Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

und das Nicht wahr seyn.
sie in der That sind, und diejenigen Ausdrücke, wel-
che wahre Begriffe vorstellen, von denen, welche
bloße Unmöglichkeiten, falsche, oder schlechthin nur
eingebildete Begriffe vorstellen, genau unterscheiden.

§. 296.

Man nennet ein an sich unmögliches Ding ein
Unding, Non-ens. Ein an sich falscher Begriff
stellet demnach ein Unding vor. Man sieht leicht,
daß wir hier das Wort Unding, so wie das lateini-
sche Non-ens, als einen Terminum infinitum des
Möglichen ansehen. Und in dieser Absicht ist es von
dem, was nur unter voraus gesetzten Bedingungen
nicht möglich ist, und so auch von dem bloß nicht
wirklichen und von dem nicht nothwendigen zu unter-
scheiden. Da dem Undinge kein wahrer Begriff
entspricht, weil es schlechthin nicht gedenkbar ist, so
wird es auch ein erträumtes, bloß eingebildetes Ding,
Ens rationis, ens fictum, ens imaginarium genennet.

§. 297.

Hingegen einem wahren Dinge entspricht ein
wahrer Begriff, und hinwiederum stellet jeder an
sich wahre Begriff ein wahres Ding vor. Wenn
man daher in der Metaphysic saget, ein jedes Ding
sey ein wahres Ding,
Omne ens est verum, so setzet
man das Ding dem Undinge entgegen, und nimmt
daher, besonders im Deutschen, das Wort Ding in
einer eingeschränktern Bedeutung, als man es in
der Sprache nimmt, wo man alles mögliche, un-
mögliche, ungereimte etc. ein Ding nennet. Auf
diese Art bringt man die Wahrheit von den Sätzen
auf die Begriffe, und von den Begriffen auf die
Dinge selbst, und nennet die Wahrheit, die in den

Dingen

und das Nicht wahr ſeyn.
ſie in der That ſind, und diejenigen Ausdruͤcke, wel-
che wahre Begriffe vorſtellen, von denen, welche
bloße Unmoͤglichkeiten, falſche, oder ſchlechthin nur
eingebildete Begriffe vorſtellen, genau unterſcheiden.

§. 296.

Man nennet ein an ſich unmoͤgliches Ding ein
Unding, Non-ens. Ein an ſich falſcher Begriff
ſtellet demnach ein Unding vor. Man ſieht leicht,
daß wir hier das Wort Unding, ſo wie das lateini-
ſche Non-ens, als einen Terminum infinitum des
Moͤglichen anſehen. Und in dieſer Abſicht iſt es von
dem, was nur unter voraus geſetzten Bedingungen
nicht moͤglich iſt, und ſo auch von dem bloß nicht
wirklichen und von dem nicht nothwendigen zu unter-
ſcheiden. Da dem Undinge kein wahrer Begriff
entſpricht, weil es ſchlechthin nicht gedenkbar iſt, ſo
wird es auch ein ertraͤumtes, bloß eingebildetes Ding,
Ens rationis, ens fictum, ens imaginarium genennet.

§. 297.

Hingegen einem wahren Dinge entſpricht ein
wahrer Begriff, und hinwiederum ſtellet jeder an
ſich wahre Begriff ein wahres Ding vor. Wenn
man daher in der Metaphyſic ſaget, ein jedes Ding
ſey ein wahres Ding,
Omne ens eſt verum, ſo ſetzet
man das Ding dem Undinge entgegen, und nimmt
daher, beſonders im Deutſchen, das Wort Ding in
einer eingeſchraͤnktern Bedeutung, als man es in
der Sprache nimmt, wo man alles moͤgliche, un-
moͤgliche, ungereimte ꝛc. ein Ding nennet. Auf
dieſe Art bringt man die Wahrheit von den Saͤtzen
auf die Begriffe, und von den Begriffen auf die
Dinge ſelbſt, und nennet die Wahrheit, die in den

Dingen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0321" n="285"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und das Nicht wahr &#x017F;eyn.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ie in der That &#x017F;ind, und diejenigen Ausdru&#x0364;cke, wel-<lb/>
che wahre Begriffe vor&#x017F;tellen, von denen, welche<lb/>
bloße Unmo&#x0364;glichkeiten, fal&#x017F;che, oder &#x017F;chlechthin nur<lb/>
eingebildete Begriffe vor&#x017F;tellen, genau unter&#x017F;cheiden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 296.</head><lb/>
            <p>Man nennet ein an &#x017F;ich unmo&#x0364;gliches Ding ein<lb/><hi rendition="#fr">Unding,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Non-ens.</hi></hi> Ein an &#x017F;ich fal&#x017F;cher Begriff<lb/>
&#x017F;tellet demnach ein <hi rendition="#fr">Unding</hi> vor. Man &#x017F;ieht leicht,<lb/>
daß wir hier das Wort Unding, &#x017F;o wie das lateini-<lb/>
&#x017F;che <hi rendition="#aq">Non-ens,</hi> als einen <hi rendition="#aq">Terminum infinitum</hi> des<lb/>
Mo&#x0364;glichen an&#x017F;ehen. Und in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht i&#x017F;t es von<lb/>
dem, was nur unter voraus ge&#x017F;etzten Bedingungen<lb/>
nicht mo&#x0364;glich i&#x017F;t, und &#x017F;o auch von dem bloß nicht<lb/>
wirklichen und von dem nicht nothwendigen zu unter-<lb/>
&#x017F;cheiden. Da dem <hi rendition="#fr">Undinge</hi> kein wahrer Begriff<lb/>
ent&#x017F;pricht, weil es &#x017F;chlechthin nicht gedenkbar i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
wird es auch ein ertra&#x0364;umtes, bloß eingebildetes Ding,<lb/><hi rendition="#aq">Ens rationis, ens fictum, ens imaginarium</hi> genennet.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 297.</head><lb/>
            <p>Hingegen einem <hi rendition="#fr">wahren Dinge</hi> ent&#x017F;pricht ein<lb/>
wahrer Begriff, und hinwiederum &#x017F;tellet jeder an<lb/>
&#x017F;ich wahre Begriff ein wahres Ding vor. Wenn<lb/>
man daher in der Metaphy&#x017F;ic &#x017F;aget, <hi rendition="#fr">ein jedes Ding<lb/>
&#x017F;ey ein wahres Ding,</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Omne ens e&#x017F;t verum</hi>,</hi> &#x017F;o &#x017F;etzet<lb/>
man das Ding dem Undinge entgegen, und nimmt<lb/>
daher, be&#x017F;onders im Deut&#x017F;chen, das Wort <hi rendition="#fr">Ding</hi> in<lb/>
einer einge&#x017F;chra&#x0364;nktern Bedeutung, als man es in<lb/>
der Sprache nimmt, wo man alles mo&#x0364;gliche, un-<lb/>
mo&#x0364;gliche, ungereimte &#xA75B;c. ein Ding nennet. Auf<lb/>
die&#x017F;e Art bringt man die Wahrheit von den Sa&#x0364;tzen<lb/>
auf die Begriffe, und von den Begriffen auf die<lb/>
Dinge &#x017F;elb&#x017F;t, und nennet die Wahrheit, die in den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Dingen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0321] und das Nicht wahr ſeyn. ſie in der That ſind, und diejenigen Ausdruͤcke, wel- che wahre Begriffe vorſtellen, von denen, welche bloße Unmoͤglichkeiten, falſche, oder ſchlechthin nur eingebildete Begriffe vorſtellen, genau unterſcheiden. §. 296. Man nennet ein an ſich unmoͤgliches Ding ein Unding, Non-ens. Ein an ſich falſcher Begriff ſtellet demnach ein Unding vor. Man ſieht leicht, daß wir hier das Wort Unding, ſo wie das lateini- ſche Non-ens, als einen Terminum infinitum des Moͤglichen anſehen. Und in dieſer Abſicht iſt es von dem, was nur unter voraus geſetzten Bedingungen nicht moͤglich iſt, und ſo auch von dem bloß nicht wirklichen und von dem nicht nothwendigen zu unter- ſcheiden. Da dem Undinge kein wahrer Begriff entſpricht, weil es ſchlechthin nicht gedenkbar iſt, ſo wird es auch ein ertraͤumtes, bloß eingebildetes Ding, Ens rationis, ens fictum, ens imaginarium genennet. §. 297. Hingegen einem wahren Dinge entſpricht ein wahrer Begriff, und hinwiederum ſtellet jeder an ſich wahre Begriff ein wahres Ding vor. Wenn man daher in der Metaphyſic ſaget, ein jedes Ding ſey ein wahres Ding, Omne ens eſt verum, ſo ſetzet man das Ding dem Undinge entgegen, und nimmt daher, beſonders im Deutſchen, das Wort Ding in einer eingeſchraͤnktern Bedeutung, als man es in der Sprache nimmt, wo man alles moͤgliche, un- moͤgliche, ungereimte ꝛc. ein Ding nennet. Auf dieſe Art bringt man die Wahrheit von den Saͤtzen auf die Begriffe, und von den Begriffen auf die Dinge ſelbſt, und nennet die Wahrheit, die in den Dingen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/321
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/321>, abgerufen am 21.12.2024.