Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.Substanzen und Accidenzen. Betrachtung dessen, was bey der Bewegung vor-geht, findet, daß sich aus der bloßen Undurchdring- barkeit des Soliden, eben deswegen, weil es unend- lich theilbar ist, nicht alles herleiten läßt, so wird man genöthiget, diese Paradoxa einzuräumen. Was man in der Chymie Materia friabilis und Puluis im- palpabilis nennet, wo man nämlich eine Materie so fein zerreiben kann, daß die Theilchen unempfindbar werden, oder keine empfindbare Größe mehr haben, das würde bey dem Soliden bis in das unendlich Klei- ne wahr seyn, oder so fein man es zerrieben gedenket, würde es noch immer feiner zerrieben werden können, und um es zu theilen, würde es auch nichts weiter, als ein bloßes Zerreiben erfordern, wenn nicht Kräfte da wären, die seine kleinsten Theilchen dergestalt in einer absoluten Continuität erhielten, daß es ohne fei- nere und stärkere Kräfte nicht getrennet werden kann. Diese Kräfte lassen sich aus der bloßen Undurchdring- barkeit des Soliden nicht herleiten, weil diese nichts anders in sich begreift, als daß das Solide jedes andere Solide von dem Orte ausschleußt, da es ist. Das Zerreiben aber fordert nichts anders, als die Veränderung des Ortes, und diese kann vorgehen, wenn Kräfte da sind, die es verursachen, und hin- gegen keine da sind, die es hindern, oder wenn we- nigstens diese schwächer sind. Ohne solche Kräfte aber ist das Solide an sich eine todte und zu eigener Bewegung untaugliche Masse. §. 623. So fern nun die Undurchdringbarkeit des Soli- schlossen R 2
Subſtanzen und Accidenzen. Betrachtung deſſen, was bey der Bewegung vor-geht, findet, daß ſich aus der bloßen Undurchdring- barkeit des Soliden, eben deswegen, weil es unend- lich theilbar iſt, nicht alles herleiten laͤßt, ſo wird man genoͤthiget, dieſe Paradoxa einzuraͤumen. Was man in der Chymie Materia friabilis und Puluis im- palpabilis nennet, wo man naͤmlich eine Materie ſo fein zerreiben kann, daß die Theilchen unempfindbar werden, oder keine empfindbare Groͤße mehr haben, das wuͤrde bey dem Soliden bis in das unendlich Klei- ne wahr ſeyn, oder ſo fein man es zerrieben gedenket, wuͤrde es noch immer feiner zerrieben werden koͤnnen, und um es zu theilen, wuͤrde es auch nichts weiter, als ein bloßes Zerreiben erfordern, wenn nicht Kraͤfte da waͤren, die ſeine kleinſten Theilchen dergeſtalt in einer abſoluten Continuitaͤt erhielten, daß es ohne fei- nere und ſtaͤrkere Kraͤfte nicht getrennet werden kann. Dieſe Kraͤfte laſſen ſich aus der bloßen Undurchdring- barkeit des Soliden nicht herleiten, weil dieſe nichts anders in ſich begreift, als daß das Solide jedes andere Solide von dem Orte ausſchleußt, da es iſt. Das Zerreiben aber fordert nichts anders, als die Veraͤnderung des Ortes, und dieſe kann vorgehen, wenn Kraͤfte da ſind, die es verurſachen, und hin- gegen keine da ſind, die es hindern, oder wenn we- nigſtens dieſe ſchwaͤcher ſind. Ohne ſolche Kraͤfte aber iſt das Solide an ſich eine todte und zu eigener Bewegung untaugliche Maſſe. §. 623. So fern nun die Undurchdringbarkeit des Soli- ſchloſſen R 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0267" n="259"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Subſtanzen und Accidenzen.</hi></fw><lb/> Betrachtung deſſen, was bey der Bewegung vor-<lb/> geht, findet, daß ſich aus der bloßen Undurchdring-<lb/> barkeit des Soliden, eben deswegen, weil es unend-<lb/> lich theilbar iſt, nicht alles herleiten laͤßt, ſo wird<lb/> man genoͤthiget, dieſe <hi rendition="#aq">Paradoxa</hi> einzuraͤumen. Was<lb/> man in der Chymie <hi rendition="#aq">Materia friabilis</hi> und <hi rendition="#aq">Puluis im-<lb/> palpabilis</hi> nennet, wo man naͤmlich eine Materie ſo<lb/> fein zerreiben kann, daß die Theilchen unempfindbar<lb/> werden, oder keine empfindbare Groͤße mehr haben,<lb/> das wuͤrde bey dem Soliden bis in das unendlich Klei-<lb/> ne wahr ſeyn, oder ſo fein man es zerrieben gedenket,<lb/> wuͤrde es noch immer feiner zerrieben werden koͤnnen,<lb/> und um es zu theilen, wuͤrde es auch nichts weiter,<lb/> als ein bloßes Zerreiben erfordern, wenn nicht Kraͤfte<lb/> da waͤren, die ſeine kleinſten Theilchen dergeſtalt in<lb/> einer abſoluten Continuitaͤt erhielten, daß es ohne fei-<lb/> nere und ſtaͤrkere Kraͤfte nicht getrennet werden kann.<lb/> Dieſe Kraͤfte laſſen ſich aus der bloßen Undurchdring-<lb/> barkeit des Soliden nicht herleiten, weil dieſe nichts<lb/> anders in ſich begreift, als daß das Solide jedes<lb/> andere Solide von dem Orte ausſchleußt, da es iſt.<lb/> Das Zerreiben aber fordert nichts anders, als die<lb/> Veraͤnderung des Ortes, und dieſe kann vorgehen,<lb/> wenn Kraͤfte da ſind, die es verurſachen, und hin-<lb/> gegen keine da ſind, die es hindern, oder wenn we-<lb/> nigſtens dieſe ſchwaͤcher ſind. Ohne ſolche Kraͤfte<lb/> aber iſt das Solide an ſich eine todte und zu eigener<lb/> Bewegung untaugliche Maſſe.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 623.</head><lb/> <p>So fern nun die Undurchdringbarkeit des <hi rendition="#fr">Soli-<lb/> den</hi> ſich nur auf ein anderes <hi rendition="#fr">Solides</hi> bezieht, ſo<lb/> mag es allerdings Subſtanzen geben, welche weder<lb/> das Solide ausſchließen noch von demſelben ausge-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ſchloſſen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [259/0267]
Subſtanzen und Accidenzen.
Betrachtung deſſen, was bey der Bewegung vor-
geht, findet, daß ſich aus der bloßen Undurchdring-
barkeit des Soliden, eben deswegen, weil es unend-
lich theilbar iſt, nicht alles herleiten laͤßt, ſo wird
man genoͤthiget, dieſe Paradoxa einzuraͤumen. Was
man in der Chymie Materia friabilis und Puluis im-
palpabilis nennet, wo man naͤmlich eine Materie ſo
fein zerreiben kann, daß die Theilchen unempfindbar
werden, oder keine empfindbare Groͤße mehr haben,
das wuͤrde bey dem Soliden bis in das unendlich Klei-
ne wahr ſeyn, oder ſo fein man es zerrieben gedenket,
wuͤrde es noch immer feiner zerrieben werden koͤnnen,
und um es zu theilen, wuͤrde es auch nichts weiter,
als ein bloßes Zerreiben erfordern, wenn nicht Kraͤfte
da waͤren, die ſeine kleinſten Theilchen dergeſtalt in
einer abſoluten Continuitaͤt erhielten, daß es ohne fei-
nere und ſtaͤrkere Kraͤfte nicht getrennet werden kann.
Dieſe Kraͤfte laſſen ſich aus der bloßen Undurchdring-
barkeit des Soliden nicht herleiten, weil dieſe nichts
anders in ſich begreift, als daß das Solide jedes
andere Solide von dem Orte ausſchleußt, da es iſt.
Das Zerreiben aber fordert nichts anders, als die
Veraͤnderung des Ortes, und dieſe kann vorgehen,
wenn Kraͤfte da ſind, die es verurſachen, und hin-
gegen keine da ſind, die es hindern, oder wenn we-
nigſtens dieſe ſchwaͤcher ſind. Ohne ſolche Kraͤfte
aber iſt das Solide an ſich eine todte und zu eigener
Bewegung untaugliche Maſſe.
§. 623.
So fern nun die Undurchdringbarkeit des Soli-
den ſich nur auf ein anderes Solides bezieht, ſo
mag es allerdings Subſtanzen geben, welche weder
das Solide ausſchließen noch von demſelben ausge-
ſchloſſen
R 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |