Der erste Fehler, den man dabey begehen kann, ist, wenn man die Bestimmungen verwechselt, nach welchen eine Sache größer oder kleiner seyn kann. Der Begriff der Existenz mag uns hier zum Bey- spiele dienen. Man fraget, ob sie Grade habe? Hiebey ist nun unstreitig, daß man sagen kann, eine Sache könne länger oder kürzer existiren, und die- ses ist in Absicht auf die Dauer; sie könne mit grö- ßern oder kleinern Kräften zu denken, zu wollen, zu wirken, existiren, und dieses ist in Absicht auf die Kraft; sie könne mit mehrern Theilen, Ver- bindungen und Verhältnissen existiren, und dieses geht darauf, ob sie mehrere Theile habe, zusam- mengesetzter, fester verbunden, in mehrern Verhält- nissen sey etc. Dieses alles aber will nur sagen, daß an und mit der Sache mehr oder minder zugleich mit existirt, aber weder die Sache, noch was aus dersel- ben ist etc. von allem diesem ist keines existirender als das andere, oder eines existirt weder mehr noch min- der als das andere, so lange es existirt. Die in dem §. 685. und 697. angeführten Beyspiele von der Mög- lichkeit, Zufälligkeit, Gleichheit und Bewegung gehören ebenfalls mit hieher. Die Redensarten: es ist mehr Bewegung da, und: es ist eine grö- ßere Bewegung da, oder, die Bewegung ist größer, sind allerdings von einander verschieden, wenn man durch die beyden letztere Ausdrücke nicht eine Art von Tumult, sondern die in der Mechanic vorkommende Quantitas motus verstehen will, wel- che aus dem Producte der Masse in die Geschwin- digkeit erwächst, und bey jeder einzeln Bewegung für sich betrachtet wird.
§. 710.
Die Einheit.
§. 709.
Der erſte Fehler, den man dabey begehen kann, iſt, wenn man die Beſtimmungen verwechſelt, nach welchen eine Sache groͤßer oder kleiner ſeyn kann. Der Begriff der Exiſtenz mag uns hier zum Bey- ſpiele dienen. Man fraget, ob ſie Grade habe? Hiebey iſt nun unſtreitig, daß man ſagen kann, eine Sache koͤnne laͤnger oder kuͤrzer exiſtiren, und die- ſes iſt in Abſicht auf die Dauer; ſie koͤnne mit groͤ- ßern oder kleinern Kraͤften zu denken, zu wollen, zu wirken, exiſtiren, und dieſes iſt in Abſicht auf die Kraft; ſie koͤnne mit mehrern Theilen, Ver- bindungen und Verhaͤltniſſen exiſtiren, und dieſes geht darauf, ob ſie mehrere Theile habe, zuſam- mengeſetzter, feſter verbunden, in mehrern Verhaͤlt- niſſen ſey ꝛc. Dieſes alles aber will nur ſagen, daß an und mit der Sache mehr oder minder zugleich mit exiſtirt, aber weder die Sache, noch was aus derſel- ben iſt ꝛc. von allem dieſem iſt keines exiſtirender als das andere, oder eines exiſtirt weder mehr noch min- der als das andere, ſo lange es exiſtirt. Die in dem §. 685. und 697. angefuͤhrten Beyſpiele von der Moͤg- lichkeit, Zufaͤlligkeit, Gleichheit und Bewegung gehoͤren ebenfalls mit hieher. Die Redensarten: es iſt mehr Bewegung da, und: es iſt eine groͤ- ßere Bewegung da, oder, die Bewegung iſt groͤßer, ſind allerdings von einander verſchieden, wenn man durch die beyden letztere Ausdruͤcke nicht eine Art von Tumult, ſondern die in der Mechanic vorkommende Quantitas motus verſtehen will, wel- che aus dem Producte der Maſſe in die Geſchwin- digkeit erwaͤchſt, und bey jeder einzeln Bewegung fuͤr ſich betrachtet wird.
§. 710.
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Die Einheit.
§. 709.
Der erſte Fehler, den man dabey begehen kann,
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welchen eine Sache groͤßer oder kleiner ſeyn kann.
Der Begriff der Exiſtenz mag uns hier zum Bey-
ſpiele dienen. Man fraget, ob ſie Grade habe?
Hiebey iſt nun unſtreitig, daß man ſagen kann, eine
Sache koͤnne laͤnger oder kuͤrzer exiſtiren, und die-
ſes iſt in Abſicht auf die Dauer; ſie koͤnne mit groͤ-
ßern oder kleinern Kraͤften zu denken, zu wollen,
zu wirken, exiſtiren, und dieſes iſt in Abſicht auf
die Kraft; ſie koͤnne mit mehrern Theilen, Ver-
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geht darauf, ob ſie mehrere Theile habe, zuſam-
mengeſetzter, feſter verbunden, in mehrern Verhaͤlt-
niſſen ſey ꝛc. Dieſes alles aber will nur ſagen, daß
an und mit der Sache mehr oder minder zugleich mit
exiſtirt, aber weder die Sache, noch was aus derſel-
ben iſt ꝛc. von allem dieſem iſt keines exiſtirender als
das andere, oder eines exiſtirt weder mehr noch min-
der als das andere, ſo lange es exiſtirt. Die in dem
§. 685. und 697. angefuͤhrten Beyſpiele von der Moͤg-
lichkeit, Zufaͤlligkeit, Gleichheit und Bewegung
gehoͤren ebenfalls mit hieher. Die Redensarten:
es iſt mehr Bewegung da, und: es iſt eine groͤ-
ßere Bewegung da, oder, die Bewegung iſt
groͤßer, ſind allerdings von einander verſchieden,
wenn man durch die beyden letztere Ausdruͤcke nicht
eine Art von Tumult, ſondern die in der Mechanic
vorkommende Quantitas motus verſtehen will, wel-
che aus dem Producte der Maſſe in die Geſchwin-
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/339>, abgerufen am 21.11.2024.
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