Verachte nicht alles, was blos conventio¬ nellen Werth hat, wenn Du mit Annehmlich¬ keit in der großen Welt leben willst! Verachte nicht so ganz und gar Titel, Orden, Glanz, äussere Zierathe und dergleichen! aber setze kei¬ nen innern Werth darauf! ringe nicht ängstlich darnach! Es giebt doch wohl Fälle, wo ein sol¬ cher an sich nichtiger Stempel Dir und den Dei¬ nigen, wo nicht reelle Vortheile, doch Annehm¬ lichkeiten zu Wege bringen kann. Heimlich in Deinem Cämmerlein darfst Du herzlich aller dieser Thorheiten lachen; aber thue das nicht laut! Mit Einem Worte! zeichne Dich nicht zu sehr aus, unter den Weltleuten, mit denen Du leben musst. Dies ist nicht nur Regel der Klug¬ heit, nein! sondern es ist auch Pflicht, die Sit¬ ten des Standes anzunehmen, den man wählt, ganz zu seyn, was man ist, doch, wie sich das versteht, nie auf Unkosten des Characters. Er¬ warte übrigens auf diesem Schauplatze nicht, daß man in Dir den edeln, weisen, geschickten Mann schätze, sondern nur, daß man Dich ar¬ tig finde, daß man von Dir sage: Par dieu! il a de l'esprit, comme nous autres!
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Verachte nicht alles, was blos conventio¬ nellen Werth hat, wenn Du mit Annehmlich¬ keit in der großen Welt leben willſt! Verachte nicht ſo ganz und gar Titel, Orden, Glanz, aͤuſſere Zierathe und dergleichen! aber ſetze kei¬ nen innern Werth darauf! ringe nicht aͤngſtlich darnach! Es giebt doch wohl Faͤlle, wo ein ſol¬ cher an ſich nichtiger Stempel Dir und den Dei¬ nigen, wo nicht reelle Vortheile, doch Annehm¬ lichkeiten zu Wege bringen kann. Heimlich in Deinem Caͤmmerlein darfſt Du herzlich aller dieſer Thorheiten lachen; aber thue das nicht laut! Mit Einem Worte! zeichne Dich nicht zu ſehr aus, unter den Weltleuten, mit denen Du leben muſſt. Dies iſt nicht nur Regel der Klug¬ heit, nein! ſondern es iſt auch Pflicht, die Sit¬ ten des Standes anzunehmen, den man waͤhlt, ganz zu ſeyn, was man iſt, doch, wie ſich das verſteht, nie auf Unkoſten des Characters. Er¬ warte uͤbrigens auf dieſem Schauplatze nicht, daß man in Dir den edeln, weiſen, geſchickten Mann ſchaͤtze, ſondern nur, daß man Dich ar¬ tig finde, daß man von Dir ſage: Par dieu! il a de l'eſprit, comme nous autres!
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Verachte nicht alles, was blos conventio¬
nellen Werth hat, wenn Du mit Annehmlich¬
keit in der großen Welt leben willſt! Verachte
nicht ſo ganz und gar Titel, Orden, Glanz,
aͤuſſere Zierathe und dergleichen! aber ſetze kei¬
nen innern Werth darauf! ringe nicht aͤngſtlich
darnach! Es giebt doch wohl Faͤlle, wo ein ſol¬
cher an ſich nichtiger Stempel Dir und den Dei¬
nigen, wo nicht reelle Vortheile, doch Annehm¬
lichkeiten zu Wege bringen kann. Heimlich in
Deinem Caͤmmerlein darfſt Du herzlich aller
dieſer Thorheiten lachen; aber thue das nicht
laut! Mit Einem Worte! zeichne Dich nicht zu
ſehr aus, unter den Weltleuten, mit denen Du
leben muſſt. Dies iſt nicht nur Regel der Klug¬
heit, nein! ſondern es iſt auch Pflicht, die Sit¬
ten des Standes anzunehmen, den man waͤhlt,
ganz zu ſeyn, was man iſt, doch, wie ſich das
verſteht, nie auf Unkoſten des Characters. Er¬
warte uͤbrigens auf dieſem Schauplatze nicht,
daß man in Dir den edeln, weiſen, geſchickten
Mann ſchaͤtze, ſondern nur, daß man Dich ar¬
tig finde, daß man von Dir ſage: Par dieu!
il a de l'eſprit, comme nous autres!
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/77>, abgerufen am 21.12.2024.
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