Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.§. 88. Die gesetzliche Wehrpflicht. Bundesverfassung eine längere als 12jährige Gesammtdienstzeitgesetzlich bestanden hat, ist dieselbe zunächst aufrecht erhalten wor- den; es ist jedoch dem Kaiser die Befugniß übertragen worden, unter Berücksichtigung der Kriegsbereitschaft des Reichsheeres die Herabsetzung dieser Verpflichtung auf das reichsgesetzliche Maß anzuordnen 1). VI. Die Ersatzreserve-Pflicht. 1. Begriff. Die Ersatzreserve-Pflicht ist eine eventuelle Diesem Begriffe entspricht es, daß der Ersatzreserve alle Per- 1) R.V. Art. 59. W.G. §. 18. Diese Anordnungen sind ergangen in den Kabin.-Ordres vom 14. Mai 1868, 1. April 1869, 17. Februar 1870, 5. März 1871. 2) Nach einer dem Reichstage von 1874 vom Preuß. Kriegsministerinm
vorgelegten Berechnung beziffert sich bei der Mobilmachung der Bedarf an Mannschaften für jedes Infanterie-Regiment mit Einschluß der Ersatz- und Landwehrbataillone auf 5600 Mann. Auf Grund der durch 12 Jahrgänge fortgesetzten Rekruten-Einstellung sind nach Abrechnung eines Abgangs von 25 % und nach Hinzurechnung der Unteroffiziere des Friedensstandes etc. durch- schnittlich circa 5300 Mann vorhanden. Die Differenz muß daher durch Ein- ziehung von Mannschaften aus der Ersatzreserve für das Ersatzbataillon gedeckt werden. Drucks. des Reichst. I Sess. 1874 Anlage zu Nro. 106 S. 20. §. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht. Bundesverfaſſung eine längere als 12jährige Geſammtdienſtzeitgeſetzlich beſtanden hat, iſt dieſelbe zunächſt aufrecht erhalten wor- den; es iſt jedoch dem Kaiſer die Befugniß übertragen worden, unter Berückſichtigung der Kriegsbereitſchaft des Reichsheeres die Herabſetzung dieſer Verpflichtung auf das reichsgeſetzliche Maß anzuordnen 1). VI. Die Erſatzreſerve-Pflicht. 1. Begriff. Die Erſatzreſerve-Pflicht iſt eine eventuelle Dieſem Begriffe entſpricht es, daß der Erſatzreſerve alle Per- 1) R.V. Art. 59. W.G. §. 18. Dieſe Anordnungen ſind ergangen in den Kabin.-Ordres vom 14. Mai 1868, 1. April 1869, 17. Februar 1870, 5. März 1871. 2) Nach einer dem Reichstage von 1874 vom Preuß. Kriegsminiſterinm
vorgelegten Berechnung beziffert ſich bei der Mobilmachung der Bedarf an Mannſchaften für jedes Infanterie-Regiment mit Einſchluß der Erſatz- und Landwehrbataillone auf 5600 Mann. Auf Grund der durch 12 Jahrgänge fortgeſetzten Rekruten-Einſtellung ſind nach Abrechnung eines Abgangs von 25 % und nach Hinzurechnung der Unteroffiziere des Friedensſtandes ꝛc. durch- ſchnittlich circa 5300 Mann vorhanden. Die Differenz muß daher durch Ein- ziehung von Mannſchaften aus der Erſatzreſerve für das Erſatzbataillon gedeckt werden. Druckſ. des Reichst. I Seſſ. 1874 Anlage zu Nro. 106 S. 20. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0200" n="190"/><fw place="top" type="header">§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.</fw><lb/> Bundesverfaſſung eine längere als 12jährige Geſammtdienſtzeit<lb/> geſetzlich beſtanden hat, iſt dieſelbe zunächſt aufrecht erhalten wor-<lb/> den; es iſt jedoch dem Kaiſer die Befugniß übertragen worden,<lb/> unter Berückſichtigung der Kriegsbereitſchaft des Reichsheeres die<lb/> Herabſetzung dieſer Verpflichtung auf das reichsgeſetzliche Maß<lb/> anzuordnen <note place="foot" n="1)">R.V. Art. 59. W.G. §. 18. Dieſe Anordnungen ſind ergangen in<lb/> den Kabin.-Ordres vom 14. Mai 1868, 1. April 1869, 17. Februar 1870,<lb/> 5. März 1871.</note>.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#g">Die Erſatzreſerve-Pflicht</hi>.</head><lb/> <p>1. <hi rendition="#g">Begriff</hi>. Die Erſatzreſerve-Pflicht iſt eine <hi rendition="#g">eventuelle<lb/> Dienſtpflicht</hi>. Dadurch wird der Unterſchied derſelben ſowohl<lb/> gegenüber der definitiven Befreiung von der Dienſtpflicht als auch<lb/> gegenüber der Reſerve- oder Landwehrpflicht charakteriſirt. Wäh-<lb/> rend bei der letzteren die aktive Dienſtpflicht nur <hi rendition="#aq">quoad exercitium</hi><lb/> ſuspendirt, die Wehrpflichtigen „beurlaubt“ ſind, gehören die Er-<lb/> ſatzreſerviſten nicht zum Heere, alſo auch nicht zum Beurlaubten-<lb/> ſtande; während die Reſerve- und Landwehrpflicht eine Fortſetzung<lb/> der aktiven <hi rendition="#g">Dienſtpflicht</hi> iſt, läßt ſich die Erſatzreſervepflicht<lb/> als die Fortſetzung der <hi rendition="#g">Militairp</hi>flicht bezeichnen. Andererſeits<lb/> enthält die Zuweiſung zur Erſatzreſerve zwar eine Befreiung von<lb/> der Einſtellung in das ſtehende Heer und von der militairiſchen<lb/> Ausbildung, aber keine Beendigung der Wehrpflicht; die Dienſt-<lb/> verpflichtung in der Erſatzreſerve iſt vielmehr eine beſondere Ge-<lb/> ſtaltung oder Differenzirung derſelben. Die eventuelle Dienſtpflicht<lb/> kann ſich in eine aktive verwandeln, wenn das Bedürfniß der<lb/> Heeresergänzung die Einberufung von Erſatzmannſchaften erfordert <note place="foot" n="2)">Nach einer dem Reichstage von 1874 vom Preuß. Kriegsminiſterinm<lb/> vorgelegten Berechnung beziffert ſich bei der Mobilmachung der Bedarf an<lb/> Mannſchaften für jedes Infanterie-Regiment mit Einſchluß der Erſatz- und<lb/> Landwehrbataillone auf 5600 Mann. Auf Grund der durch 12 Jahrgänge<lb/> fortgeſetzten Rekruten-Einſtellung ſind nach Abrechnung eines Abgangs von<lb/> 25 % und nach Hinzurechnung der Unteroffiziere des Friedensſtandes ꝛc. durch-<lb/> ſchnittlich circa 5300 Mann vorhanden. Die Differenz muß daher durch Ein-<lb/> ziehung von Mannſchaften aus der Erſatzreſerve für das Erſatzbataillon gedeckt<lb/> werden. Druckſ. des Reichst. <hi rendition="#aq">I</hi> Seſſ. 1874 Anlage zu Nro. 106 S. 20.</note>.</p><lb/> <p>Dieſem Begriffe entſpricht es, daß der Erſatzreſerve alle Per-<lb/> ſonen überwieſen werden, welche aus irgend einem Grunde nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0200]
§. 88. Die geſetzliche Wehrpflicht.
Bundesverfaſſung eine längere als 12jährige Geſammtdienſtzeit
geſetzlich beſtanden hat, iſt dieſelbe zunächſt aufrecht erhalten wor-
den; es iſt jedoch dem Kaiſer die Befugniß übertragen worden,
unter Berückſichtigung der Kriegsbereitſchaft des Reichsheeres die
Herabſetzung dieſer Verpflichtung auf das reichsgeſetzliche Maß
anzuordnen 1).
VI. Die Erſatzreſerve-Pflicht.
1. Begriff. Die Erſatzreſerve-Pflicht iſt eine eventuelle
Dienſtpflicht. Dadurch wird der Unterſchied derſelben ſowohl
gegenüber der definitiven Befreiung von der Dienſtpflicht als auch
gegenüber der Reſerve- oder Landwehrpflicht charakteriſirt. Wäh-
rend bei der letzteren die aktive Dienſtpflicht nur quoad exercitium
ſuspendirt, die Wehrpflichtigen „beurlaubt“ ſind, gehören die Er-
ſatzreſerviſten nicht zum Heere, alſo auch nicht zum Beurlaubten-
ſtande; während die Reſerve- und Landwehrpflicht eine Fortſetzung
der aktiven Dienſtpflicht iſt, läßt ſich die Erſatzreſervepflicht
als die Fortſetzung der Militairpflicht bezeichnen. Andererſeits
enthält die Zuweiſung zur Erſatzreſerve zwar eine Befreiung von
der Einſtellung in das ſtehende Heer und von der militairiſchen
Ausbildung, aber keine Beendigung der Wehrpflicht; die Dienſt-
verpflichtung in der Erſatzreſerve iſt vielmehr eine beſondere Ge-
ſtaltung oder Differenzirung derſelben. Die eventuelle Dienſtpflicht
kann ſich in eine aktive verwandeln, wenn das Bedürfniß der
Heeresergänzung die Einberufung von Erſatzmannſchaften erfordert 2).
Dieſem Begriffe entſpricht es, daß der Erſatzreſerve alle Per-
ſonen überwieſen werden, welche aus irgend einem Grunde nicht
1) R.V. Art. 59. W.G. §. 18. Dieſe Anordnungen ſind ergangen in
den Kabin.-Ordres vom 14. Mai 1868, 1. April 1869, 17. Februar 1870,
5. März 1871.
2) Nach einer dem Reichstage von 1874 vom Preuß. Kriegsminiſterinm
vorgelegten Berechnung beziffert ſich bei der Mobilmachung der Bedarf an
Mannſchaften für jedes Infanterie-Regiment mit Einſchluß der Erſatz- und
Landwehrbataillone auf 5600 Mann. Auf Grund der durch 12 Jahrgänge
fortgeſetzten Rekruten-Einſtellung ſind nach Abrechnung eines Abgangs von
25 % und nach Hinzurechnung der Unteroffiziere des Friedensſtandes ꝛc. durch-
ſchnittlich circa 5300 Mann vorhanden. Die Differenz muß daher durch Ein-
ziehung von Mannſchaften aus der Erſatzreſerve für das Erſatzbataillon gedeckt
werden. Druckſ. des Reichst. I Seſſ. 1874 Anlage zu Nro. 106 S. 20.
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