Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite
Funfzehntes Capittel.

Noch einige allgemeine Vorschriften für
den Umgang mit Menschen.


1.

Strebe nach Vollkommenheit, aber nicht nach
dem Scheine der Vollkommenheit und Ohnfehl¬
barkeit! Die Menschen beurtheilen und richten
Dich nach dem Maßstabe Deiner Prätensionen,
und sie sind noch billig, wenn sie nur das thun,
wenn sie Dir nicht Prätensionen aufbürden.
Dann heisst es, wenn Du auch nur des klein¬
sten Fehlers Dich schuldig machst: "Einem sol¬
"chen Manne
ist das gar nicht zu verzeyhn;"
und da die Schwachen sich ohnehin ein Fest dar¬
aus machen, an einem Menschen, der sie ver¬
dunkelt, Mängel zu entdecken; so wird Dir ein
einziger Fehltritt höher angerechnet, als Andern
ein ganzes Register von Bosheiten und Pin¬
seleyen.

2.

Sey aber nicht gar zu sehr ein Sclave
der Meinungen Andrer von Dir! Sey selbst¬

stän¬
Funfzehntes Capittel.

Noch einige allgemeine Vorſchriften fuͤr
den Umgang mit Menſchen.


1.

Strebe nach Vollkommenheit, aber nicht nach
dem Scheine der Vollkommenheit und Ohnfehl¬
barkeit! Die Menſchen beurtheilen und richten
Dich nach dem Maßſtabe Deiner Praͤtenſionen,
und ſie ſind noch billig, wenn ſie nur das thun,
wenn ſie Dir nicht Praͤtenſionen aufbuͤrden.
Dann heiſſt es, wenn Du auch nur des klein¬
ſten Fehlers Dich ſchuldig machſt: „Einem ſol¬
„chen Manne
iſt das gar nicht zu verzeyhn;“
und da die Schwachen ſich ohnehin ein Feſt dar¬
aus machen, an einem Menſchen, der ſie ver¬
dunkelt, Maͤngel zu entdecken; ſo wird Dir ein
einziger Fehltritt hoͤher angerechnet, als Andern
ein ganzes Regiſter von Bosheiten und Pin¬
ſeleyen.

2.

Sey aber nicht gar zu ſehr ein Sclave
der Meinungen Andrer von Dir! Sey ſelbſt¬

ſtaͤn¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0337" n="315"/>
          </div>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Funfzehntes Capittel.</hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p rendition="#c">Noch einige allgemeine Vor&#x017F;chriften fu&#x0364;r<lb/>
den Umgang mit Men&#x017F;chen.</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head>1.<lb/></head>
            <p><hi rendition="#in">S</hi>trebe nach Vollkommenheit, aber nicht nach<lb/>
dem Scheine der Vollkommenheit und Ohnfehl¬<lb/>
barkeit! Die Men&#x017F;chen beurtheilen und richten<lb/>
Dich nach dem Maß&#x017F;tabe Deiner Pra&#x0364;ten&#x017F;ionen,<lb/>
und &#x017F;ie &#x017F;ind noch billig, wenn &#x017F;ie nur das thun,<lb/>
wenn &#x017F;ie Dir nicht Pra&#x0364;ten&#x017F;ionen aufbu&#x0364;rden.<lb/>
Dann hei&#x017F;&#x017F;t es, wenn Du auch nur des klein¬<lb/>
&#x017F;ten Fehlers Dich &#x017F;chuldig mach&#x017F;t: &#x201E;<hi rendition="#fr">Einem &#x017F;ol¬<lb/>
&#x201E;chen Manne</hi> i&#x017F;t das gar nicht zu verzeyhn;&#x201C;<lb/>
und da die Schwachen &#x017F;ich ohnehin ein Fe&#x017F;t dar¬<lb/>
aus machen, an einem Men&#x017F;chen, der &#x017F;ie ver¬<lb/>
dunkelt, Ma&#x0364;ngel zu entdecken; &#x017F;o wird Dir ein<lb/>
einziger Fehltritt ho&#x0364;her angerechnet, als Andern<lb/>
ein ganzes Regi&#x017F;ter von Bosheiten und Pin¬<lb/>
&#x017F;eleyen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="3">
            <head>2.<lb/></head>
            <p>Sey aber nicht <hi rendition="#fr">gar zu &#x017F;ehr</hi> ein Sclave<lb/>
der Meinungen Andrer von Dir! Sey &#x017F;elb&#x017F;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ta&#x0364;<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0337] Funfzehntes Capittel. Noch einige allgemeine Vorſchriften fuͤr den Umgang mit Menſchen. 1. Strebe nach Vollkommenheit, aber nicht nach dem Scheine der Vollkommenheit und Ohnfehl¬ barkeit! Die Menſchen beurtheilen und richten Dich nach dem Maßſtabe Deiner Praͤtenſionen, und ſie ſind noch billig, wenn ſie nur das thun, wenn ſie Dir nicht Praͤtenſionen aufbuͤrden. Dann heiſſt es, wenn Du auch nur des klein¬ ſten Fehlers Dich ſchuldig machſt: „Einem ſol¬ „chen Manne iſt das gar nicht zu verzeyhn;“ und da die Schwachen ſich ohnehin ein Feſt dar¬ aus machen, an einem Menſchen, der ſie ver¬ dunkelt, Maͤngel zu entdecken; ſo wird Dir ein einziger Fehltritt hoͤher angerechnet, als Andern ein ganzes Regiſter von Bosheiten und Pin¬ ſeleyen. 2. Sey aber nicht gar zu ſehr ein Sclave der Meinungen Andrer von Dir! Sey ſelbſt¬ ſtaͤn¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/337
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/337>, abgerufen am 03.12.2024.