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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfassung.

Die Reichsregierung ist ermächtigt, durch Staatsvertrag
mit ausländischen Staaten die zehnjährige Frist für Deutsche,
welche sich in einem Staate des Auslandes 1) mindestens fünf Jahre
lang ununterbrochen aufhalten, bis auf eine fünfjährige zu ver-
mindern 2). (§. 21 Abs. 3.)

IV. Durch einseitigen Rechtsact der Staatsregierung
kann die Staatsangehörigkeit entzogen werden in den bereits oben
erörterten Fällen des §. 20 und §. 22 des Ges. v. 1 Juni 1870 und
des Ges. v. 4. Mai 1874. (Siehe S. 145. 147 fg. 153.) Die Entzie-
hung erfolgt im Verwaltungswege durch einen Beschluß; competent
dazu ist nur die Centralbehörde, nicht wie bei der Ertheilung der
Entlassung auf Antrag die höhere Verwaltungsbehörde. Ueber die
Wiederverleihung der Staatsangehörigkeit an Personen,
denen dieselbe entzogen worden ist, bestimmt das Gesetz vom 1.
Juni 1870 Nichts. Dagegen enthält §. 4 des Ges. v. 4. Mai 1874
die Anordnung, daß Personen, welche nach den Vorschriften dieses
Gesetzes ihrer Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate verlustig
erklärt worden sind, ohne Genehmigung des Bundes-
raths in keinem Bundesstaate die Staatsangehö-
rigkeit von neuem erwerben
können. Sollen die §§. 20
und 22 des Ges. v. 1 Juni 1870 nicht illusorisch und wirkungs-
los sein, so muß dieses Prinzip auch auf diejenigen Personen aus-
gedehnt werden, welche nach Maaßgabe dieser Paragraphen ihre
Staatsangehörigkeit verloren haben. Durch die völlige Analogie
der Fälle könnte die extensive Interpretation des § 4 cit. gerecht-
fertigt erscheinen, wenn ihr nicht der Charakter des Gesetzes vom
4. Mai 1874 als eines Ausnahmegesetzes entgegen stände.

§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfassung.

Der Artikel 3 der Reichsverfassung stellt den Grundsatz an
die Spitze:

1) Nicht im Auslande schlechtweg, sondern in demselben Staate wäh-
rend der ganzen Frist.
2) Veranlassung hierzu war der Art. 1 des Vertrages mit Nordamerika
vom 22. Februar 1868 (G.-Bl. S. 228). Es sollte nicht nur dieser Vertrag
in Kraft bleiben, sondern der Reichsregierung auch die Möglichkeit gewährt
werden, ähnliche Verträge mit anderen Staaten zu schließen. Ueber diesen
Vertrag vgl. Thudichum S. 94 ff. und v. Martitz in Hirth's Annalen
1875 S. 827 ff.
§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung.

Die Reichsregierung iſt ermächtigt, durch Staatsvertrag
mit ausländiſchen Staaten die zehnjährige Friſt für Deutſche,
welche ſich in einem Staate des Auslandes 1) mindeſtens fünf Jahre
lang ununterbrochen aufhalten, bis auf eine fünfjährige zu ver-
mindern 2). (§. 21 Abſ. 3.)

IV. Durch einſeitigen Rechtsact der Staatsregierung
kann die Staatsangehörigkeit entzogen werden in den bereits oben
erörterten Fällen des §. 20 und §. 22 des Geſ. v. 1 Juni 1870 und
des Geſ. v. 4. Mai 1874. (Siehe S. 145. 147 fg. 153.) Die Entzie-
hung erfolgt im Verwaltungswege durch einen Beſchluß; competent
dazu iſt nur die Centralbehörde, nicht wie bei der Ertheilung der
Entlaſſung auf Antrag die höhere Verwaltungsbehörde. Ueber die
Wiederverleihung der Staatsangehörigkeit an Perſonen,
denen dieſelbe entzogen worden iſt, beſtimmt das Geſetz vom 1.
Juni 1870 Nichts. Dagegen enthält §. 4 des Geſ. v. 4. Mai 1874
die Anordnung, daß Perſonen, welche nach den Vorſchriften dieſes
Geſetzes ihrer Staatsangehörigkeit in einem Bundesſtaate verluſtig
erklärt worden ſind, ohne Genehmigung des Bundes-
raths in keinem Bundesſtaate die Staatsangehö-
rigkeit von neuem erwerben
können. Sollen die §§. 20
und 22 des Geſ. v. 1 Juni 1870 nicht illuſoriſch und wirkungs-
los ſein, ſo muß dieſes Prinzip auch auf diejenigen Perſonen aus-
gedehnt werden, welche nach Maaßgabe dieſer Paragraphen ihre
Staatsangehörigkeit verloren haben. Durch die völlige Analogie
der Fälle könnte die extenſive Interpretation des § 4 cit. gerecht-
fertigt erſcheinen, wenn ihr nicht der Charakter des Geſetzes vom
4. Mai 1874 als eines Ausnahmegeſetzes entgegen ſtände.

§. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung.

Der Artikel 3 der Reichsverfaſſung ſtellt den Grundſatz an
die Spitze:

1) Nicht im Auslande ſchlechtweg, ſondern in demſelben Staate wäh-
rend der ganzen Friſt.
2) Veranlaſſung hierzu war der Art. 1 des Vertrages mit Nordamerika
vom 22. Februar 1868 (G.-Bl. S. 228). Es ſollte nicht nur dieſer Vertrag
in Kraft bleiben, ſondern der Reichsregierung auch die Möglichkeit gewährt
werden, ähnliche Verträge mit anderen Staaten zu ſchließen. Ueber dieſen
Vertrag vgl. Thudichum S. 94 ff. und v. Martitz in Hirth’s Annalen
1875 S. 827 ff.
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[175/0195] §. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung. Die Reichsregierung iſt ermächtigt, durch Staatsvertrag mit ausländiſchen Staaten die zehnjährige Friſt für Deutſche, welche ſich in einem Staate des Auslandes 1) mindeſtens fünf Jahre lang ununterbrochen aufhalten, bis auf eine fünfjährige zu ver- mindern 2). (§. 21 Abſ. 3.) IV. Durch einſeitigen Rechtsact der Staatsregierung kann die Staatsangehörigkeit entzogen werden in den bereits oben erörterten Fällen des §. 20 und §. 22 des Geſ. v. 1 Juni 1870 und des Geſ. v. 4. Mai 1874. (Siehe S. 145. 147 fg. 153.) Die Entzie- hung erfolgt im Verwaltungswege durch einen Beſchluß; competent dazu iſt nur die Centralbehörde, nicht wie bei der Ertheilung der Entlaſſung auf Antrag die höhere Verwaltungsbehörde. Ueber die Wiederverleihung der Staatsangehörigkeit an Perſonen, denen dieſelbe entzogen worden iſt, beſtimmt das Geſetz vom 1. Juni 1870 Nichts. Dagegen enthält §. 4 des Geſ. v. 4. Mai 1874 die Anordnung, daß Perſonen, welche nach den Vorſchriften dieſes Geſetzes ihrer Staatsangehörigkeit in einem Bundesſtaate verluſtig erklärt worden ſind, ohne Genehmigung des Bundes- raths in keinem Bundesſtaate die Staatsangehö- rigkeit von neuem erwerben können. Sollen die §§. 20 und 22 des Geſ. v. 1 Juni 1870 nicht illuſoriſch und wirkungs- los ſein, ſo muß dieſes Prinzip auch auf diejenigen Perſonen aus- gedehnt werden, welche nach Maaßgabe dieſer Paragraphen ihre Staatsangehörigkeit verloren haben. Durch die völlige Analogie der Fälle könnte die extenſive Interpretation des § 4 cit. gerecht- fertigt erſcheinen, wenn ihr nicht der Charakter des Geſetzes vom 4. Mai 1874 als eines Ausnahmegeſetzes entgegen ſtände. §. 19. Das Indigenat des Art. 3 der Reichsverfaſſung. Der Artikel 3 der Reichsverfaſſung ſtellt den Grundſatz an die Spitze: 1) Nicht im Auslande ſchlechtweg, ſondern in demſelben Staate wäh- rend der ganzen Friſt. 2) Veranlaſſung hierzu war der Art. 1 des Vertrages mit Nordamerika vom 22. Februar 1868 (G.-Bl. S. 228). Es ſollte nicht nur dieſer Vertrag in Kraft bleiben, ſondern der Reichsregierung auch die Möglichkeit gewährt werden, ähnliche Verträge mit anderen Staaten zu ſchließen. Ueber dieſen Vertrag vgl. Thudichum S. 94 ff. und v. Martitz in Hirth’s Annalen 1875 S. 827 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/195>, abgerufen am 21.11.2024.