Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Erlaube dem Manne, der etwas gelernt hat,
mit Leidenschaft von seiner Kunst, von seiner
Wissenschaft zu reden, ja! gieb ihm Gelegen¬
heit dazu! Man ist wahrlich recht viel werth
in der Welt, wenn man -- doch übrigens bey
gesundem Hausverstande -- Ein Fach aus dem
Grunde versteht, und mich eckelt vor den her¬
umwandelnden encyclopädischen Wörterbüchern.

3.

Die mehrsten Schriftsteller verzeyhen es
uns leichter, wenn wir ihren sittlichen Character,
als wenn wir ihren Ruf in der gelehrten Welt
anrasten. Man sey daher vorsichtig in Beur¬
theilung ihrer Producte! Selbst dann, wenn
sie uns um unsre Meinung darüber fragen, ist
dies immer so auszulegen, als bäthen sie uns,
um ein Lob. Den Fall ausgenommen, wenn
Freundschaft uns zu völliger Offenherzigkeit ver¬
pflichtet, rathe ich also, bey solchen Gelegenhei¬
ten, wo man ohnmöglich ohne Niederträchtig¬
keit loben, wenigstens etwas zu sagen, das die
Eitelkeit als Beyfall auslegen kann.

Fast

Erlaube dem Manne, der etwas gelernt hat,
mit Leidenſchaft von ſeiner Kunſt, von ſeiner
Wiſſenſchaft zu reden, ja! gieb ihm Gelegen¬
heit dazu! Man iſt wahrlich recht viel werth
in der Welt, wenn man — doch uͤbrigens bey
geſundem Hausverſtande — Ein Fach aus dem
Grunde verſteht, und mich eckelt vor den her¬
umwandelnden encyclopaͤdiſchen Woͤrterbuͤchern.

3.

Die mehrſten Schriftſteller verzeyhen es
uns leichter, wenn wir ihren ſittlichen Character,
als wenn wir ihren Ruf in der gelehrten Welt
anraſten. Man ſey daher vorſichtig in Beur¬
theilung ihrer Producte! Selbſt dann, wenn
ſie uns um unſre Meinung daruͤber fragen, iſt
dies immer ſo auszulegen, als baͤthen ſie uns,
um ein Lob. Den Fall ausgenommen, wenn
Freundſchaft uns zu voͤlliger Offenherzigkeit ver¬
pflichtet, rathe ich alſo, bey ſolchen Gelegenhei¬
ten, wo man ohnmoͤglich ohne Niedertraͤchtig¬
keit loben, wenigſtens etwas zu ſagen, das die
Eitelkeit als Beyfall auslegen kann.

Faſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0096" n="74"/>
Erlaube dem Manne, der etwas gelernt hat,<lb/>
mit Leiden&#x017F;chaft von &#x017F;einer Kun&#x017F;t, von &#x017F;einer<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zu reden, ja! gieb ihm Gelegen¬<lb/>
heit dazu! Man i&#x017F;t wahrlich recht viel werth<lb/>
in der Welt, wenn man &#x2014; doch u&#x0364;brigens bey<lb/>
ge&#x017F;undem Hausver&#x017F;tande &#x2014; Ein Fach aus dem<lb/>
Grunde ver&#x017F;teht, und mich eckelt vor den her¬<lb/>
umwandelnden encyclopa&#x0364;di&#x017F;chen Wo&#x0364;rterbu&#x0364;chern.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>3.<lb/></head>
            <p>Die mehr&#x017F;ten Schrift&#x017F;teller verzeyhen es<lb/>
uns leichter, wenn wir ihren &#x017F;ittlichen Character,<lb/>
als wenn wir ihren Ruf in der gelehrten Welt<lb/>
anra&#x017F;ten. Man &#x017F;ey daher vor&#x017F;ichtig in Beur¬<lb/>
theilung ihrer Producte! Selb&#x017F;t dann, wenn<lb/>
&#x017F;ie uns um un&#x017F;re Meinung daru&#x0364;ber fragen, i&#x017F;t<lb/>
dies immer &#x017F;o auszulegen, als ba&#x0364;then &#x017F;ie uns,<lb/>
um ein Lob. Den Fall ausgenommen, wenn<lb/>
Freund&#x017F;chaft uns zu vo&#x0364;lliger Offenherzigkeit ver¬<lb/>
pflichtet, rathe ich al&#x017F;o, bey &#x017F;olchen Gelegenhei¬<lb/>
ten, wo man ohnmo&#x0364;glich ohne Niedertra&#x0364;chtig¬<lb/>
keit loben, wenig&#x017F;tens etwas zu &#x017F;agen, das die<lb/>
Eitelkeit als Beyfall auslegen kann.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Fa&#x017F;t<lb/></fw>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0096] Erlaube dem Manne, der etwas gelernt hat, mit Leidenſchaft von ſeiner Kunſt, von ſeiner Wiſſenſchaft zu reden, ja! gieb ihm Gelegen¬ heit dazu! Man iſt wahrlich recht viel werth in der Welt, wenn man — doch uͤbrigens bey geſundem Hausverſtande — Ein Fach aus dem Grunde verſteht, und mich eckelt vor den her¬ umwandelnden encyclopaͤdiſchen Woͤrterbuͤchern. 3. Die mehrſten Schriftſteller verzeyhen es uns leichter, wenn wir ihren ſittlichen Character, als wenn wir ihren Ruf in der gelehrten Welt anraſten. Man ſey daher vorſichtig in Beur¬ theilung ihrer Producte! Selbſt dann, wenn ſie uns um unſre Meinung daruͤber fragen, iſt dies immer ſo auszulegen, als baͤthen ſie uns, um ein Lob. Den Fall ausgenommen, wenn Freundſchaft uns zu voͤlliger Offenherzigkeit ver¬ pflichtet, rathe ich alſo, bey ſolchen Gelegenhei¬ ten, wo man ohnmoͤglich ohne Niedertraͤchtig¬ keit loben, wenigſtens etwas zu ſagen, das die Eitelkeit als Beyfall auslegen kann. Faſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/96
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/96>, abgerufen am 21.11.2024.