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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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Die Kriegszeit 1870/1871

Der Krieg war noch nicht erklärt. Ich hatte Sonntags Nachmittags eben die Christenlehre beendet, als ein Zug preuss. Ulanen feldmarschmässig ausgerüstet am Pfarrhause vorüberritt, den Elsterstein besetzte und Patrouillendienst einrichtete. Kein Zweifel, der Krieg war da. Wir, die wir nur 3 Stunden von der französischen Gränze und dazu an der Kaiserstrasse von Mainz nach Paris wohnten, mussten uns darauf gefasst machen, dass sich das Kriegsungewitter mit voller Wucht über uns entladen, unter Umständen hin- und herziehend mehrfach und lange über uns entladen werde. Wir schafften von Vorräthen ins Haus, was irgend zu bekommen war und wir thaten wohl daran, denn in kurzer Zeit waren alle Läden ausverkauft. Dauervorräthe von geröstetem Brode und Rauchfleisch wurden an verschiedenen, sicher scheinenden Plätzen versteckt, Werthsachen wurden bei Seite geschafft, theilweise vergraben, das Haus auf grössere Einquartierung eingerichtet. Vor allem wurde der Muth gestärkt, den kommenden Ereignissen getrost entgegen zu gehen.

Wir hofften zu Gott, dass der Sieg, wenn auch nach schwerem Ringen, dem Deutschen Heere zufallen werde. Dass man in Frankreich nicht ganz siegesgewiss war, im Gegentheil eine Niederlage fürchtete, zeigte mir zu meinem Troste folgender kleine Vorfall an: am Tage der Kriegserklärung sah ich den Wagen der Sulzbacher Glashütte In raschestem Laufe von Schnappach her kommen, sprang auf die Strasse und fragte den darin sitzenden Hüttenbeamten, wohin des Wegs und warum die Eile? Er gab die Auskunft, dass er die Werthe des Geschäftes nach Mannheim zu bringen habe. Nun war der Haupteigenthümer der Sulzbacher Glashütte Herr Chevandris de Valdrome, der im Amte befindliche Handelsminister Napoleons. Und dieser liess die Werthe des Geschäftes nicht nach Paris oder Frankreich, sondern nach Mannheim auf Deutschen Boden jenseits des Rheins bringen! Er rechnete demnach darauf, der Krieg werde auf französischem Boden ausgefochten werden und Deutschland in Sicherheit bleiben.

Die Kriegszeit 1870/1871

Der Krieg war noch nicht erklärt. Ich hatte Sonntags Nachmittags eben die Christenlehre beendet, als ein Zug preuss. Ulanen feldmarschmässig ausgerüstet am Pfarrhause vorüberritt, den Elsterstein besetzte und Patrouillendienst einrichtete. Kein Zweifel, der Krieg war da. Wir, die wir nur 3 Stunden von der französischen Gränze und dazu an der Kaiserstrasse von Mainz nach Paris wohnten, mussten uns darauf gefasst machen, dass sich das Kriegsungewitter mit voller Wucht über uns entladen, unter Umständen hin- und herziehend mehrfach und lange über uns entladen werde. Wir schafften von Vorräthen ins Haus, was irgend zu bekommen war und wir thaten wohl daran, denn in kurzer Zeit waren alle Läden ausverkauft. Dauervorräthe von geröstetem Brode und Rauchfleisch wurden an verschiedenen, sicher scheinenden Plätzen versteckt, Werthsachen wurden bei Seite geschafft, theilweise vergraben, das Haus auf grössere Einquartierung eingerichtet. Vor allem wurde der Muth gestärkt, den kommenden Ereignissen getrost entgegen zu gehen.

Wir hofften zu Gott, dass der Sieg, wenn auch nach schwerem Ringen, dem Deutschen Heere zufallen werde. Dass man in Frankreich nicht ganz siegesgewiss war, im Gegentheil eine Niederlage fürchtete, zeigte mir zu meinem Troste folgender kleine Vorfall an: am Tage der Kriegserklärung sah ich den Wagen der Sulzbacher Glashütte In raschestem Laufe von Schnappach her kommen, sprang auf die Strasse und fragte den darin sitzenden Hüttenbeamten, wohin des Wegs und warum die Eile? Er gab die Auskunft, dass er die Werthe des Geschäftes nach Mannheim zu bringen habe. Nun war der Haupteigenthümer der Sulzbacher Glashütte Herr Chevandris de Valdrome, der im Amte befindliche Handelsminister Napoleons. Und dieser liess die Werthe des Geschäftes nicht nach Paris oder Frankreich, sondern nach Mannheim auf Deutschen Boden jenseits des Rheins bringen! Er rechnete demnach darauf, der Krieg werde auf französischem Boden ausgefochten werden und Deutschland in Sicherheit bleiben.

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[89/0089] Die Kriegszeit 1870/1871 Der Krieg war noch nicht erklärt. Ich hatte Sonntags Nachmittags eben die Christenlehre beendet, als ein Zug preuss. Ulanen feldmarschmässig ausgerüstet am Pfarrhause vorüberritt, den Elsterstein besetzte und Patrouillendienst einrichtete. Kein Zweifel, der Krieg war da. Wir, die wir nur 3 Stunden von der französischen Gränze und dazu an der Kaiserstrasse von Mainz nach Paris wohnten, mussten uns darauf gefasst machen, dass sich das Kriegsungewitter mit voller Wucht über uns entladen, unter Umständen hin- und herziehend mehrfach und lange über uns entladen werde. Wir schafften von Vorräthen ins Haus, was irgend zu bekommen war und wir thaten wohl daran, denn in kurzer Zeit waren alle Läden ausverkauft. Dauervorräthe von geröstetem Brode und Rauchfleisch wurden an verschiedenen, sicher scheinenden Plätzen versteckt, Werthsachen wurden bei Seite geschafft, theilweise vergraben, das Haus auf grössere Einquartierung eingerichtet. Vor allem wurde der Muth gestärkt, den kommenden Ereignissen getrost entgegen zu gehen. Wir hofften zu Gott, dass der Sieg, wenn auch nach schwerem Ringen, dem Deutschen Heere zufallen werde. Dass man in Frankreich nicht ganz siegesgewiss war, im Gegentheil eine Niederlage fürchtete, zeigte mir zu meinem Troste folgender kleine Vorfall an: am Tage der Kriegserklärung sah ich den Wagen der Sulzbacher Glashütte In raschestem Laufe von Schnappach her kommen, sprang auf die Strasse und fragte den darin sitzenden Hüttenbeamten, wohin des Wegs und warum die Eile? Er gab die Auskunft, dass er die Werthe des Geschäftes nach Mannheim zu bringen habe. Nun war der Haupteigenthümer der Sulzbacher Glashütte Herr Chevandris de Valdrome, der im Amte befindliche Handelsminister Napoleons. Und dieser liess die Werthe des Geschäftes nicht nach Paris oder Frankreich, sondern nach Mannheim auf Deutschen Boden jenseits des Rheins bringen! Er rechnete demnach darauf, der Krieg werde auf französischem Boden ausgefochten werden und Deutschland in Sicherheit bleiben.

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/89>, abgerufen am 21.11.2024.