Hätte ich es doch nicht gedacht, daß die Tren- nung von Dir mir so schwer würde, aber unsere Seelen waren verschwistert, und nur der Tod konnte so feste Bande auflösen. -- Er kommt, ein kalter Schauder ergießt sich in meine Adern -- Lebe wol, Freundin! meine Caroline! lebe glüklich. Dort erwarte ich Dich -- fliege Dir als ein verklärter Engel, im Stralengewande der Ewigkeit eutgegen, schliesse Dich an meine Brust, an mein Herz, und bin wieder
Deine glükliche Julie.
b) Charlotte, das unglükliche Land- mädchen.
Da bin ich jezt, so allein und verlassen in meiner einsamen Wonung; alles so stumm, so kalt, so tod um mich her; schon stößt der Wächter ins Horn, und verkündet die Stunde der Mitter- nacht. Wie der Mond so melancholisch durch die dunkeln Wolken bricht, und die Sterne erblas- sen! Jch höre das Aechzen der sterbenden Natur, den lezten Hauch ihres Scheidens. Der Schlaf hat seinen eisernen Zepter über die schlaf-
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Haͤtte ich es doch nicht gedacht, daß die Tren- nung von Dir mir ſo ſchwer wuͤrde, aber unſere Seelen waren verſchwiſtert, und nur der Tod konnte ſo feſte Bande aufloͤſen. — Er kommt, ein kalter Schauder ergießt ſich in meine Adern — Lebe wol, Freundin! meine Caroline! lebe gluͤklich. Dort erwarte ich Dich — fliege Dir als ein verklaͤrter Engel, im Stralengewande der Ewigkeit eutgegen, ſchlieſſe Dich an meine Bruſt, an mein Herz, und bin wieder
Deine gluͤkliche Julie.
b) Charlotte, das ungluͤkliche Land- maͤdchen.
Da bin ich jezt, ſo allein und verlaſſen in meiner einſamen Wonung; alles ſo ſtumm, ſo kalt, ſo tod um mich her; ſchon ſtoͤßt der Waͤchter ins Horn, und verkuͤndet die Stunde der Mitter- nacht. Wie der Mond ſo melancholiſch durch die dunkeln Wolken bricht, und die Sterne erblaſ- ſen! Jch hoͤre das Aechzen der ſterbenden Natur, den lezten Hauch ihres Scheidens. Der Schlaf hat ſeinen eiſernen Zepter uͤber die ſchlaf-
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Haͤtte ich es doch nicht gedacht, daß die Tren-
nung von Dir mir ſo ſchwer wuͤrde, aber unſere
Seelen waren verſchwiſtert, und nur der Tod konnte
ſo feſte Bande aufloͤſen. — Er kommt, ein kalter
Schauder ergießt ſich in meine Adern — Lebe wol,
Freundin! meine Caroline! lebe gluͤklich. Dort
erwarte ich Dich — fliege Dir als ein verklaͤrter
Engel, im Stralengewande der Ewigkeit eutgegen,
ſchlieſſe Dich an meine Bruſt, an mein Herz, und
bin wieder
Deine gluͤkliche
Julie.
b) Charlotte, das ungluͤkliche Land-
maͤdchen.
Da bin ich jezt, ſo allein und verlaſſen in meiner
einſamen Wonung; alles ſo ſtumm, ſo kalt, ſo
tod um mich her; ſchon ſtoͤßt der Waͤchter ins
Horn, und verkuͤndet die Stunde der Mitter-
nacht. Wie der Mond ſo melancholiſch durch die
dunkeln Wolken bricht, und die Sterne erblaſ-
ſen! Jch hoͤre das Aechzen der ſterbenden Natur,
den lezten Hauch ihres Scheidens. Der Schlaf
hat ſeinen eiſernen Zepter uͤber die ſchlaf-
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/111>, abgerufen am 03.03.2025.
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