Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

1.

Die Wolfischen Untersuchungen über die ursprüngliche
Gestalt der Homerischen Gesänge haben sich theils durch
ihre innere, in den Hauptpunkten wenigstens unangreifbare
Beweiskraft, theils durch die Anwendung auf andere Werke
der ältesten Griechischen Poesie so kräftig bewährt, daß
nun schon, wo sich bei anderen Völkern an Gedichten aus
uralter Zeit derselbe räthselhafte, wahrhaft epische Cha-
rakter zeigt, die Vermuthung rege gemacht oder wenig-
stens eine strenge Untersuchung unerläßlich wird, ob sie
vielleicht auf eine ähnliche Art, wie jene, entstanden und
erst allmählig zu ihrer letzten festen Gestalt gediehen sein
mögen.

So wurde ich auf eine gleiche Untersuchung geleitet,
die von jenen, aus denen sie geflossen ist, Bestätigung
hofft, so wie sie hingegen selbst durch ihre Ausführung
jene noch mehr zu bekräftigen und wo möglich zum Theil
noch zu ihrer genaueren Bestimmung ein Weniges beizu-
tragen wünscht. Ich glaube nämlich und werde in dem
Folgenden zu beweisen suchen, daß unser so genanntes

A 2

1.

Die Wolfiſchen Unterſuchungen über die urſprüngliche
Geſtalt der Homeriſchen Geſänge haben ſich theils durch
ihre innere, in den Hauptpunkten wenigſtens unangreifbare
Beweiskraft, theils durch die Anwendung auf andere Werke
der älteſten Griechiſchen Poeſie ſo kräftig bewährt, daß
nun ſchon, wo ſich bei anderen Völkern an Gedichten aus
uralter Zeit derſelbe räthſelhafte, wahrhaft epiſche Cha-
rakter zeigt, die Vermuthung rege gemacht oder wenig-
ſtens eine ſtrenge Unterſuchung unerläßlich wird, ob ſie
vielleicht auf eine ähnliche Art, wie jene, entſtanden und
erſt allmählig zu ihrer letzten feſten Geſtalt gediehen ſein
mögen.

So wurde ich auf eine gleiche Unterſuchung geleitet,
die von jenen, aus denen ſie gefloſſen iſt, Beſtätigung
hofft, ſo wie ſie hingegen ſelbſt durch ihre Ausführung
jene noch mehr zu bekräftigen und wo möglich zum Theil
noch zu ihrer genaueren Beſtimmung ein Weniges beizu-
tragen wünſcht. Ich glaube nämlich und werde in dem
Folgenden zu beweiſen ſuchen, daß unſer ſo genanntes

A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0011" n="[3]"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head>1.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Wolfi&#x017F;chen Unter&#x017F;uchungen über die ur&#x017F;prüngliche<lb/>
Ge&#x017F;talt der Homeri&#x017F;chen Ge&#x017F;änge haben &#x017F;ich theils durch<lb/>
ihre innere, in den Hauptpunkten wenig&#x017F;tens unangreifbare<lb/>
Beweiskraft, theils durch die Anwendung auf andere Werke<lb/>
der älte&#x017F;ten Griechi&#x017F;chen Poe&#x017F;ie &#x017F;o kräftig bewährt, daß<lb/>
nun &#x017F;chon, wo &#x017F;ich bei anderen Völkern an Gedichten aus<lb/>
uralter Zeit der&#x017F;elbe räth&#x017F;elhafte, wahrhaft epi&#x017F;che Cha-<lb/>
rakter zeigt, die Vermuthung rege gemacht oder wenig-<lb/>
&#x017F;tens eine &#x017F;trenge Unter&#x017F;uchung unerläßlich wird, ob &#x017F;ie<lb/>
vielleicht auf eine ähnliche Art, wie jene, ent&#x017F;tanden und<lb/>
er&#x017F;t allmählig zu ihrer letzten fe&#x017F;ten Ge&#x017F;talt gediehen &#x017F;ein<lb/>
mögen.</p><lb/>
        <p>So wurde ich auf eine gleiche Unter&#x017F;uchung geleitet,<lb/>
die von jenen, aus denen &#x017F;ie geflo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, Be&#x017F;tätigung<lb/>
hofft, &#x017F;o wie &#x017F;ie hingegen &#x017F;elb&#x017F;t durch ihre Ausführung<lb/>
jene noch mehr zu bekräftigen und wo möglich zum Theil<lb/>
noch zu ihrer genaueren Be&#x017F;timmung ein Weniges beizu-<lb/>
tragen wün&#x017F;cht. Ich glaube nämlich und werde in dem<lb/>
Folgenden zu bewei&#x017F;en &#x017F;uchen, daß un&#x017F;er &#x017F;o genanntes<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0011] 1. Die Wolfiſchen Unterſuchungen über die urſprüngliche Geſtalt der Homeriſchen Geſänge haben ſich theils durch ihre innere, in den Hauptpunkten wenigſtens unangreifbare Beweiskraft, theils durch die Anwendung auf andere Werke der älteſten Griechiſchen Poeſie ſo kräftig bewährt, daß nun ſchon, wo ſich bei anderen Völkern an Gedichten aus uralter Zeit derſelbe räthſelhafte, wahrhaft epiſche Cha- rakter zeigt, die Vermuthung rege gemacht oder wenig- ſtens eine ſtrenge Unterſuchung unerläßlich wird, ob ſie vielleicht auf eine ähnliche Art, wie jene, entſtanden und erſt allmählig zu ihrer letzten feſten Geſtalt gediehen ſein mögen. So wurde ich auf eine gleiche Unterſuchung geleitet, die von jenen, aus denen ſie gefloſſen iſt, Beſtätigung hofft, ſo wie ſie hingegen ſelbſt durch ihre Ausführung jene noch mehr zu bekräftigen und wo möglich zum Theil noch zu ihrer genaueren Beſtimmung ein Weniges beizu- tragen wünſcht. Ich glaube nämlich und werde in dem Folgenden zu beweiſen ſuchen, daß unſer ſo genanntes A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/11
Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/11>, abgerufen am 21.11.2024.