Nach der bisherigen Betrachtung der Kräfte und ihrer Vergleichung mit den Dingen und Verhältnissen haben wir nun die beyden letztern selbst mit einander zu vergleichen, um etwas umständlicher zu sehen, welche Verbindung zwischen Dingen und Verhältnissen statt finde. Wir werden uns dabey das oben (§. 15.) angeführte Requisitum der Grund- lehre und überhaupt jeder wissenschaftlichen Erkennt- niß zum Augenmerke setzen, wie man darinn nämlich aus der geringsten Anzahl gegebener Stücke, die übrigen finden könne, die dadurch bestimmt oder damit in Verhältniß sind. Denn dazu sind die Verhältnißbegriffe eigentlich geschaffen, weil wir ohne dieselben kaum von einem Dinge auf das andere einen Schluß machen könnten, (§. 372.). Diese Nothwendigkeit zeiget sich nun wiederum in der Geometrie am augenscheinlichsten, und es ist sich daher nicht zu verwundern, wenn auch hierinn Eu- clid den Philosophen mit seinem Beyspiele vorgegan- gen ist, und mehr Nachfolge verdienet hätte, als sich wirklich gefunden. Die Sache selbst hat folgen- de Bewandtniß. Man weiset in der Geometrie, daß man aus Nichts nichts finden kann, und daß man folglich, um etwas zu finden, wissen müsse, wo man es zu suchen habe, und woraus es könne gefunden werden. Und dieses unterscheidet man von jenem dadurch, daß man letzteres die Data oder gegebe-
nen
XVIII. Hauptſtuͤck.
Achtzehntes Hauptſtuͤck. Dinge und Verhaͤltniſſe.
§. 564.
Nach der bisherigen Betrachtung der Kraͤfte und ihrer Vergleichung mit den Dingen und Verhaͤltniſſen haben wir nun die beyden letztern ſelbſt mit einander zu vergleichen, um etwas umſtaͤndlicher zu ſehen, welche Verbindung zwiſchen Dingen und Verhaͤltniſſen ſtatt finde. Wir werden uns dabey das oben (§. 15.) angefuͤhrte Requiſitum der Grund- lehre und uͤberhaupt jeder wiſſenſchaftlichen Erkennt- niß zum Augenmerke ſetzen, wie man darinn naͤmlich aus der geringſten Anzahl gegebener Stuͤcke, die uͤbrigen finden koͤnne, die dadurch beſtimmt oder damit in Verhaͤltniß ſind. Denn dazu ſind die Verhaͤltnißbegriffe eigentlich geſchaffen, weil wir ohne dieſelben kaum von einem Dinge auf das andere einen Schluß machen koͤnnten, (§. 372.). Dieſe Nothwendigkeit zeiget ſich nun wiederum in der Geometrie am augenſcheinlichſten, und es iſt ſich daher nicht zu verwundern, wenn auch hierinn Eu- clid den Philoſophen mit ſeinem Beyſpiele vorgegan- gen iſt, und mehr Nachfolge verdienet haͤtte, als ſich wirklich gefunden. Die Sache ſelbſt hat folgen- de Bewandtniß. Man weiſet in der Geometrie, daß man aus Nichts nichts finden kann, und daß man folglich, um etwas zu finden, wiſſen muͤſſe, wo man es zu ſuchen habe, und woraus es koͤnne gefunden werden. Und dieſes unterſcheidet man von jenem dadurch, daß man letzteres die Data oder gegebe-
nen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0192"n="184"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XVIII.</hi> Hauptſtuͤck.</hi></fw><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Achtzehntes Hauptſtuͤck.<lb/><hirendition="#g">Dinge und Verhaͤltniſſe</hi>.</hi></head><lb/><divn="3"><head>§. 564.</head><lb/><p><hirendition="#in">N</hi>ach der bisherigen Betrachtung der <hirendition="#fr">Kraͤfte</hi><lb/>
und ihrer Vergleichung mit den <hirendition="#fr">Dingen</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Verhaͤltniſſen</hi> haben wir nun die beyden letztern ſelbſt<lb/>
mit einander zu vergleichen, um etwas umſtaͤndlicher<lb/>
zu ſehen, welche Verbindung zwiſchen Dingen und<lb/>
Verhaͤltniſſen ſtatt finde. Wir werden uns dabey<lb/>
das oben (§. 15.) angefuͤhrte <hirendition="#aq">Requiſitum</hi> der Grund-<lb/>
lehre und uͤberhaupt jeder wiſſenſchaftlichen Erkennt-<lb/>
niß zum Augenmerke ſetzen, <hirendition="#fr">wie man darinn<lb/>
naͤmlich aus der geringſten Anzahl gegebener<lb/>
Stuͤcke, die uͤbrigen finden koͤnne, die dadurch<lb/>
beſtimmt oder damit in Verhaͤltniß ſind.</hi> Denn<lb/>
dazu ſind die Verhaͤltnißbegriffe eigentlich geſchaffen,<lb/>
weil wir ohne dieſelben kaum von einem Dinge auf<lb/>
das andere einen Schluß machen koͤnnten, (§. 372.).<lb/>
Dieſe Nothwendigkeit zeiget ſich nun wiederum in<lb/>
der Geometrie am augenſcheinlichſten, und es iſt ſich<lb/>
daher nicht zu verwundern, wenn auch hierinn <hirendition="#fr">Eu-<lb/>
clid</hi> den Philoſophen mit ſeinem Beyſpiele vorgegan-<lb/>
gen iſt, und mehr Nachfolge verdienet haͤtte, als<lb/>ſich wirklich gefunden. Die Sache ſelbſt hat folgen-<lb/>
de Bewandtniß. Man weiſet in der Geometrie, daß<lb/>
man aus Nichts nichts finden kann, und daß man<lb/>
folglich, um etwas zu finden, wiſſen muͤſſe, wo man<lb/>
es zu ſuchen habe, und woraus es koͤnne gefunden<lb/>
werden. Und dieſes unterſcheidet man von jenem<lb/>
dadurch, daß man letzteres die <hirendition="#aq"><hirendition="#i">Data</hi></hi> oder <hirendition="#fr">gegebe-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">nen</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[184/0192]
XVIII. Hauptſtuͤck.
Achtzehntes Hauptſtuͤck.
Dinge und Verhaͤltniſſe.
§. 564.
Nach der bisherigen Betrachtung der Kraͤfte
und ihrer Vergleichung mit den Dingen und
Verhaͤltniſſen haben wir nun die beyden letztern ſelbſt
mit einander zu vergleichen, um etwas umſtaͤndlicher
zu ſehen, welche Verbindung zwiſchen Dingen und
Verhaͤltniſſen ſtatt finde. Wir werden uns dabey
das oben (§. 15.) angefuͤhrte Requiſitum der Grund-
lehre und uͤberhaupt jeder wiſſenſchaftlichen Erkennt-
niß zum Augenmerke ſetzen, wie man darinn
naͤmlich aus der geringſten Anzahl gegebener
Stuͤcke, die uͤbrigen finden koͤnne, die dadurch
beſtimmt oder damit in Verhaͤltniß ſind. Denn
dazu ſind die Verhaͤltnißbegriffe eigentlich geſchaffen,
weil wir ohne dieſelben kaum von einem Dinge auf
das andere einen Schluß machen koͤnnten, (§. 372.).
Dieſe Nothwendigkeit zeiget ſich nun wiederum in
der Geometrie am augenſcheinlichſten, und es iſt ſich
daher nicht zu verwundern, wenn auch hierinn Eu-
clid den Philoſophen mit ſeinem Beyſpiele vorgegan-
gen iſt, und mehr Nachfolge verdienet haͤtte, als
ſich wirklich gefunden. Die Sache ſelbſt hat folgen-
de Bewandtniß. Man weiſet in der Geometrie, daß
man aus Nichts nichts finden kann, und daß man
folglich, um etwas zu finden, wiſſen muͤſſe, wo man
es zu ſuchen habe, und woraus es koͤnne gefunden
werden. Und dieſes unterſcheidet man von jenem
dadurch, daß man letzteres die Data oder gegebe-
nen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/192>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.