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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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neuerlichen Anwachsen der Zahlen geführt. Bei 10 mit mässiger
initialer Erregbarkeit steigt dieselbe bald etwas an, sinkt aber dann
bedeutend; auch hier ist der letzte kurze Werth wol nur als vorüber-
gehende Schwankung anzusehen. Derselbe Gang vollzieht sich, aber
viel langsamer, in der Reihe 7: allmähliches Steigen der anfänglich
geringen Erregbarkeit und dann ebenso allmähliches Sinken. Im
letzten Versuche 17 sind die Schwankungen zu gering, um überhaupt
eine bestimmte Deutung zuzulassen. Bedenkt man, dass die Dis-
position nicht die einzige bestimmende Ursache für den Verlauf der
Associationsreihe ist, sondern noch mannigfache Zufälle, unberechen-
bare äussere Störungen u. dgl. mit hineinspielen, so ist in den 3 für diese
Betrachtung überhaupt einigermassen verwerthbaren Versuchen eine
Andeutung der Beziehungen zwischen anfänglicher Erregbarkeit und
Ermüdbarkeit immerhin erkennbar: je grösser bei gleichartiger Arbeit
und gleichem Uebungsgrade die Anfangsleistung, um so rascher machen
sich Ermüdungserscheinungen geltend.

Es wäre daher sehr wol denkbar, dass auch in den Theeversuchen
die Einflüsse der augenblicklichen Disposition eine ähnliche Rolle gespielt
hätten. In den Versuchen mit rasch auftretender Verkürzung (11, 16
und allenfalls 8) würde es sich dann nicht um die Einwirkung eines in-
tensiveren Reizes, sondern um eine von vornherein grössere Erregbarkeit
gehandelt haben, welche bei gleicher Reizstärke ein früheres Auftreten
der Verkürzung, aber auch der secundären Ermüdung herbeiführte.
Im Versuche 14 dagegen wäre die anfängliche Erregbarkeit gering und
sogar zunächst noch im Sinken begriffen gewesen, bis sich endlich der
Einfluss des Thees wie der geistigen Arbeit durch eine allmählich sich
ausbildende und nun auch einige Zeit andauernde Steigerung geltend
machen konnte. Bei weiterer Fortsetzung des Versuches wäre natürlich
auch hier bald eine wachsende Ermüdung zu erwarten gewesen.

Mir fehlt für den Augenblick die Möglichkeit, diesen Fragen experi-
mentell weiter nachzugehen. Die vorstehenden Erwägungen haben daher
keinen anderen Zweck, als die Vieldeutigkeit der Zahlen zu beleuchten,
mit denen die psychophysische Untersuchung zu rechnen hat. Wir haben
wenigstens einen Gesichtspunkt gewonnen, unter welchem sich wieder
einige der scheinbaren Regellosigkeiten in das auflösen, was sie un-
zweifelhaft sind, in gesetzmässig bedingte Wirkungen uns einstweilen
unbekannter Ursachen. Natürlich können deswegen alle diese Ueber-
legungen durchaus noch nicht den Anspruch erheben, die Beweiskraft
der Beobachtungsthatsachen selbst zu verändern. Vielmehr bleibt als
letzte Erklärung für den Ausfall der Versuche immer noch die Mög-

neuerlichen Anwachsen der Zahlen geführt. Bei 10 mit mässiger
initialer Erregbarkeit steigt dieselbe bald etwas an, sinkt aber dann
bedeutend; auch hier ist der letzte kurze Werth wol nur als vorüber-
gehende Schwankung anzusehen. Derselbe Gang vollzieht sich, aber
viel langsamer, in der Reihe 7: allmähliches Steigen der anfänglich
geringen Erregbarkeit und dann ebenso allmähliches Sinken. Im
letzten Versuche 17 sind die Schwankungen zu gering, um überhaupt
eine bestimmte Deutung zuzulassen. Bedenkt man, dass die Dis-
position nicht die einzige bestimmende Ursache für den Verlauf der
Associationsreihe ist, sondern noch mannigfache Zufälle, unberechen-
bare äussere Störungen u. dgl. mit hineinspielen, so ist in den 3 für diese
Betrachtung überhaupt einigermassen verwerthbaren Versuchen eine
Andeutung der Beziehungen zwischen anfänglicher Erregbarkeit und
Ermüdbarkeit immerhin erkennbar: je grösser bei gleichartiger Arbeit
und gleichem Uebungsgrade die Anfangsleistung, um so rascher machen
sich Ermüdungserscheinungen geltend.

Es wäre daher sehr wol denkbar, dass auch in den Theeversuchen
die Einflüsse der augenblicklichen Disposition eine ähnliche Rolle gespielt
hätten. In den Versuchen mit rasch auftretender Verkürzung (11, 16
und allenfalls 8) würde es sich dann nicht um die Einwirkung eines in-
tensiveren Reizes, sondern um eine von vornherein grössere Erregbarkeit
gehandelt haben, welche bei gleicher Reizstärke ein früheres Auftreten
der Verkürzung, aber auch der secundären Ermüdung herbeiführte.
Im Versuche 14 dagegen wäre die anfängliche Erregbarkeit gering und
sogar zunächst noch im Sinken begriffen gewesen, bis sich endlich der
Einfluss des Thees wie der geistigen Arbeit durch eine allmählich sich
ausbildende und nun auch einige Zeit andauernde Steigerung geltend
machen konnte. Bei weiterer Fortsetzung des Versuches wäre natürlich
auch hier bald eine wachsende Ermüdung zu erwarten gewesen.

Mir fehlt für den Augenblick die Möglichkeit, diesen Fragen experi-
mentell weiter nachzugehen. Die vorstehenden Erwägungen haben daher
keinen anderen Zweck, als die Vieldeutigkeit der Zahlen zu beleuchten,
mit denen die psychophysische Untersuchung zu rechnen hat. Wir haben
wenigstens einen Gesichtspunkt gewonnen, unter welchem sich wieder
einige der scheinbaren Regellosigkeiten in das auflösen, was sie un-
zweifelhaft sind, in gesetzmässig bedingte Wirkungen uns einstweilen
unbekannter Ursachen. Natürlich können deswegen alle diese Ueber-
legungen durchaus noch nicht den Anspruch erheben, die Beweiskraft
der Beobachtungsthatsachen selbst zu verändern. Vielmehr bleibt als
letzte Erklärung für den Ausfall der Versuche immer noch die Mög-

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[117/0133] neuerlichen Anwachsen der Zahlen geführt. Bei 10 mit mässiger initialer Erregbarkeit steigt dieselbe bald etwas an, sinkt aber dann bedeutend; auch hier ist der letzte kurze Werth wol nur als vorüber- gehende Schwankung anzusehen. Derselbe Gang vollzieht sich, aber viel langsamer, in der Reihe 7: allmähliches Steigen der anfänglich geringen Erregbarkeit und dann ebenso allmähliches Sinken. Im letzten Versuche 17 sind die Schwankungen zu gering, um überhaupt eine bestimmte Deutung zuzulassen. Bedenkt man, dass die Dis- position nicht die einzige bestimmende Ursache für den Verlauf der Associationsreihe ist, sondern noch mannigfache Zufälle, unberechen- bare äussere Störungen u. dgl. mit hineinspielen, so ist in den 3 für diese Betrachtung überhaupt einigermassen verwerthbaren Versuchen eine Andeutung der Beziehungen zwischen anfänglicher Erregbarkeit und Ermüdbarkeit immerhin erkennbar: je grösser bei gleichartiger Arbeit und gleichem Uebungsgrade die Anfangsleistung, um so rascher machen sich Ermüdungserscheinungen geltend. Es wäre daher sehr wol denkbar, dass auch in den Theeversuchen die Einflüsse der augenblicklichen Disposition eine ähnliche Rolle gespielt hätten. In den Versuchen mit rasch auftretender Verkürzung (11, 16 und allenfalls 8) würde es sich dann nicht um die Einwirkung eines in- tensiveren Reizes, sondern um eine von vornherein grössere Erregbarkeit gehandelt haben, welche bei gleicher Reizstärke ein früheres Auftreten der Verkürzung, aber auch der secundären Ermüdung herbeiführte. Im Versuche 14 dagegen wäre die anfängliche Erregbarkeit gering und sogar zunächst noch im Sinken begriffen gewesen, bis sich endlich der Einfluss des Thees wie der geistigen Arbeit durch eine allmählich sich ausbildende und nun auch einige Zeit andauernde Steigerung geltend machen konnte. Bei weiterer Fortsetzung des Versuches wäre natürlich auch hier bald eine wachsende Ermüdung zu erwarten gewesen. Mir fehlt für den Augenblick die Möglichkeit, diesen Fragen experi- mentell weiter nachzugehen. Die vorstehenden Erwägungen haben daher keinen anderen Zweck, als die Vieldeutigkeit der Zahlen zu beleuchten, mit denen die psychophysische Untersuchung zu rechnen hat. Wir haben wenigstens einen Gesichtspunkt gewonnen, unter welchem sich wieder einige der scheinbaren Regellosigkeiten in das auflösen, was sie un- zweifelhaft sind, in gesetzmässig bedingte Wirkungen uns einstweilen unbekannter Ursachen. Natürlich können deswegen alle diese Ueber- legungen durchaus noch nicht den Anspruch erheben, die Beweiskraft der Beobachtungsthatsachen selbst zu verändern. Vielmehr bleibt als letzte Erklärung für den Ausfall der Versuche immer noch die Mög-

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/133>, abgerufen am 26.04.2024.