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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.

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Mag hier vermodern! Ihr Geschick verbot
Mit Rednerkraft zu herrschen im Senat,
Zu trotzen draussen und daheim dem Tod,
Sich zu verew'gen durch Gesang und That.
Sie kränkte nie verrathner Liebe Gram,
Sie quälte nie zu früh entlarvter Trug;
Nie bog den Nacken ihnen Schuld und Schaam,
Nie scheuten sie des innern Richters Spruch.
Nie schüttelte sie der Begierde Sturm.
Sie wateten durch Blut zu keinem Thron,
Zertraten nicht den Menschen wie den Wurm,
Und sprachen frech dem Heiligsten nicht Hohn.
Fern von der tollen Menge Neid und Groll,
Schwang ihr bescheidner Wunsch sich nie zu hoch,
Verglitt ihr Leben schlichter Freuden voll,
Im Schooss des Thals, das sie gebar und zog.
Jedoch auch ihr zerfallendes Gebein
Schützt ein gebrechlich Maal vor frevelm Hohn.
Der rauhe Reim, der rohgeschnitzte Stein
Erfleht für sie des Seufzers armen Lohn.
Vernimm, wer einst die morsche Bürde trug,
Vernimm die Jahre, die ihm Gott beschert!
Vernimm den mühsam buchstabirten Spruch,
Der fromm und ernst den Wandrer sterben lehrt.
D 2
Mag hier vermodern! Ihr Geschick verbot
Mit Rednerkraft zu herrschen im Senat,
Zu trotzen drauſsen und daheim dem Tod,
Sich zu verew'gen durch Gesang und That.
Sie kränkte nie verrathner Liebe Gram,
Sie quälte nie zu früh entlarvter Trug;
Nie bog den Nacken ihnen Schuld und Schaam,
Nie scheuten sie des innern Richters Spruch.
Nie schüttelte sie der Begierde Sturm.
Sie wateten durch Blut zu keinem Thron,
Zertraten nicht den Menschen wie den Wurm,
Und sprachen frech dem Heiligsten nicht Hohn.
Fern von der tollen Menge Neid und Groll,
Schwang ihr bescheidner Wunsch sich nie zu hoch,
Verglitt ihr Leben schlichter Freuden voll,
Im Schooſs des Thals, das sie gebar und zog.
Jedoch auch ihr zerfallendes Gebein
Schützt ein gebrechlich Maal vor frevelm Hohn.
Der rauhe Reim, der rohgeschnitzte Stein
Erfleht für sie des Seufzers armen Lohn.
Vernimm, wer einst die morsche Bürde trug,
Vernimm die Jahre, die ihm Gott beschert!
Vernimm den mühsam buchstabirten Spruch,
Der fromm und ernst den Wandrer sterben lehrt.
D 2
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[51/0071] Mag hier vermodern! Ihr Geschick verbot Mit Rednerkraft zu herrschen im Senat, Zu trotzen drauſsen und daheim dem Tod, Sich zu verew'gen durch Gesang und That. Sie kränkte nie verrathner Liebe Gram, Sie quälte nie zu früh entlarvter Trug; Nie bog den Nacken ihnen Schuld und Schaam, Nie scheuten sie des innern Richters Spruch. Nie schüttelte sie der Begierde Sturm. Sie wateten durch Blut zu keinem Thron, Zertraten nicht den Menschen wie den Wurm, Und sprachen frech dem Heiligsten nicht Hohn. Fern von der tollen Menge Neid und Groll, Schwang ihr bescheidner Wunsch sich nie zu hoch, Verglitt ihr Leben schlichter Freuden voll, Im Schooſs des Thals, das sie gebar und zog. Jedoch auch ihr zerfallendes Gebein Schützt ein gebrechlich Maal vor frevelm Hohn. Der rauhe Reim, der rohgeschnitzte Stein Erfleht für sie des Seufzers armen Lohn. Vernimm, wer einst die morsche Bürde trug, Vernimm die Jahre, die ihm Gott beschert! Vernimm den mühsam buchstabirten Spruch, Der fromm und ernst den Wandrer sterben lehrt. D 2

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen03_1802/71>, abgerufen am 26.04.2024.