8°. Die Analogie geht auf Dinge, welche, so weit sie dabey anwendbar ist, in eine Classe oder unter einen allgemeinern Begriff gehören, des- sen Umfang und Jngredientien sie besser, klä- rer und vollständiger angiebt, als wenn der Begriff einen Namen hat und nach demselben definirt wird.
§. 145.
Der fürnehmste und häufigste Gebrauch, den man selbst im gemeinen Leben von der Analogie macht, und eigentlich zuverläßig sollte machen können, ist dieser, daß man aus der Aehnlichkeit zweener oder mehrerer Fälle, so fern man sie weiß, auf die Aehnlichkeit, die man noch nicht weiß, den Schluß macht. Dieser Schluß geht nun aller- dings so unbedingt nicht an, weil sonst zween Fälle, die in einigen Stücken ähnlich sind, durchaus ähnlich seyn müßten. Da sich aber die Aehnlichkeit auch weiter erstrecken kann, als wir sie wissen; so entsteht natürlicher Weise die Frage, wie weit sie gehe? Und hiebey läßt sich der vorhin (§. 139.) angeführte Grund- satz anwenden. Denn die Aehnlichkeit beyder Fälle, so weit sie an sich betrachtet geht, macht ein Ganzes aus. Wissen wir demnach nur einige Stücke davon, so können wir auf die noch mangelnden oder unbe- kannten schließen, so fern diese von jenen abhängen, oder bey denselben vorausgesetzt werden müssen, oder damit in nothwendiger Verbindung sind. Die Methode, von dem Theile auf das Ganze zu schließen, habe ich in der Dianoiologie (§. 394. seqq.) angege- ben, wohin sie eigentlich gehöret. Da ferner die Ana- logie bey Verhältnissen vorkömmt (§. 137. 144. N°. 5.) und diese mehrentheils ohne Rücksicht auf die Sache
unter
IV. Hauptſtuͤck. Grundſaͤtze
8°. Die Analogie geht auf Dinge, welche, ſo weit ſie dabey anwendbar iſt, in eine Claſſe oder unter einen allgemeinern Begriff gehoͤren, deſ- ſen Umfang und Jngredientien ſie beſſer, klaͤ- rer und vollſtaͤndiger angiebt, als wenn der Begriff einen Namen hat und nach demſelben definirt wird.
§. 145.
Der fuͤrnehmſte und haͤufigſte Gebrauch, den man ſelbſt im gemeinen Leben von der Analogie macht, und eigentlich zuverlaͤßig ſollte machen koͤnnen, iſt dieſer, daß man aus der Aehnlichkeit zweener oder mehrerer Faͤlle, ſo fern man ſie weiß, auf die Aehnlichkeit, die man noch nicht weiß, den Schluß macht. Dieſer Schluß geht nun aller- dings ſo unbedingt nicht an, weil ſonſt zween Faͤlle, die in einigen Stuͤcken aͤhnlich ſind, durchaus aͤhnlich ſeyn muͤßten. Da ſich aber die Aehnlichkeit auch weiter erſtrecken kann, als wir ſie wiſſen; ſo entſteht natuͤrlicher Weiſe die Frage, wie weit ſie gehe? Und hiebey laͤßt ſich der vorhin (§. 139.) angefuͤhrte Grund- ſatz anwenden. Denn die Aehnlichkeit beyder Faͤlle, ſo weit ſie an ſich betrachtet geht, macht ein Ganzes aus. Wiſſen wir demnach nur einige Stuͤcke davon, ſo koͤnnen wir auf die noch mangelnden oder unbe- kannten ſchließen, ſo fern dieſe von jenen abhaͤngen, oder bey denſelben vorausgeſetzt werden muͤſſen, oder damit in nothwendiger Verbindung ſind. Die Methode, von dem Theile auf das Ganze zu ſchließen, habe ich in der Dianoiologie (§. 394. ſeqq.) angege- ben, wohin ſie eigentlich gehoͤret. Da ferner die Ana- logie bey Verhaͤltniſſen vorkoͤmmt (§. 137. 144. N°. 5.) und dieſe mehrentheils ohne Ruͤckſicht auf die Sache
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IV. Hauptſtuͤck. Grundſaͤtze
8°. Die Analogie geht auf Dinge, welche, ſo weit
ſie dabey anwendbar iſt, in eine Claſſe oder
unter einen allgemeinern Begriff gehoͤren, deſ-
ſen Umfang und Jngredientien ſie beſſer, klaͤ-
rer und vollſtaͤndiger angiebt, als wenn der
Begriff einen Namen hat und nach demſelben
definirt wird.
§. 145.
Der fuͤrnehmſte und haͤufigſte Gebrauch, den man
ſelbſt im gemeinen Leben von der Analogie macht,
und eigentlich zuverlaͤßig ſollte machen koͤnnen, iſt
dieſer, daß man aus der Aehnlichkeit zweener
oder mehrerer Faͤlle, ſo fern man ſie weiß, auf
die Aehnlichkeit, die man noch nicht weiß, den
Schluß macht. Dieſer Schluß geht nun aller-
dings ſo unbedingt nicht an, weil ſonſt zween Faͤlle,
die in einigen Stuͤcken aͤhnlich ſind, durchaus aͤhnlich
ſeyn muͤßten. Da ſich aber die Aehnlichkeit auch
weiter erſtrecken kann, als wir ſie wiſſen; ſo entſteht
natuͤrlicher Weiſe die Frage, wie weit ſie gehe? Und
hiebey laͤßt ſich der vorhin (§. 139.) angefuͤhrte Grund-
ſatz anwenden. Denn die Aehnlichkeit beyder Faͤlle,
ſo weit ſie an ſich betrachtet geht, macht ein Ganzes
aus. Wiſſen wir demnach nur einige Stuͤcke davon,
ſo koͤnnen wir auf die noch mangelnden oder unbe-
kannten ſchließen, ſo fern dieſe von jenen abhaͤngen,
oder bey denſelben vorausgeſetzt werden muͤſſen,
oder damit in nothwendiger Verbindung ſind. Die
Methode, von dem Theile auf das Ganze zu ſchließen,
habe ich in der Dianoiologie (§. 394. ſeqq.) angege-
ben, wohin ſie eigentlich gehoͤret. Da ferner die Ana-
logie bey Verhaͤltniſſen vorkoͤmmt (§. 137. 144. N°. 5.)
und dieſe mehrentheils ohne Ruͤckſicht auf die Sache
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/140>, abgerufen am 23.02.2025.
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