Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 101. Die Gerichte. II. Die Organisation der Gerichte. Das Gerichtsverfassungs-Gesetz §. 12 zählt vier Arten von 1) Außerhalb des Gebietes der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit können den Gerichten Geschäfte zugewiesen werden, welche durch Verhandlungen und Beschlußfassungen in pleno zu erledigen sind. Plenarbeschlüsse des Reichs- gerichts sind erforderlich in den Fällen der §§. 128. 129. 131 des Gerichts- verf.Gesetzes, sowie zur Erledigung der im §. 141 ebendas. gestellten Aufgabe. (Ausarbeitung der Geschäftsordnung.) 6*
§. 101. Die Gerichte. II. Die Organiſation der Gerichte. Das Gerichtsverfaſſungs-Geſetz §. 12 zählt vier Arten von 1) Außerhalb des Gebietes der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit können den Gerichten Geſchäfte zugewieſen werden, welche durch Verhandlungen und Beſchlußfaſſungen in pleno zu erledigen ſind. Plenarbeſchlüſſe des Reichs- gerichts ſind erforderlich in den Fällen der §§. 128. 129. 131 des Gerichts- verf.Geſetzes, ſowie zur Erledigung der im §. 141 ebendaſ. geſtellten Aufgabe. (Ausarbeitung der Geſchäftsordnung.) 6*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0093" n="83"/> <fw place="top" type="header">§. 101. Die Gerichte.</fw><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Die Organiſation der Gerichte</hi>.</head><lb/> <p>Das Gerichtsverfaſſungs-Geſetz §. 12 zählt vier Arten von<lb/> ordentlichen Gerichten auf: Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandes-<lb/> gerichte und das Reichsgericht. Dieſe Gerichte als ſolche ſind aber<lb/> keine beſchließenden und erkennenden Organe der ordentlichen Rechts-<lb/> pflege <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Außerhalb</hi> des Gebietes der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit<lb/> können den Gerichten Geſchäfte zugewieſen werden, welche durch Verhandlungen<lb/> und Beſchlußfaſſungen <hi rendition="#aq">in pleno</hi> zu erledigen ſind. Plenarbeſchlüſſe des <hi rendition="#g">Reichs-<lb/> gerichts</hi> ſind erforderlich in den Fällen der §§. 128. 129. 131 des Gerichts-<lb/> verf.Geſetzes, ſowie zur Erledigung der im §. 141 ebendaſ. geſtellten Aufgabe.<lb/> (Ausarbeitung der Geſchäftsordnung.)</note>, ſie ſind keine Gerichte im eigentlichen und engen Sinne<lb/> des Prozeßrechts, ſondern ſie ſind ſtaatliche Behörden, <hi rendition="#g">bei wel-<lb/> chen</hi> die Prozeßgerichte gebildet werden oder <hi rendition="#g">aus deren Mitte</hi><lb/> die Prozeßgerichte hervorgehen. Man könnte ſie gleichſam die<lb/> Kadres nennen, innerhalb deren die erkennenden Gerichte zur Ent-<lb/> ſtehung kommen. Damit ſoll aber keineswegs geſagt werden, daß<lb/> dieſe Behörden <hi rendition="#g">nur</hi> für die Juſtizverwaltung Bedeutung haben.<lb/> Dieſe Organiſationen ſind vielmehr auch für das Prozeßrecht von<lb/> der größten Wichtigkeit. Durch dieſelben wird bewirkt, daß die<lb/> einzelnen von den Prozeßordnungen erforderten Gerichte nicht<lb/> iſolirt neben einander ſtehen, ſondern zu größeren einheitlichen<lb/> Behörden zuſammengefaßt werden, ſo daß die Zuſtändigkeit der<lb/> Einzelrichter und Spruchcollegien im Verhältniß zu der ſie um-<lb/> faſſenden Gerichtsbehörde lediglich als eine <hi rendition="#g">Vertheilung der<lb/> Geſchäfte</hi>, als eine innere Angelegenheit der letzteren erſcheint.<lb/> Die Prozeßordnungen und andern Geſetze können demgemäß die<lb/> richterlichen Geſchäfte den Gerichtsbehörden als ſolchen auftragen<lb/> und die letzteren nach Außen als einheitliche Anſtalten des Staates<lb/> behandeln. Dadurch wird die Gerichtsverfaſſung weſentlich ver-<lb/> einfacht; die vielen, nach den verſchiedenen Arten von Streitſachen<lb/> ſo verſchieden conſtituirten Prozeßgerichte verſchwinden unter der<lb/> gemeinſamen Firma und einheitlichen Organiſation der erwähnten<lb/> Gerichts<hi rendition="#g">anſtalten</hi>; ſie ſind gleichſam nur „Erſcheinungsformen“,<lb/> in denen die letzteren thätig werden. Eine Hauptwirkung dieſer<lb/> Einrichtung beſteht darin, daß die <hi rendition="#g">örtliche</hi> Zuſtändigkeit der<lb/> Gerichte ohne Rückſicht auf die Bildung der verſchiedenen Spruch-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0093]
§. 101. Die Gerichte.
II. Die Organiſation der Gerichte.
Das Gerichtsverfaſſungs-Geſetz §. 12 zählt vier Arten von
ordentlichen Gerichten auf: Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandes-
gerichte und das Reichsgericht. Dieſe Gerichte als ſolche ſind aber
keine beſchließenden und erkennenden Organe der ordentlichen Rechts-
pflege 1), ſie ſind keine Gerichte im eigentlichen und engen Sinne
des Prozeßrechts, ſondern ſie ſind ſtaatliche Behörden, bei wel-
chen die Prozeßgerichte gebildet werden oder aus deren Mitte
die Prozeßgerichte hervorgehen. Man könnte ſie gleichſam die
Kadres nennen, innerhalb deren die erkennenden Gerichte zur Ent-
ſtehung kommen. Damit ſoll aber keineswegs geſagt werden, daß
dieſe Behörden nur für die Juſtizverwaltung Bedeutung haben.
Dieſe Organiſationen ſind vielmehr auch für das Prozeßrecht von
der größten Wichtigkeit. Durch dieſelben wird bewirkt, daß die
einzelnen von den Prozeßordnungen erforderten Gerichte nicht
iſolirt neben einander ſtehen, ſondern zu größeren einheitlichen
Behörden zuſammengefaßt werden, ſo daß die Zuſtändigkeit der
Einzelrichter und Spruchcollegien im Verhältniß zu der ſie um-
faſſenden Gerichtsbehörde lediglich als eine Vertheilung der
Geſchäfte, als eine innere Angelegenheit der letzteren erſcheint.
Die Prozeßordnungen und andern Geſetze können demgemäß die
richterlichen Geſchäfte den Gerichtsbehörden als ſolchen auftragen
und die letzteren nach Außen als einheitliche Anſtalten des Staates
behandeln. Dadurch wird die Gerichtsverfaſſung weſentlich ver-
einfacht; die vielen, nach den verſchiedenen Arten von Streitſachen
ſo verſchieden conſtituirten Prozeßgerichte verſchwinden unter der
gemeinſamen Firma und einheitlichen Organiſation der erwähnten
Gerichtsanſtalten; ſie ſind gleichſam nur „Erſcheinungsformen“,
in denen die letzteren thätig werden. Eine Hauptwirkung dieſer
Einrichtung beſteht darin, daß die örtliche Zuſtändigkeit der
Gerichte ohne Rückſicht auf die Bildung der verſchiedenen Spruch-
1) Außerhalb des Gebietes der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit
können den Gerichten Geſchäfte zugewieſen werden, welche durch Verhandlungen
und Beſchlußfaſſungen in pleno zu erledigen ſind. Plenarbeſchlüſſe des Reichs-
gerichts ſind erforderlich in den Fällen der §§. 128. 129. 131 des Gerichts-
verf.Geſetzes, ſowie zur Erledigung der im §. 141 ebendaſ. geſtellten Aufgabe.
(Ausarbeitung der Geſchäftsordnung.)
6*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |