Mit den Worterklärungen aber hat es eine ganz andere Bewandniß, weil sich diese eigentlich auf die Structur der Sprache gründen. Es giebt eine gute Menge Wörter, deren Bedeutung, so lange die Sprache bleibt, gar keiner Worterklärung nö- thig haben, und wo man die Sacherklärung schwer- lich oder niemals finden wird. Von dieser Art sind die meisten Namen der Dinge, so uns die Körper- welt vor Augen legt. Wir finden in der Sprache bald jede Arten von Pflanzen, Thieren, Metallen, Steinen etc. benennet, und bey diesen Benennungen verschwinden jede Wortstreite, so bald man die Sache vor Augen leget. Alle diese Wörter oder Namen machen die Grundlage der Sprache aus, und sind eine besondere Classe, so fern sie keine Worterklärung nöthig haben. Man muß sie auch zum Grunde legen, wenn man von den übrigen Wörtern Worterklärun- gen geben will. Und hiezu hat die Sprache bereits eine ihr eigene Einrichtung, welcher man bey einem Systeme von Worterklärungen schlechthin folgen muß. Denn sie macht die Wör- ter der ersten Classe stufenweise metaphorisch, und da giebt die Worterklärung das so genannte Tertium comparationis oder den Grund der Vergleichung und die Vergleichungsstücke an. Jch habe diese Betrach- tungen in der Semiotic und besonders in dem letzten Hauptstücke derselben umständlicher angeführet, und merke hier nur an, daß ein solches System von Wort- erklärungen theils wegen der Weitläuftigkeit, theils auch wegen der Schwierigkeit, die Ableitung und ur- sprüngliche Bedeutung der Wörter aufzusuchen, eben nicht so leicht vollständig gemacht werden kann. Jn Ansehung der Wörter der ersten Classe würde man
übrigens
I. Hauptſtuͤck. Erforderniſſe
§. 26.
Mit den Worterklaͤrungen aber hat es eine ganz andere Bewandniß, weil ſich dieſe eigentlich auf die Structur der Sprache gruͤnden. Es giebt eine gute Menge Woͤrter, deren Bedeutung, ſo lange die Sprache bleibt, gar keiner Worterklaͤrung noͤ- thig haben, und wo man die Sacherklaͤrung ſchwer- lich oder niemals finden wird. Von dieſer Art ſind die meiſten Namen der Dinge, ſo uns die Koͤrper- welt vor Augen legt. Wir finden in der Sprache bald jede Arten von Pflanzen, Thieren, Metallen, Steinen ꝛc. benennet, und bey dieſen Benennungen verſchwinden jede Wortſtreite, ſo bald man die Sache vor Augen leget. Alle dieſe Woͤrter oder Namen machen die Grundlage der Sprache aus, und ſind eine beſondere Claſſe, ſo fern ſie keine Worterklaͤrung noͤthig haben. Man muß ſie auch zum Grunde legen, wenn man von den uͤbrigen Woͤrtern Worterklaͤrun- gen geben will. Und hiezu hat die Sprache bereits eine ihr eigene Einrichtung, welcher man bey einem Syſteme von Worterklaͤrungen ſchlechthin folgen muß. Denn ſie macht die Woͤr- ter der erſten Claſſe ſtufenweiſe metaphoriſch, und da giebt die Worterklaͤrung das ſo genannte Tertium comparationis oder den Grund der Vergleichung und die Vergleichungsſtuͤcke an. Jch habe dieſe Betrach- tungen in der Semiotic und beſonders in dem letzten Hauptſtuͤcke derſelben umſtaͤndlicher angefuͤhret, und merke hier nur an, daß ein ſolches Syſtem von Wort- erklaͤrungen theils wegen der Weitlaͤuftigkeit, theils auch wegen der Schwierigkeit, die Ableitung und ur- ſpruͤngliche Bedeutung der Woͤrter aufzuſuchen, eben nicht ſo leicht vollſtaͤndig gemacht werden kann. Jn Anſehung der Woͤrter der erſten Claſſe wuͤrde man
uͤbrigens
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0058"n="22"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Hauptſtuͤck. Erforderniſſe</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 26.</head><lb/><p>Mit den Worterklaͤrungen aber hat es eine ganz<lb/>
andere Bewandniß, <hirendition="#fr">weil ſich dieſe eigentlich auf<lb/>
die Structur der Sprache gruͤnden.</hi> Es giebt<lb/>
eine gute Menge Woͤrter, deren Bedeutung, ſo lange<lb/>
die Sprache bleibt, gar keiner <hirendition="#fr">Worterklaͤrung</hi> noͤ-<lb/>
thig haben, und wo man die <hirendition="#fr">Sacherklaͤrung</hi>ſchwer-<lb/>
lich oder niemals finden wird. Von dieſer Art ſind<lb/>
die meiſten Namen der Dinge, ſo uns die Koͤrper-<lb/>
welt vor Augen legt. Wir finden in der Sprache<lb/>
bald jede Arten von Pflanzen, Thieren, Metallen,<lb/>
Steinen ꝛc. benennet, und bey dieſen Benennungen<lb/>
verſchwinden jede Wortſtreite, ſo bald man die Sache<lb/>
vor Augen leget. Alle dieſe Woͤrter oder Namen<lb/>
machen die Grundlage der Sprache aus, und ſind<lb/>
eine beſondere Claſſe, ſo fern ſie keine Worterklaͤrung<lb/>
noͤthig haben. Man muß ſie auch zum Grunde legen,<lb/>
wenn man von den uͤbrigen Woͤrtern Worterklaͤrun-<lb/>
gen geben will. <hirendition="#fr">Und hiezu hat die Sprache<lb/>
bereits eine ihr eigene Einrichtung, welcher<lb/>
man bey einem Syſteme von Worterklaͤrungen<lb/>ſchlechthin folgen muß.</hi> Denn ſie macht die Woͤr-<lb/>
ter der erſten Claſſe ſtufenweiſe <hirendition="#fr">metaphoriſch,</hi> und<lb/>
da giebt die Worterklaͤrung das ſo genannte <hirendition="#aq">Tertium<lb/>
comparationis</hi> oder den Grund der Vergleichung und<lb/>
die Vergleichungsſtuͤcke an. Jch habe dieſe Betrach-<lb/>
tungen in der Semiotic und beſonders in dem letzten<lb/>
Hauptſtuͤcke derſelben umſtaͤndlicher angefuͤhret, und<lb/>
merke hier nur an, daß ein ſolches Syſtem von Wort-<lb/>
erklaͤrungen theils wegen der Weitlaͤuftigkeit, theils<lb/>
auch wegen der Schwierigkeit, die Ableitung und ur-<lb/>ſpruͤngliche Bedeutung der Woͤrter aufzuſuchen, eben<lb/>
nicht ſo leicht vollſtaͤndig gemacht werden kann. Jn<lb/>
Anſehung der Woͤrter der erſten Claſſe wuͤrde man<lb/><fwplace="bottom"type="catch">uͤbrigens</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[22/0058]
I. Hauptſtuͤck. Erforderniſſe
§. 26.
Mit den Worterklaͤrungen aber hat es eine ganz
andere Bewandniß, weil ſich dieſe eigentlich auf
die Structur der Sprache gruͤnden. Es giebt
eine gute Menge Woͤrter, deren Bedeutung, ſo lange
die Sprache bleibt, gar keiner Worterklaͤrung noͤ-
thig haben, und wo man die Sacherklaͤrung ſchwer-
lich oder niemals finden wird. Von dieſer Art ſind
die meiſten Namen der Dinge, ſo uns die Koͤrper-
welt vor Augen legt. Wir finden in der Sprache
bald jede Arten von Pflanzen, Thieren, Metallen,
Steinen ꝛc. benennet, und bey dieſen Benennungen
verſchwinden jede Wortſtreite, ſo bald man die Sache
vor Augen leget. Alle dieſe Woͤrter oder Namen
machen die Grundlage der Sprache aus, und ſind
eine beſondere Claſſe, ſo fern ſie keine Worterklaͤrung
noͤthig haben. Man muß ſie auch zum Grunde legen,
wenn man von den uͤbrigen Woͤrtern Worterklaͤrun-
gen geben will. Und hiezu hat die Sprache
bereits eine ihr eigene Einrichtung, welcher
man bey einem Syſteme von Worterklaͤrungen
ſchlechthin folgen muß. Denn ſie macht die Woͤr-
ter der erſten Claſſe ſtufenweiſe metaphoriſch, und
da giebt die Worterklaͤrung das ſo genannte Tertium
comparationis oder den Grund der Vergleichung und
die Vergleichungsſtuͤcke an. Jch habe dieſe Betrach-
tungen in der Semiotic und beſonders in dem letzten
Hauptſtuͤcke derſelben umſtaͤndlicher angefuͤhret, und
merke hier nur an, daß ein ſolches Syſtem von Wort-
erklaͤrungen theils wegen der Weitlaͤuftigkeit, theils
auch wegen der Schwierigkeit, die Ableitung und ur-
ſpruͤngliche Bedeutung der Woͤrter aufzuſuchen, eben
nicht ſo leicht vollſtaͤndig gemacht werden kann. Jn
Anſehung der Woͤrter der erſten Claſſe wuͤrde man
uͤbrigens
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/58>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.