Man messe sein Betragen gegen Hofleute pünctlich nach dem ihrigen gegen uns ab, und gehe ihnen keinen Schritt entgegen! Diese Menschen-Gattung nimt eine Hand breit, wo man ihnen einen Finger breit einräumt. Man erwiedere Stolz mit Stolz, Kälte mit Kälte, Freundlichkeit mit Freundlichkeit, gebe aber nicht mehr und nicht weniger, als man empfängt! Die Befolgung dieser Vorsicht hat mannigfalti¬ gen Nutzen. Die feinen Weltleute sind wie ein Rohr, das vom Winde bewegt wird. Da sie selbst so wenig Bewusstseyn innerer Würde ha¬ ben; so beruht ihre ganze Existenz auf ihren äussern Ruf. Sie werden sich an Dich schlies¬ sen, sobald sie sehen, daß Du in gutem Lichte wandelst. Aber wenn Du nicht durch die nie¬ drigste Schmeicheley und Preisgebung alle alten Weiber beyderley Geschlechts auf Deine Seite ziehst; so wird bald einmal eine Lästerzunge et¬ was Nachtheiliges gegen Dich aussprechen. Kaum wird ein solches Gerücht herumlaufen; so werden jene Sclaven lauern, welche Würkung dies auf das Publicum macht, und fasst es Wur¬ zel; so werden sie den Kopf um ein Paar Zoll
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Man meſſe ſein Betragen gegen Hofleute puͤnctlich nach dem ihrigen gegen uns ab, und gehe ihnen keinen Schritt entgegen! Dieſe Menſchen-Gattung nimt eine Hand breit, wo man ihnen einen Finger breit einraͤumt. Man erwiedere Stolz mit Stolz, Kaͤlte mit Kaͤlte, Freundlichkeit mit Freundlichkeit, gebe aber nicht mehr und nicht weniger, als man empfaͤngt! Die Befolgung dieſer Vorſicht hat mannigfalti¬ gen Nutzen. Die feinen Weltleute ſind wie ein Rohr, das vom Winde bewegt wird. Da ſie ſelbſt ſo wenig Bewuſſtſeyn innerer Wuͤrde ha¬ ben; ſo beruht ihre ganze Exiſtenz auf ihren aͤuſſern Ruf. Sie werden ſich an Dich ſchlieſ¬ ſen, ſobald ſie ſehen, daß Du in gutem Lichte wandelſt. Aber wenn Du nicht durch die nie¬ drigſte Schmeicheley und Preisgebung alle alten Weiber beyderley Geſchlechts auf Deine Seite ziehſt; ſo wird bald einmal eine Laͤſterzunge et¬ was Nachtheiliges gegen Dich ausſprechen. Kaum wird ein ſolches Geruͤcht herumlaufen; ſo werden jene Sclaven lauern, welche Wuͤrkung dies auf das Publicum macht, und faſſt es Wur¬ zel; ſo werden ſie den Kopf um ein Paar Zoll
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10.
Man meſſe ſein Betragen gegen Hofleute
puͤnctlich nach dem ihrigen gegen uns ab, und
gehe ihnen keinen Schritt entgegen! Dieſe
Menſchen-Gattung nimt eine Hand breit, wo
man ihnen einen Finger breit einraͤumt. Man
erwiedere Stolz mit Stolz, Kaͤlte mit Kaͤlte,
Freundlichkeit mit Freundlichkeit, gebe aber nicht
mehr und nicht weniger, als man empfaͤngt!
Die Befolgung dieſer Vorſicht hat mannigfalti¬
gen Nutzen. Die feinen Weltleute ſind wie ein
Rohr, das vom Winde bewegt wird. Da ſie
ſelbſt ſo wenig Bewuſſtſeyn innerer Wuͤrde ha¬
ben; ſo beruht ihre ganze Exiſtenz auf ihren
aͤuſſern Ruf. Sie werden ſich an Dich ſchlieſ¬
ſen, ſobald ſie ſehen, daß Du in gutem Lichte
wandelſt. Aber wenn Du nicht durch die nie¬
drigſte Schmeicheley und Preisgebung alle alten
Weiber beyderley Geſchlechts auf Deine Seite
ziehſt; ſo wird bald einmal eine Laͤſterzunge et¬
was Nachtheiliges gegen Dich ausſprechen.
Kaum wird ein ſolches Geruͤcht herumlaufen;
ſo werden jene Sclaven lauern, welche Wuͤrkung
dies auf das Publicum macht, und faſſt es Wur¬
zel; ſo werden ſie den Kopf um ein Paar Zoll
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/80>, abgerufen am 21.12.2024.
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