Menge vor, und es la&#x0364;ßt &#x017F;ich auch aus der Ent-<lb/>
&#x017F;tehensart der Sprachen leicht begreifen, weil die er-<lb/>
&#x017F;ten Urheber der Sprache anfangen mußten, &#x017F;olche<lb/>
Ganze zu benennen, die vorgezeiget werden konnten.<lb/>
Auf die&#x017F;e Art wurden nicht einfache, &#x017F;ondern ganze<lb/>
Summen von Aehnlichkeiten und Ver&#x017F;chiedenheiten,<lb/>
und &#x017F;o auch ganze Summen von Vera&#x0364;nderungen mit<lb/>
einem Worte benennet. Und nachdem einmal die<lb/>
er&#x017F;te Anlage von &#x017F;olchen unmittelbaren Benennungen<lb/>
da war, &#x017F;o fieng man an, die&#x017F;elbe metaphori&#x017F;ch und<lb/>
tran&#x017F;cendent zu machen, ohne &#x017F;o genau be&#x017F;timmen zu<lb/>
ko&#x0364;nnen, wie weit &#x017F;ich das <hi rendition="#aq">tertium comparationis</hi> er-<lb/>
&#x017F;trecket. Die Regel, <hi rendition="#aq">a potiori fit denominatio,</hi> i&#x017F;t<lb/>
in der Sprache bald durchga&#x0364;ngig, weil auch die ab-<lb/>
geleiteten und zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Wo&#x0364;rter die Sache<lb/>
mehrentheils nur von einer gewi&#x017F;&#x017F;en Seite betrachtet,<lb/>
benennen, (Semiot. §. 264.). Dazu ko&#x0364;mmt noch,<lb/>
daß wenn mehrere einfachere Empfindungen zu&#x017F;am-<lb/>
menfließen, das Bild der ganzen Empfindung o&#x0364;fters<lb/>
ganz einfach &#x017F;cheint. Denn &#x017F;o &#x017F;cheint die weiße Farbe<lb/>
&#x017F;o einfach zu &#x017F;eyn, als jede andere, ungeachtet &#x017F;ie<lb/>
aus den&#x017F;elben zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt i&#x017F;t. Die&#x017F;es alles aber<lb/>
vergro&#x0364;ßert die Schwierigkeit, in &#x017F;olchen vermi&#x017F;chten<lb/>
Vor&#x017F;tellungen die einfachen Be&#x017F;timmungen, und die<lb/>
Theile, worinn &#x017F;ie vorkommen, aus einander zu le&#x017F;en.<lb/>
Bis dahin bleibt allemal die Mo&#x0364;glichkeit der Aus-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">me&#x017F;&#x017F;ung</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0084] XIV. Hauptſtuͤck. Denn ſo wird man M = (mb + nβ) : (b + β) finden. Es geht aber auch dieſes nur an, ſo fern b und β der Ungleichartigkeit ungeachtet auf einerley Maaßſtab gebracht werden kann. Denn wo dieſes nicht iſt, da iſt der Ausdruck M ſchlechthin ſymboliſch. §. 455. Von ſolchen Ausdruͤcken kommen in der Sprache eine Menge vor, und es laͤßt ſich auch aus der Ent- ſtehensart der Sprachen leicht begreifen, weil die er- ſten Urheber der Sprache anfangen mußten, ſolche Ganze zu benennen, die vorgezeiget werden konnten. Auf dieſe Art wurden nicht einfache, ſondern ganze Summen von Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten, und ſo auch ganze Summen von Veraͤnderungen mit einem Worte benennet. Und nachdem einmal die erſte Anlage von ſolchen unmittelbaren Benennungen da war, ſo fieng man an, dieſelbe metaphoriſch und tranſcendent zu machen, ohne ſo genau beſtimmen zu koͤnnen, wie weit ſich das tertium comparationis er- ſtrecket. Die Regel, a potiori fit denominatio, iſt in der Sprache bald durchgaͤngig, weil auch die ab- geleiteten und zuſammengeſetzten Woͤrter die Sache mehrentheils nur von einer gewiſſen Seite betrachtet, benennen, (Semiot. §. 264.). Dazu koͤmmt noch, daß wenn mehrere einfachere Empfindungen zuſam- menfließen, das Bild der ganzen Empfindung oͤfters ganz einfach ſcheint. Denn ſo ſcheint die weiße Farbe ſo einfach zu ſeyn, als jede andere, ungeachtet ſie aus denſelben zuſammengeſetzt iſt. Dieſes alles aber vergroͤßert die Schwierigkeit, in ſolchen vermiſchten Vorſtellungen die einfachen Beſtimmungen, und die Theile, worinn ſie vorkommen, aus einander zu leſen. Bis dahin bleibt allemal die Moͤglichkeit der Aus- meſſung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/84
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/84>, abgerufen am 30.12.2024.