und machte mit Schüchternheit, wie es schien, einen Versuch, dem Fremden das Geleite zu geben. Unter der Thüre ergriff er ver¬ stohlen die Hand desselben und flüsterte mit bewegter Stimme: Ich danke Ihnen für dieses deutsche Wort!
Zweites Kapitel.
Im Nachdenken über diese Scene bestieg Moorfeld eine Miethka¬ lesche und fuhr jetzt der Adresse seines newyorker Absteigequartiers zu. Wer mochte der junge blonde Mann sein, der mit seinem germanischen Bart, seiner vollen Studentenlocke, seiner breiten Brust und trutzigen Stirn ihm so mädchenhaft-schüchtern nachgeschlichen und zugestammelt? Ein Eingewanderter natürlich. Einer jener deutschen Taglöhner der Weltgeschichte, welche auf der ganzen Erde überall am Kulturleben mitarbeiten, aber selten auf eigenen Namen und nie auf den ihrer Nation. Moorfeld nahm seinen Ausfall auf Mr. Mockingbird's Frank¬ lin längst wieder zurück; er hätte sich gerne Unrecht gegeben, daß er mit idealistischer Einseitigkeit gegen das erste Stück hiesigen Volkslebens so vorschnell abgesprochen: aber da stiehlt sich eine warme Hand in die seinige, ein kummervoller Märtyrerblick trifft ihn, und das Wort seiner Uebereilung bestätigt ihm, wie es scheint, die Erfahrung. Ein unwillkommenes Rechthaben! Moorfeld suchte sich mit Gewalt in den schönen Flug seiner Erstlingsstimmung wieder zurückzuwerfen. Er er¬ gab sich mit allen Sinnen wieder dem Ungeheuer eines Straßenlebens, das das europäische übertraf, wie ein Redoutensaal einen Latrappisten¬ kreuzgang. Er sah und hörte zu seiner Kalesche hinaus, er bemühte sich neugierig zu sein und zu erstaunen. Umsonst. Er bekam seine Stimmung nicht mehr in seine Willkür und durch all das fluthende Lärmen um ihn her verfolgte ihn der halberstickte Flüsterton: "Ich danke Ihnen für dieses deutsche Wort."
Endlich ragte eine lange Reihe von Mastbäumen die Straße herauf, welche der Kutscher eingeschlagen hatte; ein blauer Wasserstreif dunkelte
und machte mit Schüchternheit, wie es ſchien, einen Verſuch, dem Fremden das Geleite zu geben. Unter der Thüre ergriff er ver¬ ſtohlen die Hand desſelben und flüſterte mit bewegter Stimme: Ich danke Ihnen für dieſes deutſche Wort!
Zweites Kapitel.
Im Nachdenken über dieſe Scene beſtieg Moorfeld eine Miethka¬ leſche und fuhr jetzt der Adreſſe ſeines newyorker Abſteigequartiers zu. Wer mochte der junge blonde Mann ſein, der mit ſeinem germaniſchen Bart, ſeiner vollen Studentenlocke, ſeiner breiten Bruſt und trutzigen Stirn ihm ſo mädchenhaft-ſchüchtern nachgeſchlichen und zugeſtammelt? Ein Eingewanderter natürlich. Einer jener deutſchen Taglöhner der Weltgeſchichte, welche auf der ganzen Erde überall am Kulturleben mitarbeiten, aber ſelten auf eigenen Namen und nie auf den ihrer Nation. Moorfeld nahm ſeinen Ausfall auf Mr. Mockingbird's Frank¬ lin längſt wieder zurück; er hätte ſich gerne Unrecht gegeben, daß er mit idealiſtiſcher Einſeitigkeit gegen das erſte Stück hieſigen Volkslebens ſo vorſchnell abgeſprochen: aber da ſtiehlt ſich eine warme Hand in die ſeinige, ein kummervoller Märtyrerblick trifft ihn, und das Wort ſeiner Uebereilung beſtätigt ihm, wie es ſcheint, die Erfahrung. Ein unwillkommenes Rechthaben! Moorfeld ſuchte ſich mit Gewalt in den ſchönen Flug ſeiner Erſtlingsſtimmung wieder zurückzuwerfen. Er er¬ gab ſich mit allen Sinnen wieder dem Ungeheuer eines Straßenlebens, das das europäiſche übertraf, wie ein Redoutenſaal einen Latrappiſten¬ kreuzgang. Er ſah und hörte zu ſeiner Kaleſche hinaus, er bemühte ſich neugierig zu ſein und zu erſtaunen. Umſonſt. Er bekam ſeine Stimmung nicht mehr in ſeine Willkür und durch all das fluthende Lärmen um ihn her verfolgte ihn der halberſtickte Flüſterton: „Ich danke Ihnen für dieſes deutſche Wort.“
Endlich ragte eine lange Reihe von Maſtbäumen die Straße herauf, welche der Kutſcher eingeſchlagen hatte; ein blauer Waſſerſtreif dunkelte
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und machte mit Schüchternheit, wie es ſchien, einen Verſuch, dem
Fremden das Geleite zu geben. Unter der Thüre ergriff er ver¬
ſtohlen die Hand desſelben und flüſterte mit bewegter Stimme: Ich
danke Ihnen für dieſes deutſche Wort!
Zweites Kapitel.
Im Nachdenken über dieſe Scene beſtieg Moorfeld eine Miethka¬
leſche und fuhr jetzt der Adreſſe ſeines newyorker Abſteigequartiers zu.
Wer mochte der junge blonde Mann ſein, der mit ſeinem germaniſchen
Bart, ſeiner vollen Studentenlocke, ſeiner breiten Bruſt und trutzigen
Stirn ihm ſo mädchenhaft-ſchüchtern nachgeſchlichen und zugeſtammelt?
Ein Eingewanderter natürlich. Einer jener deutſchen Taglöhner der
Weltgeſchichte, welche auf der ganzen Erde überall am Kulturleben
mitarbeiten, aber ſelten auf eigenen Namen und nie auf den ihrer
Nation. Moorfeld nahm ſeinen Ausfall auf Mr. Mockingbird's Frank¬
lin längſt wieder zurück; er hätte ſich gerne Unrecht gegeben, daß er
mit idealiſtiſcher Einſeitigkeit gegen das erſte Stück hieſigen Volkslebens
ſo vorſchnell abgeſprochen: aber da ſtiehlt ſich eine warme Hand in
die ſeinige, ein kummervoller Märtyrerblick trifft ihn, und das Wort
ſeiner Uebereilung beſtätigt ihm, wie es ſcheint, die Erfahrung. Ein
unwillkommenes Rechthaben! Moorfeld ſuchte ſich mit Gewalt in den
ſchönen Flug ſeiner Erſtlingsſtimmung wieder zurückzuwerfen. Er er¬
gab ſich mit allen Sinnen wieder dem Ungeheuer eines Straßenlebens,
das das europäiſche übertraf, wie ein Redoutenſaal einen Latrappiſten¬
kreuzgang. Er ſah und hörte zu ſeiner Kaleſche hinaus, er bemühte
ſich neugierig zu ſein und zu erſtaunen. Umſonſt. Er bekam ſeine
Stimmung nicht mehr in ſeine Willkür und durch all das fluthende
Lärmen um ihn her verfolgte ihn der halberſtickte Flüſterton: „Ich
danke Ihnen für dieſes deutſche Wort.“
Endlich ragte eine lange Reihe von Maſtbäumen die Straße herauf,
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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