Diese Erfahrung ist zu typisch, um uns nicht an die ganz analoge Erscheinung beim Zahlenlernen, namentlich hinsichtlich der Wieder- holungsschnelligkeit zu erinnern. Durch sie wird auf's Neue bestätigt, dass unter gewissen Bedingungen durch den Alkohol eine rasch vor- übergehende Steigerung der Sprechgeschwindigkeit hervorgerufen wird. Auch die Erklärung, warum diese Erscheinung hier weniger regel- mässig, als bei den früheren Versuchen hervortritt, liegt auf der Hand; die oben constatirten Ausnahmen weisen uns den Weg. Dort zeigte von den Versuchen mit 30 gr Alkohol nur einer, bei dem weniger labilen K., jene Zunahme der Wiederholungen, während die übrigen Reihen mit 20 gr sämmtlich mehr oder weniger markirte Andeutungen derselben erkennen liessen. Da hier bei allen Versuchen 30 gr Al- kohol genommen wurden, tritt auch die initiale Beschleunigung lang- samer und flüchtiger auf, als dort. Sie betrifft auch nicht durchgängig dieselben Personen, was uns bei der Unberechenbarkeit der zufälligen Dispositionseinflüsse nicht Wunder nehmen darf. Im Ganzen aber kann, wenn man die Höhe der Dosis bedenkt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Lesegeschwindigkeit in etwas höherem Masse der anregenden Wirkung des Alkohols zu- gänglich ist, als das Wiederholen und namentlich die Lern- arbeit beim Zahlenlernen. Die Beschleunigung bei He. freilich ist wegen ihrer späten Entwicklung gewiss nicht als Alkoholsymptom zu betrachten, sondern wol auf die Uebung zurückzuführen.
Die Erschwerung des Lesens dauert verschieden lange an, ge- wöhnlich 30--45 Minuten; dann beginnt die Leistungsfähigkeit sich wieder zu heben, bei dem sehr stabilen Da. bis zur, bei O. und M. nur bis in die Nähe der Norm. Bei De. dauert die Verlangsamung auffallend kurze Zeit, um dann, in Uebereinstimmung mit seinem Normalversuche, einer fortschreitenden Beschleunigung Platz zu machen. De. scheint demnach, wie auch aus der Tabelle XXVIII über die Wiederholungen beim Zahlenlernen hervorgeht, eine besondere Neigung zu raschem Sprechen zu haben, deren Anwachsen durch die Versuchs- übung hier bei der wenig schwierigen Aufgabe nicht, wie dort, die zu- nehmende Ermüdung entgegenarbeitete. Erst in der letzten halben Stunde war eine geringe Abnahme der Lesegeschwindigkeit bemerkbar. Umgekehrt schritt bei Ha. mit seiner, wie gewöhnlich, sehr grossen Ermüdbarkeit das Sinken der Arbeitsleistung bis zum Schlusse des Versuches rasch und unauthaltsam fort. Vielleicht bezeichnet bei ihm die nach 45 ' bemerkte geringe Beschleunigung den Nachlass der Alkoholwirkung, der aber durch die wachsende physiologische
Diese Erfahrung ist zu typisch, um uns nicht an die ganz analoge Erscheinung beim Zahlenlernen, namentlich hinsichtlich der Wieder- holungsschnelligkeit zu erinnern. Durch sie wird auf’s Neue bestätigt, dass unter gewissen Bedingungen durch den Alkohol eine rasch vor- übergehende Steigerung der Sprechgeschwindigkeit hervorgerufen wird. Auch die Erklärung, warum diese Erscheinung hier weniger regel- mässig, als bei den früheren Versuchen hervortritt, liegt auf der Hand; die oben constatirten Ausnahmen weisen uns den Weg. Dort zeigte von den Versuchen mit 30 gr Alkohol nur einer, bei dem weniger labilen K., jene Zunahme der Wiederholungen, während die übrigen Reihen mit 20 gr sämmtlich mehr oder weniger markirte Andeutungen derselben erkennen liessen. Da hier bei allen Versuchen 30 gr Al- kohol genommen wurden, tritt auch die initiale Beschleunigung lang- samer und flüchtiger auf, als dort. Sie betrifft auch nicht durchgängig dieselben Personen, was uns bei der Unberechenbarkeit der zufälligen Dispositionseinflüsse nicht Wunder nehmen darf. Im Ganzen aber kann, wenn man die Höhe der Dosis bedenkt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Lesegeschwindigkeit in etwas höherem Masse der anregenden Wirkung des Alkohols zu- gänglich ist, als das Wiederholen und namentlich die Lern- arbeit beim Zahlenlernen. Die Beschleunigung bei He. freilich ist wegen ihrer späten Entwicklung gewiss nicht als Alkoholsymptom zu betrachten, sondern wol auf die Uebung zurückzuführen.
Die Erschwerung des Lesens dauert verschieden lange an, ge- wöhnlich 30—45 Minuten; dann beginnt die Leistungsfähigkeit sich wieder zu heben, bei dem sehr stabilen Da. bis zur, bei O. und M. nur bis in die Nähe der Norm. Bei De. dauert die Verlangsamung auffallend kurze Zeit, um dann, in Uebereinstimmung mit seinem Normalversuche, einer fortschreitenden Beschleunigung Platz zu machen. De. scheint demnach, wie auch aus der Tabelle XXVIII über die Wiederholungen beim Zahlenlernen hervorgeht, eine besondere Neigung zu raschem Sprechen zu haben, deren Anwachsen durch die Versuchs- übung hier bei der wenig schwierigen Aufgabe nicht, wie dort, die zu- nehmende Ermüdung entgegenarbeitete. Erst in der letzten halben Stunde war eine geringe Abnahme der Lesegeschwindigkeit bemerkbar. Umgekehrt schritt bei Ha. mit seiner, wie gewöhnlich, sehr grossen Ermüdbarkeit das Sinken der Arbeitsleistung bis zum Schlusse des Versuches rasch und unauthaltsam fort. Vielleicht bezeichnet bei ihm die nach 45 ′ bemerkte geringe Beschleunigung den Nachlass der Alkoholwirkung, der aber durch die wachsende physiologische
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[88/0104]
Diese Erfahrung ist zu typisch, um uns nicht an die ganz analoge
Erscheinung beim Zahlenlernen, namentlich hinsichtlich der Wieder-
holungsschnelligkeit zu erinnern. Durch sie wird auf’s Neue bestätigt,
dass unter gewissen Bedingungen durch den Alkohol eine rasch vor-
übergehende Steigerung der Sprechgeschwindigkeit hervorgerufen wird.
Auch die Erklärung, warum diese Erscheinung hier weniger regel-
mässig, als bei den früheren Versuchen hervortritt, liegt auf der Hand;
die oben constatirten Ausnahmen weisen uns den Weg. Dort zeigte
von den Versuchen mit 30 gr Alkohol nur einer, bei dem weniger
labilen K., jene Zunahme der Wiederholungen, während die übrigen
Reihen mit 20 gr sämmtlich mehr oder weniger markirte Andeutungen
derselben erkennen liessen. Da hier bei allen Versuchen 30 gr Al-
kohol genommen wurden, tritt auch die initiale Beschleunigung lang-
samer und flüchtiger auf, als dort. Sie betrifft auch nicht durchgängig
dieselben Personen, was uns bei der Unberechenbarkeit der zufälligen
Dispositionseinflüsse nicht Wunder nehmen darf. Im Ganzen aber
kann, wenn man die Höhe der Dosis bedenkt, mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Lesegeschwindigkeit
in etwas höherem Masse der anregenden Wirkung des Alkohols zu-
gänglich ist, als das Wiederholen und namentlich die Lern-
arbeit beim Zahlenlernen. Die Beschleunigung bei He. freilich ist
wegen ihrer späten Entwicklung gewiss nicht als Alkoholsymptom zu
betrachten, sondern wol auf die Uebung zurückzuführen.
Die Erschwerung des Lesens dauert verschieden lange an, ge-
wöhnlich 30—45 Minuten; dann beginnt die Leistungsfähigkeit sich
wieder zu heben, bei dem sehr stabilen Da. bis zur, bei O. und M.
nur bis in die Nähe der Norm. Bei De. dauert die Verlangsamung
auffallend kurze Zeit, um dann, in Uebereinstimmung mit seinem
Normalversuche, einer fortschreitenden Beschleunigung Platz zu machen.
De. scheint demnach, wie auch aus der Tabelle XXVIII über die
Wiederholungen beim Zahlenlernen hervorgeht, eine besondere Neigung
zu raschem Sprechen zu haben, deren Anwachsen durch die Versuchs-
übung hier bei der wenig schwierigen Aufgabe nicht, wie dort, die zu-
nehmende Ermüdung entgegenarbeitete. Erst in der letzten halben
Stunde war eine geringe Abnahme der Lesegeschwindigkeit bemerkbar.
Umgekehrt schritt bei Ha. mit seiner, wie gewöhnlich, sehr grossen
Ermüdbarkeit das Sinken der Arbeitsleistung bis zum Schlusse des
Versuches rasch und unauthaltsam fort. Vielleicht bezeichnet bei
ihm die nach 45 ′ bemerkte geringe Beschleunigung den Nachlass
der Alkoholwirkung, der aber durch die wachsende physiologische
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/104>, abgerufen am 26.04.2024.
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