erster Reihe nach den Vorschriften des Reichsgesetzes vom 9. Juni 1871. Die Machtbefugniß des General-Gouverneurs, das in Elsaß- Lothringen geltende Recht durch Verordnungen umzugestalten, hörte mit dem 28. Juni 1871 auf.
II.Die Zeit vom 28. Juni 1871 bis zum 31. Dezember 1873.
Durch das Gesetz vom 9. Juni 1871 §. 3 ist dem Kaiser die Ausübung der Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen übertragen, mithin auch die Ausübung der Befugniß, Gesetze zu erlassen. Die Form, in welcher diese Befugniß ausgeübt werden mußte, war aber, so lange die Reichsverfassung in Elsaß-Lothringen nicht zur Wirksamkeit gelangte, eine von den Vorschriften der Reichsverfas- sung abweichende und ebenso ist das Verhältniß der auf Grund des Gesetzes vom 9. Juni 1871 für Elsaß-Lothringen erlassenen Gesetze zu den auf Grund der Reichsverfassung erlassenen Gesetzen ein anderes wie es im Uebrigen zwischen Landesgesetzen und Reichsgesetzen besteht. Im Einzelnen ist Folgendes zu bemerken:
1. Der Weg der Gesetzgebung. Derselbe besteht auch bei den für das Reichsland gegebenen Gesetzen aus der Feststellung des Gesetzentwurfs, der Sanction, Promulgation und Publikation.
a) Die Feststellung des Gesetzes-Inhaltes. Die wesentlichste Abweichung zwischen den durch die Reichsverfassung vorgeschriebenen und den durch das Gesetz vom 9. Juni 1871 an- geordneten Erfordernissen eines Gesetzes beruht in dem Ausschluß des Reichstages an der Beschlußfassung über den Gesetzent- wurf. Nur bei der Aufnahme von Anleihen oder der Uebernahme von Garantien für Elsaß und Lothringen, durch welche irgend eine Belastung des Reiches herbeigeführt wurde, war die Zu- stimmung des Reichstages erforderlich. Diese Ausnahme betrifft lediglich die Finanzwirthschaft des Reiches; Gesetze, welche der Landeskasse von Elsaß-Lothringen Verpflichtungen auferlegten, auch wenn sie die Aufnahme einer Anleihe zu Lasten derselben anord- neten, bedurften der Zustimmung des Reichstages nicht 1).
Dagegen war die Zustimmung des Bundesrathes
1) Eine Anwendung dieses Satzes enthält das Gesetz v. 10. Juni 1872 §. 20 fg. (G.-Bl. f. E.-L. S. 171.).
§. 62. Die Geſetzgebung für Elſaß-Lothringen.
erſter Reihe nach den Vorſchriften des Reichsgeſetzes vom 9. Juni 1871. Die Machtbefugniß des General-Gouverneurs, das in Elſaß- Lothringen geltende Recht durch Verordnungen umzugeſtalten, hörte mit dem 28. Juni 1871 auf.
II.Die Zeit vom 28. Juni 1871 bis zum 31. Dezember 1873.
Durch das Geſetz vom 9. Juni 1871 §. 3 iſt dem Kaiſer die Ausübung der Staatsgewalt in Elſaß-Lothringen übertragen, mithin auch die Ausübung der Befugniß, Geſetze zu erlaſſen. Die Form, in welcher dieſe Befugniß ausgeübt werden mußte, war aber, ſo lange die Reichsverfaſſung in Elſaß-Lothringen nicht zur Wirkſamkeit gelangte, eine von den Vorſchriften der Reichsverfaſ- ſung abweichende und ebenſo iſt das Verhältniß der auf Grund des Geſetzes vom 9. Juni 1871 für Elſaß-Lothringen erlaſſenen Geſetze zu den auf Grund der Reichsverfaſſung erlaſſenen Geſetzen ein anderes wie es im Uebrigen zwiſchen Landesgeſetzen und Reichsgeſetzen beſteht. Im Einzelnen iſt Folgendes zu bemerken:
1. Der Weg der Geſetzgebung. Derſelbe beſteht auch bei den für das Reichsland gegebenen Geſetzen aus der Feſtſtellung des Geſetzentwurfs, der Sanction, Promulgation und Publikation.
a) Die Feſtſtellung des Geſetzes-Inhaltes. Die weſentlichſte Abweichung zwiſchen den durch die Reichsverfaſſung vorgeſchriebenen und den durch das Geſetz vom 9. Juni 1871 an- geordneten Erforderniſſen eines Geſetzes beruht in dem Ausſchluß des Reichstages an der Beſchlußfaſſung über den Geſetzent- wurf. Nur bei der Aufnahme von Anleihen oder der Uebernahme von Garantien für Elſaß und Lothringen, durch welche irgend eine Belaſtung des Reiches herbeigeführt wurde, war die Zu- ſtimmung des Reichstages erforderlich. Dieſe Ausnahme betrifft lediglich die Finanzwirthſchaft des Reiches; Geſetze, welche der Landeskaſſe von Elſaß-Lothringen Verpflichtungen auferlegten, auch wenn ſie die Aufnahme einer Anleihe zu Laſten derſelben anord- neten, bedurften der Zuſtimmung des Reichstages nicht 1).
Dagegen war die Zuſtimmung des Bundesrathes
1) Eine Anwendung dieſes Satzes enthält das Geſetz v. 10. Juni 1872 §. 20 fg. (G.-Bl. f. E.-L. S. 171.).
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1871. Die Machtbefugniß des General-Gouverneurs, das in Elſaß-
Lothringen geltende Recht durch Verordnungen umzugeſtalten, hörte
mit dem 28. Juni 1871 auf.
II. Die Zeit vom 28. Juni 1871 bis zum 31. Dezember
1873.
Durch das Geſetz vom 9. Juni 1871 §. 3 iſt dem Kaiſer
die Ausübung der Staatsgewalt in Elſaß-Lothringen übertragen,
mithin auch die Ausübung der Befugniß, Geſetze zu erlaſſen. Die
Form, in welcher dieſe Befugniß ausgeübt werden mußte, war
aber, ſo lange die Reichsverfaſſung in Elſaß-Lothringen nicht zur
Wirkſamkeit gelangte, eine von den Vorſchriften der Reichsverfaſ-
ſung abweichende und ebenſo iſt das Verhältniß der auf Grund
des Geſetzes vom 9. Juni 1871 für Elſaß-Lothringen erlaſſenen
Geſetze zu den auf Grund der Reichsverfaſſung erlaſſenen Geſetzen
ein anderes wie es im Uebrigen zwiſchen Landesgeſetzen und
Reichsgeſetzen beſteht. Im Einzelnen iſt Folgendes zu bemerken:
1. Der Weg der Geſetzgebung. Derſelbe beſteht auch
bei den für das Reichsland gegebenen Geſetzen aus der Feſtſtellung
des Geſetzentwurfs, der Sanction, Promulgation und Publikation.
a) Die Feſtſtellung des Geſetzes-Inhaltes. Die
weſentlichſte Abweichung zwiſchen den durch die Reichsverfaſſung
vorgeſchriebenen und den durch das Geſetz vom 9. Juni 1871 an-
geordneten Erforderniſſen eines Geſetzes beruht in dem Ausſchluß
des Reichstages an der Beſchlußfaſſung über den Geſetzent-
wurf. Nur bei der Aufnahme von Anleihen oder der Uebernahme
von Garantien für Elſaß und Lothringen, durch welche irgend
eine Belaſtung des Reiches herbeigeführt wurde, war die Zu-
ſtimmung des Reichstages erforderlich. Dieſe Ausnahme betrifft
lediglich die Finanzwirthſchaft des Reiches; Geſetze, welche der
Landeskaſſe von Elſaß-Lothringen Verpflichtungen auferlegten, auch
wenn ſie die Aufnahme einer Anleihe zu Laſten derſelben anord-
neten, bedurften der Zuſtimmung des Reichstages nicht 1).
Dagegen war die Zuſtimmung des Bundesrathes
1) Eine Anwendung dieſes Satzes enthält das Geſetz v. 10. Juni 1872
§. 20 fg. (G.-Bl. f. E.-L. S. 171.).
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/140>, abgerufen am 03.03.2025.
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