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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Während sie so mit einander redeten, führte der Gegenstand ihrer
Gespräche Christinen nach dem Hofe, wo er ihr einen Aufenthalt ver¬
schafft hatte. Er wußte sie unterwegs nothdürftig über die Gesellschaft,
in der sie ihn getroffen, zu beruhigen, was ihm diesmal leichter ge¬
lang, weil die Aussicht, endlich sein rechtmäßiges Weib zu werden,
in ihr alles Andere überwog. Auch ihm gab dieser Gedanke neue
Schwungkraft: er konnte endlich sein Wort halten, seinen Willen durch¬
setzen. Aber freilich, um welchen Preis!


33.

Querfeldein über Berg und Thal schweifend, pilgerte gleich am
nächsten Tage das schon so lange verbundene und immer noch nach
dem Segen der Kirche dürstende Paar dem Kocherthale zu, in dessen
Umgebung ihm sein Wunsch erfüllt werden sollte. Wem man aber
gesagt hätte, daß die Beiden auf einem Brautgang begriffen seien, der
würde sie verwundert angeschaut haben: der Hochzeiter war, wenn
auch sein Gesicht von den Mühseligkeiten des Lebens zeugte, in der
Blüthe der Mannesjahre und schritt im blauen Rock, im roth, blau
und grün gestreiften kalaminkenen Brusttuch (Weste), in den schwar¬
zen Lederbeinkleidern, weißen Strümpfen und neuen Schuhen mit
blanken stählernen Schnallen gar stattlich einher, während aus der
verschossenen, von Hause aus farblosen und ärmlichen Bauerntracht
der Hochzeiterin ein verblühtes, müdes Gesicht hervorsah. Bald
waren sie wieder auf dem Rückwege von Thüngenthal, denn so
schreibt sich der Name des Ortes, den der eigensinnige Volksmund in
Dinkeltheim verwandelt hat, gleichwie ihm umgekehrt die Residenz des
deutschen Ordens, welche Mergentheim geschrieben wird, zu einem
Mergenthal geworden ist. Am Abend des ersten Tages, da sie wieder
in der Richtung nach der Rems wanderten, kehrten sie in einem
Dorfwirthshause ein, um daselbst über Nacht zu bleiben. Sie waren
die einzigen Gäste in der Wirthsstube, wo der Wirth ab und zuging;
im Cabinet saßen drei geistliche Herren, die mit einander tranken und

Während ſie ſo mit einander redeten, führte der Gegenſtand ihrer
Geſpräche Chriſtinen nach dem Hofe, wo er ihr einen Aufenthalt ver¬
ſchafft hatte. Er wußte ſie unterwegs nothdürftig über die Geſellſchaft,
in der ſie ihn getroffen, zu beruhigen, was ihm diesmal leichter ge¬
lang, weil die Ausſicht, endlich ſein rechtmäßiges Weib zu werden,
in ihr alles Andere überwog. Auch ihm gab dieſer Gedanke neue
Schwungkraft: er konnte endlich ſein Wort halten, ſeinen Willen durch¬
ſetzen. Aber freilich, um welchen Preis!


33.

Querfeldein über Berg und Thal ſchweifend, pilgerte gleich am
nächſten Tage das ſchon ſo lange verbundene und immer noch nach
dem Segen der Kirche dürſtende Paar dem Kocherthale zu, in deſſen
Umgebung ihm ſein Wunſch erfüllt werden ſollte. Wem man aber
geſagt hätte, daß die Beiden auf einem Brautgang begriffen ſeien, der
würde ſie verwundert angeſchaut haben: der Hochzeiter war, wenn
auch ſein Geſicht von den Mühſeligkeiten des Lebens zeugte, in der
Blüthe der Mannesjahre und ſchritt im blauen Rock, im roth, blau
und grün geſtreiften kalaminkenen Bruſttuch (Weſte), in den ſchwar¬
zen Lederbeinkleidern, weißen Strümpfen und neuen Schuhen mit
blanken ſtählernen Schnallen gar ſtattlich einher, während aus der
verſchoſſenen, von Hauſe aus farbloſen und ärmlichen Bauerntracht
der Hochzeiterin ein verblühtes, müdes Geſicht hervorſah. Bald
waren ſie wieder auf dem Rückwege von Thüngenthal, denn ſo
ſchreibt ſich der Name des Ortes, den der eigenſinnige Volksmund in
Dinkeltheim verwandelt hat, gleichwie ihm umgekehrt die Reſidenz des
deutſchen Ordens, welche Mergentheim geſchrieben wird, zu einem
Mergenthal geworden iſt. Am Abend des erſten Tages, da ſie wieder
in der Richtung nach der Rems wanderten, kehrten ſie in einem
Dorfwirthshauſe ein, um daſelbſt über Nacht zu bleiben. Sie waren
die einzigen Gäſte in der Wirthsſtube, wo der Wirth ab und zuging;
im Cabinet ſaßen drei geiſtliche Herren, die mit einander tranken und

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[394/0410] Während ſie ſo mit einander redeten, führte der Gegenſtand ihrer Geſpräche Chriſtinen nach dem Hofe, wo er ihr einen Aufenthalt ver¬ ſchafft hatte. Er wußte ſie unterwegs nothdürftig über die Geſellſchaft, in der ſie ihn getroffen, zu beruhigen, was ihm diesmal leichter ge¬ lang, weil die Ausſicht, endlich ſein rechtmäßiges Weib zu werden, in ihr alles Andere überwog. Auch ihm gab dieſer Gedanke neue Schwungkraft: er konnte endlich ſein Wort halten, ſeinen Willen durch¬ ſetzen. Aber freilich, um welchen Preis! 33. Querfeldein über Berg und Thal ſchweifend, pilgerte gleich am nächſten Tage das ſchon ſo lange verbundene und immer noch nach dem Segen der Kirche dürſtende Paar dem Kocherthale zu, in deſſen Umgebung ihm ſein Wunſch erfüllt werden ſollte. Wem man aber geſagt hätte, daß die Beiden auf einem Brautgang begriffen ſeien, der würde ſie verwundert angeſchaut haben: der Hochzeiter war, wenn auch ſein Geſicht von den Mühſeligkeiten des Lebens zeugte, in der Blüthe der Mannesjahre und ſchritt im blauen Rock, im roth, blau und grün geſtreiften kalaminkenen Bruſttuch (Weſte), in den ſchwar¬ zen Lederbeinkleidern, weißen Strümpfen und neuen Schuhen mit blanken ſtählernen Schnallen gar ſtattlich einher, während aus der verſchoſſenen, von Hauſe aus farbloſen und ärmlichen Bauerntracht der Hochzeiterin ein verblühtes, müdes Geſicht hervorſah. Bald waren ſie wieder auf dem Rückwege von Thüngenthal, denn ſo ſchreibt ſich der Name des Ortes, den der eigenſinnige Volksmund in Dinkeltheim verwandelt hat, gleichwie ihm umgekehrt die Reſidenz des deutſchen Ordens, welche Mergentheim geſchrieben wird, zu einem Mergenthal geworden iſt. Am Abend des erſten Tages, da ſie wieder in der Richtung nach der Rems wanderten, kehrten ſie in einem Dorfwirthshauſe ein, um daſelbſt über Nacht zu bleiben. Sie waren die einzigen Gäſte in der Wirthsſtube, wo der Wirth ab und zuging; im Cabinet ſaßen drei geiſtliche Herren, die mit einander tranken und

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/410>, abgerufen am 21.11.2024.