Schwan, kleb' an! sagte Bettelmelcher pfiffig lächelnd zu Christia¬ nus, als Jener mit der schwarzen Christine den Waldversteck verließ, wo die sogenannte Gesellschaft lagerte. Die Bande hatte das Lager im Walde unter dem Hohenstaufen nicht mehr sicher gefunden und sich tiefer in die Wälder zurückgezogen. Christianus nickte und lächelte ebenfalls.
Die Beiden gingen zusammen fort, während Jedes gegen das Andre that, als ob es nur zufällig um diese Zeit und nach dieser Richtung aufgebrochen wäre. Auch sprachen sie lange nichts mit ein¬ ander, bis endlich Friedrich, als es ihm schien, die Zigeunerin trachte nach einem andern Wege abzubiegen, das Stillschweigen brach. Gelt, sagte er, dich hat's erzürnt, daß ich deine Schwester brav zerpeitscht habe?
Bewahre, antwortete sie lachend, daran hast du ganz Recht gethan. Du mußt's ihr aber nicht nachtragen, daß sie dich bei der Vertheilung betrogen hat. Weißt, zuerst hat sie dich ganz haben wollen, und nun ihr dies mißglückt ist, hat sie sich auf andere Weise an dir schadlos zu halten gesucht. Uebrigens thust du gut die Augen immer offen zu haben, denn es ist nicht Alles Gold, was glänzt.
Du auch?
Ich glänze ja nicht, ich bin dunkel. Meine Schwester glänzt, aber ich bin ihr nicht gram drum. Doch muß ich immer denken, daß sie gut zu dir passen würde, denn du hast ein feines weißes Gesicht, wie sie.
Sehr verbunden! Aber sie kommt mir vor wie die liebe Sonne, die offenbaret ihr Feuer bald und scheinet über Gerechte und Un¬ gerechte.
Sie lachte. Darin sind doch die deutschen Männer alle einander gleich, sagte sie, daß sie von einem Weib verlangen, sie solle immer zu Boden schauen, wie wenn sie nicht auch von Fleisch und Blut wäre. Freie Augen wollen sie keinem Weib verstatten, die wollen sie für sich allein behalten. Du Narr, ich kann auch frech sein, frecher
34.
Schwan, kleb' an! ſagte Bettelmelcher pfiffig lächelnd zu Chriſtia¬ nus, als Jener mit der ſchwarzen Chriſtine den Waldverſteck verließ, wo die ſogenannte Geſellſchaft lagerte. Die Bande hatte das Lager im Walde unter dem Hohenſtaufen nicht mehr ſicher gefunden und ſich tiefer in die Wälder zurückgezogen. Chriſtianus nickte und lächelte ebenfalls.
Die Beiden gingen zuſammen fort, während Jedes gegen das Andre that, als ob es nur zufällig um dieſe Zeit und nach dieſer Richtung aufgebrochen wäre. Auch ſprachen ſie lange nichts mit ein¬ ander, bis endlich Friedrich, als es ihm ſchien, die Zigeunerin trachte nach einem andern Wege abzubiegen, das Stillſchweigen brach. Gelt, ſagte er, dich hat's erzürnt, daß ich deine Schweſter brav zerpeitſcht habe?
Bewahre, antwortete ſie lachend, daran haſt du ganz Recht gethan. Du mußt's ihr aber nicht nachtragen, daß ſie dich bei der Vertheilung betrogen hat. Weißt, zuerſt hat ſie dich ganz haben wollen, und nun ihr dies mißglückt iſt, hat ſie ſich auf andere Weiſe an dir ſchadlos zu halten geſucht. Uebrigens thuſt du gut die Augen immer offen zu haben, denn es iſt nicht Alles Gold, was glänzt.
Du auch?
Ich glänze ja nicht, ich bin dunkel. Meine Schweſter glänzt, aber ich bin ihr nicht gram drum. Doch muß ich immer denken, daß ſie gut zu dir paſſen würde, denn du haſt ein feines weißes Geſicht, wie ſie.
Sehr verbunden! Aber ſie kommt mir vor wie die liebe Sonne, die offenbaret ihr Feuer bald und ſcheinet über Gerechte und Un¬ gerechte.
Sie lachte. Darin ſind doch die deutſchen Männer alle einander gleich, ſagte ſie, daß ſie von einem Weib verlangen, ſie ſolle immer zu Boden ſchauen, wie wenn ſie nicht auch von Fleiſch und Blut wäre. Freie Augen wollen ſie keinem Weib verſtatten, die wollen ſie für ſich allein behalten. Du Narr, ich kann auch frech ſein, frecher
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0427"n="411"/></div><divn="1"><head>34.<lb/></head><p>Schwan, kleb' an! ſagte Bettelmelcher pfiffig lächelnd zu Chriſtia¬<lb/>
nus, als Jener mit der ſchwarzen Chriſtine den Waldverſteck verließ,<lb/>
wo die ſogenannte Geſellſchaft lagerte. Die Bande hatte das Lager<lb/>
im Walde unter dem Hohenſtaufen nicht mehr ſicher gefunden und<lb/>ſich tiefer in die Wälder zurückgezogen.<lb/>
Chriſtianus nickte und lächelte ebenfalls.</p><lb/><p>Die Beiden gingen zuſammen fort, während Jedes gegen das<lb/>
Andre that, als ob es nur zufällig um dieſe Zeit und nach dieſer<lb/>
Richtung aufgebrochen wäre. Auch ſprachen ſie lange nichts mit ein¬<lb/>
ander, bis endlich Friedrich, als es ihm ſchien, die Zigeunerin trachte<lb/>
nach einem andern Wege abzubiegen, das Stillſchweigen brach. Gelt,<lb/>ſagte er, dich hat's erzürnt, daß ich deine Schweſter brav zerpeitſcht<lb/>
habe?</p><lb/><p>Bewahre, antwortete ſie lachend, daran haſt du ganz Recht gethan.<lb/>
Du mußt's ihr aber nicht nachtragen, daß ſie dich bei der Vertheilung<lb/>
betrogen hat. Weißt, zuerſt hat ſie dich ganz haben wollen, und nun<lb/>
ihr dies mißglückt iſt, hat ſie ſich auf andere Weiſe an dir ſchadlos<lb/>
zu halten geſucht. Uebrigens thuſt du gut die Augen immer offen zu<lb/>
haben, denn es iſt nicht Alles Gold, was glänzt.</p><lb/><p>Du auch?</p><lb/><p>Ich glänze ja nicht, ich bin dunkel. Meine Schweſter glänzt, aber<lb/>
ich bin ihr nicht gram drum. Doch muß ich immer denken, daß ſie<lb/>
gut zu dir paſſen würde, denn du haſt ein feines weißes Geſicht, wie ſie.</p><lb/><p>Sehr verbunden! Aber ſie kommt mir vor wie die liebe Sonne,<lb/>
die offenbaret ihr Feuer bald und ſcheinet über Gerechte und Un¬<lb/>
gerechte.</p><lb/><p>Sie lachte. Darin ſind doch die deutſchen Männer alle einander<lb/>
gleich, ſagte ſie, daß ſie von einem Weib verlangen, ſie ſolle immer<lb/>
zu Boden ſchauen, wie wenn ſie nicht auch von Fleiſch und Blut<lb/>
wäre. Freie Augen wollen ſie keinem Weib verſtatten, die wollen ſie<lb/>
für ſich allein behalten. Du Narr, ich kann auch frech ſein, frecher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[411/0427]
34.
Schwan, kleb' an! ſagte Bettelmelcher pfiffig lächelnd zu Chriſtia¬
nus, als Jener mit der ſchwarzen Chriſtine den Waldverſteck verließ,
wo die ſogenannte Geſellſchaft lagerte. Die Bande hatte das Lager
im Walde unter dem Hohenſtaufen nicht mehr ſicher gefunden und
ſich tiefer in die Wälder zurückgezogen.
Chriſtianus nickte und lächelte ebenfalls.
Die Beiden gingen zuſammen fort, während Jedes gegen das
Andre that, als ob es nur zufällig um dieſe Zeit und nach dieſer
Richtung aufgebrochen wäre. Auch ſprachen ſie lange nichts mit ein¬
ander, bis endlich Friedrich, als es ihm ſchien, die Zigeunerin trachte
nach einem andern Wege abzubiegen, das Stillſchweigen brach. Gelt,
ſagte er, dich hat's erzürnt, daß ich deine Schweſter brav zerpeitſcht
habe?
Bewahre, antwortete ſie lachend, daran haſt du ganz Recht gethan.
Du mußt's ihr aber nicht nachtragen, daß ſie dich bei der Vertheilung
betrogen hat. Weißt, zuerſt hat ſie dich ganz haben wollen, und nun
ihr dies mißglückt iſt, hat ſie ſich auf andere Weiſe an dir ſchadlos
zu halten geſucht. Uebrigens thuſt du gut die Augen immer offen zu
haben, denn es iſt nicht Alles Gold, was glänzt.
Du auch?
Ich glänze ja nicht, ich bin dunkel. Meine Schweſter glänzt, aber
ich bin ihr nicht gram drum. Doch muß ich immer denken, daß ſie
gut zu dir paſſen würde, denn du haſt ein feines weißes Geſicht, wie ſie.
Sehr verbunden! Aber ſie kommt mir vor wie die liebe Sonne,
die offenbaret ihr Feuer bald und ſcheinet über Gerechte und Un¬
gerechte.
Sie lachte. Darin ſind doch die deutſchen Männer alle einander
gleich, ſagte ſie, daß ſie von einem Weib verlangen, ſie ſolle immer
zu Boden ſchauen, wie wenn ſie nicht auch von Fleiſch und Blut
wäre. Freie Augen wollen ſie keinem Weib verſtatten, die wollen ſie
für ſich allein behalten. Du Narr, ich kann auch frech ſein, frecher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/427>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.