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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Zusatz zum zwölften Hauptstücke.
XIII.

Die vierte Classe von Schönheit kömmt bey der
Nachahmung, und daher besonders bey Malern
und Bildhauern vor, und ist ebenfalls relativ. Er-
stere wollen durch Gemählde, letztere durch Bilder
eben die Empfindung erregen, die die Sache selbst
machen würde. Wenn man sie vor sich hätte. Der
Unterschied ist, daß der Maler nur einen Gesichts-
punct für seine ganze Vorstellung hat, und nur da,
wo er Personen malet, einer jeden ihren eigenen Ge-
sichtspunct giebt, dahingegen der Bildhauer sein Bild,
dafern es nicht halberhobene Arbeit ist, nach unzäh-
ligen Gesichtspuncten darzustellen hat. Jn Ansehung
beyder hat man die Schönheit der Sache von der
Schönheit der Abbildung zu unterscheiden, weil
eine an sich heßliche Sache schön, das will sagen ge-
nau, natürlich, nach dem Leben
etc. abgebildet
werden kann. Uebrigens muß der Künstler in diesen
Fällen immer besondere Gründe haben, warum er heß-
liche Gegenstände wählet, weil ein schöner Gegenstand
schön abgebildet immer doppelt schöner ist.

XIV.

Noch eine Classe, die ebenfalls zur Nachah-
mung
gehöret, ist die theatralische Nachahmung der
Reden, Geberden, Stellungen und Handlungen.
Dieses heißt Nachahmung im strengsten Verstande.
Daß nicht alles auf dem Theater nachgeahmet werden
müsse, ist für sich klar, und eine Regel, sowohl für den
Dichter, als für den Schauspieler. Die Vorstellung
soll weder anstößig seyn noch jemand beleidigen, dem-
nach nur so fern natürlich, als sie unterrichtend ist.
Das allzu Natürliche bleibt demnach weg.

XV.

Die Actio oratoris soll ebenfalls etwas theatrali-
sches haben, und in so ferne nachahmend seyn.

Jch
A a 3
Zuſatz zum zwoͤlften Hauptſtuͤcke.
XIII.

Die vierte Claſſe von Schoͤnheit koͤmmt bey der
Nachahmung, und daher beſonders bey Malern
und Bildhauern vor, und iſt ebenfalls relativ. Er-
ſtere wollen durch Gemaͤhlde, letztere durch Bilder
eben die Empfindung erregen, die die Sache ſelbſt
machen wuͤrde. Wenn man ſie vor ſich haͤtte. Der
Unterſchied iſt, daß der Maler nur einen Geſichts-
punct fuͤr ſeine ganze Vorſtellung hat, und nur da,
wo er Perſonen malet, einer jeden ihren eigenen Ge-
ſichtspunct giebt, dahingegen der Bildhauer ſein Bild,
dafern es nicht halberhobene Arbeit iſt, nach unzaͤh-
ligen Geſichtspuncten darzuſtellen hat. Jn Anſehung
beyder hat man die Schoͤnheit der Sache von der
Schoͤnheit der Abbildung zu unterſcheiden, weil
eine an ſich heßliche Sache ſchoͤn, das will ſagen ge-
nau, natuͤrlich, nach dem Leben
ꝛc. abgebildet
werden kann. Uebrigens muß der Kuͤnſtler in dieſen
Faͤllen immer beſondere Gruͤnde haben, warum er heß-
liche Gegenſtaͤnde waͤhlet, weil ein ſchoͤner Gegenſtand
ſchoͤn abgebildet immer doppelt ſchoͤner iſt.

XIV.

Noch eine Claſſe, die ebenfalls zur Nachah-
mung
gehoͤret, iſt die theatraliſche Nachahmung der
Reden, Geberden, Stellungen und Handlungen.
Dieſes heißt Nachahmung im ſtrengſten Verſtande.
Daß nicht alles auf dem Theater nachgeahmet werden
muͤſſe, iſt fuͤr ſich klar, und eine Regel, ſowohl fuͤr den
Dichter, als fuͤr den Schauſpieler. Die Vorſtellung
ſoll weder anſtoͤßig ſeyn noch jemand beleidigen, dem-
nach nur ſo fern natuͤrlich, als ſie unterrichtend iſt.
Das allzu Natuͤrliche bleibt demnach weg.

XV.

Die Actio oratoris ſoll ebenfalls etwas theatrali-
ſches haben, und in ſo ferne nachahmend ſeyn.

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[373/0409] Zuſatz zum zwoͤlften Hauptſtuͤcke. XIII. Die vierte Claſſe von Schoͤnheit koͤmmt bey der Nachahmung, und daher beſonders bey Malern und Bildhauern vor, und iſt ebenfalls relativ. Er- ſtere wollen durch Gemaͤhlde, letztere durch Bilder eben die Empfindung erregen, die die Sache ſelbſt machen wuͤrde. Wenn man ſie vor ſich haͤtte. Der Unterſchied iſt, daß der Maler nur einen Geſichts- punct fuͤr ſeine ganze Vorſtellung hat, und nur da, wo er Perſonen malet, einer jeden ihren eigenen Ge- ſichtspunct giebt, dahingegen der Bildhauer ſein Bild, dafern es nicht halberhobene Arbeit iſt, nach unzaͤh- ligen Geſichtspuncten darzuſtellen hat. Jn Anſehung beyder hat man die Schoͤnheit der Sache von der Schoͤnheit der Abbildung zu unterſcheiden, weil eine an ſich heßliche Sache ſchoͤn, das will ſagen ge- nau, natuͤrlich, nach dem Leben ꝛc. abgebildet werden kann. Uebrigens muß der Kuͤnſtler in dieſen Faͤllen immer beſondere Gruͤnde haben, warum er heß- liche Gegenſtaͤnde waͤhlet, weil ein ſchoͤner Gegenſtand ſchoͤn abgebildet immer doppelt ſchoͤner iſt. XIV. Noch eine Claſſe, die ebenfalls zur Nachah- mung gehoͤret, iſt die theatraliſche Nachahmung der Reden, Geberden, Stellungen und Handlungen. Dieſes heißt Nachahmung im ſtrengſten Verſtande. Daß nicht alles auf dem Theater nachgeahmet werden muͤſſe, iſt fuͤr ſich klar, und eine Regel, ſowohl fuͤr den Dichter, als fuͤr den Schauſpieler. Die Vorſtellung ſoll weder anſtoͤßig ſeyn noch jemand beleidigen, dem- nach nur ſo fern natuͤrlich, als ſie unterrichtend iſt. Das allzu Natuͤrliche bleibt demnach weg. XV. Die Actio oratoris ſoll ebenfalls etwas theatrali- ſches haben, und in ſo ferne nachahmend ſeyn. Jch A a 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/409>, abgerufen am 22.12.2024.