Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite


Achtes Hauptstück.
Das Etwas seyn und das Nichts seyn.
§. 254.

Das Wort nicht wird eigentlich dem Bindewört-
chen seyn beygefüget, und in so ferne gehöret
es unter die Aduerbia oder Bestimmungswörter der
Zeitwörter. Jn dieser Absicht haben wir es in dem
vorhergehenden Hauptstücke betrachtet. Man hat es
aber bereits schon auch den Nennwörtern als eine Be-
stimmung beygefüget, und dadurch wird der Begriff
desselben so verändert, wie in der Sprache die Ad-
verbia
oder Zuwörter von den Adiectiuis oder Bey-
wörtern
verschieden sind, (Semiot. §. 224. 228. 273.).
Dieses konnte nun geschehen, weil es in den Spra-
chen sehr gewöhnlich ist, Vorwörter, Zuwörter, Bey-
wörter und Nennwörter in einander zu verwandeln,
und weil diese Verwandlung sich auf gewisse meta-
physische Begriffe gründet. Wir werden nun hier
besonders untersuchen, was das Wort nicht für eine
Bedeutung erhält, wenn es adjective genommen, oder
den Nennwörtern als eine Bestimmung beygefüget
wird. Da wir im Deutschen das nicht dem ist nach-
setzen, die Beywörter aber den Hauptwörtern vor-
setzen, so fällt in den Sätzen,
A ist nicht B,
das nicht zwischen das ist und das Prädicat B,
und der geschriebene Satz giebt nicht an, ob das
nicht darinn als Zuwort oder als Beywort vor-
komme? Jm Lateinischen aber wird dieses unter-

schieden,
P 2


Achtes Hauptſtuͤck.
Das Etwas ſeyn und das Nichts ſeyn.
§. 254.

Das Wort nicht wird eigentlich dem Bindewoͤrt-
chen ſeyn beygefuͤget, und in ſo ferne gehoͤret
es unter die Aduerbia oder Beſtimmungswoͤrter der
Zeitwoͤrter. Jn dieſer Abſicht haben wir es in dem
vorhergehenden Hauptſtuͤcke betrachtet. Man hat es
aber bereits ſchon auch den Nennwoͤrtern als eine Be-
ſtimmung beygefuͤget, und dadurch wird der Begriff
deſſelben ſo veraͤndert, wie in der Sprache die Ad-
verbia
oder Zuwoͤrter von den Adiectiuis oder Bey-
woͤrtern
verſchieden ſind, (Semiot. §. 224. 228. 273.).
Dieſes konnte nun geſchehen, weil es in den Spra-
chen ſehr gewoͤhnlich iſt, Vorwoͤrter, Zuwoͤrter, Bey-
woͤrter und Nennwoͤrter in einander zu verwandeln,
und weil dieſe Verwandlung ſich auf gewiſſe meta-
phyſiſche Begriffe gruͤndet. Wir werden nun hier
beſonders unterſuchen, was das Wort nicht fuͤr eine
Bedeutung erhaͤlt, wenn es adjective genommen, oder
den Nennwoͤrtern als eine Beſtimmung beygefuͤget
wird. Da wir im Deutſchen das nicht dem iſt nach-
ſetzen, die Beywoͤrter aber den Hauptwoͤrtern vor-
ſetzen, ſo faͤllt in den Saͤtzen,
A iſt nicht B,
das nicht zwiſchen das iſt und das Praͤdicat B,
und der geſchriebene Satz giebt nicht an, ob das
nicht darinn als Zuwort oder als Beywort vor-
komme? Jm Lateiniſchen aber wird dieſes unter-

ſchieden,
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0263" n="227"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Achtes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.<lb/>
Das Etwas &#x017F;eyn und das Nichts &#x017F;eyn.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 254.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>as Wort <hi rendition="#fr">nicht</hi> wird eigentlich dem Bindewo&#x0364;rt-<lb/>
chen <hi rendition="#fr">&#x017F;eyn</hi> beygefu&#x0364;get, und in &#x017F;o ferne geho&#x0364;ret<lb/>
es unter die <hi rendition="#aq">Aduerbia</hi> oder Be&#x017F;timmungswo&#x0364;rter der<lb/>
Zeitwo&#x0364;rter. Jn die&#x017F;er Ab&#x017F;icht haben wir es in dem<lb/>
vorhergehenden Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke betrachtet. Man hat es<lb/>
aber bereits &#x017F;chon auch den Nennwo&#x0364;rtern als eine Be-<lb/>
&#x017F;timmung beygefu&#x0364;get, und dadurch wird der Begriff<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;o vera&#x0364;ndert, wie in der Sprache die <hi rendition="#aq">Ad-<lb/>
verbia</hi> oder <hi rendition="#fr">Zuwo&#x0364;rter</hi> von den <hi rendition="#aq">Adiectiuis</hi> oder <hi rendition="#fr">Bey-<lb/>
wo&#x0364;rtern</hi> ver&#x017F;chieden &#x017F;ind, (Semiot. §. 224. 228. 273.).<lb/>
Die&#x017F;es konnte nun ge&#x017F;chehen, weil es in den Spra-<lb/>
chen &#x017F;ehr gewo&#x0364;hnlich i&#x017F;t, Vorwo&#x0364;rter, Zuwo&#x0364;rter, Bey-<lb/>
wo&#x0364;rter und Nennwo&#x0364;rter in einander zu verwandeln,<lb/>
und weil die&#x017F;e Verwandlung &#x017F;ich auf gewi&#x017F;&#x017F;e meta-<lb/>
phy&#x017F;i&#x017F;che Begriffe gru&#x0364;ndet. Wir werden nun hier<lb/>
be&#x017F;onders unter&#x017F;uchen, was das Wort <hi rendition="#fr">nicht</hi> fu&#x0364;r eine<lb/>
Bedeutung erha&#x0364;lt, wenn es adjective genommen, oder<lb/>
den Nennwo&#x0364;rtern als eine Be&#x017F;timmung beygefu&#x0364;get<lb/>
wird. Da wir im Deut&#x017F;chen das <hi rendition="#fr">nicht</hi> dem <hi rendition="#fr">i&#x017F;t</hi> nach-<lb/>
&#x017F;etzen, die Beywo&#x0364;rter aber den Hauptwo&#x0364;rtern vor-<lb/>
&#x017F;etzen, &#x017F;o fa&#x0364;llt in den Sa&#x0364;tzen,<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">A</hi> i&#x017F;t nicht <hi rendition="#aq">B,</hi></hi><lb/>
das <hi rendition="#fr">nicht</hi> zwi&#x017F;chen das <hi rendition="#fr">i&#x017F;t</hi> und das Pra&#x0364;dicat <hi rendition="#aq">B,</hi><lb/>
und der ge&#x017F;chriebene Satz giebt nicht an, ob das<lb/><hi rendition="#fr">nicht</hi> darinn als <hi rendition="#fr">Zuwort</hi> oder als <hi rendition="#fr">Beywort</hi> vor-<lb/>
komme? Jm Lateini&#x017F;chen aber wird die&#x017F;es unter-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chieden,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0263] Achtes Hauptſtuͤck. Das Etwas ſeyn und das Nichts ſeyn. §. 254. Das Wort nicht wird eigentlich dem Bindewoͤrt- chen ſeyn beygefuͤget, und in ſo ferne gehoͤret es unter die Aduerbia oder Beſtimmungswoͤrter der Zeitwoͤrter. Jn dieſer Abſicht haben wir es in dem vorhergehenden Hauptſtuͤcke betrachtet. Man hat es aber bereits ſchon auch den Nennwoͤrtern als eine Be- ſtimmung beygefuͤget, und dadurch wird der Begriff deſſelben ſo veraͤndert, wie in der Sprache die Ad- verbia oder Zuwoͤrter von den Adiectiuis oder Bey- woͤrtern verſchieden ſind, (Semiot. §. 224. 228. 273.). Dieſes konnte nun geſchehen, weil es in den Spra- chen ſehr gewoͤhnlich iſt, Vorwoͤrter, Zuwoͤrter, Bey- woͤrter und Nennwoͤrter in einander zu verwandeln, und weil dieſe Verwandlung ſich auf gewiſſe meta- phyſiſche Begriffe gruͤndet. Wir werden nun hier beſonders unterſuchen, was das Wort nicht fuͤr eine Bedeutung erhaͤlt, wenn es adjective genommen, oder den Nennwoͤrtern als eine Beſtimmung beygefuͤget wird. Da wir im Deutſchen das nicht dem iſt nach- ſetzen, die Beywoͤrter aber den Hauptwoͤrtern vor- ſetzen, ſo faͤllt in den Saͤtzen, A iſt nicht B, das nicht zwiſchen das iſt und das Praͤdicat B, und der geſchriebene Satz giebt nicht an, ob das nicht darinn als Zuwort oder als Beywort vor- komme? Jm Lateiniſchen aber wird dieſes unter- ſchieden, P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/263
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/263>, abgerufen am 03.12.2024.