dessen den Grund dieser Wahrheit weniger in den natürlichen Anlagen, als in der Art der Erziehung und in unsern durch Luxus und Des¬ potismus verderbten Zeiten suchen! Durch sie werden eine ungeheure Menge Bedürfnisse erzeugt, die uns von Andern abhängig machen. Das ewige Angeln nach Erwerb und Genuß erzeugt niedrige Leidenschaften, zwingt uns, zu erbetteln und zu erkriechen, was wir für so nöthig zu unsrer Existenz halten, statt daß Mäßigkeit und Genügsamkeit die Quellen aller Tugend und Freyheit sind.
3.
Bleiben nun die mehrsten Menschen stumpf für feinere Empfindungen und unfähig zu er¬ habenen hohen Gesinnungen; so sind sie doch nicht Alle unerkenntlich gegen großmüthige Be¬ handlung, noch blind gegen wahren Werth. Rechne also weder auf die Zuneigung und Ach¬ tung, noch auf freywillige Folgsamkeit Derer, die Dir unterworfen sind, wenn Diese selbst fühlen, daß sie moralisch besser, weiser, geschick¬ ter sind, als Du; daß Du nöthiger Ihrer be¬ darfst, als sie Deiner; wenn Du sie mishan¬
delst
deſſen den Grund dieſer Wahrheit weniger in den natuͤrlichen Anlagen, als in der Art der Erziehung und in unſern durch Luxus und Des¬ potismus verderbten Zeiten ſuchen! Durch ſie werden eine ungeheure Menge Beduͤrfniſſe erzeugt, die uns von Andern abhaͤngig machen. Das ewige Angeln nach Erwerb und Genuß erzeugt niedrige Leidenſchaften, zwingt uns, zu erbetteln und zu erkriechen, was wir fuͤr ſo noͤthig zu unſrer Exiſtenz halten, ſtatt daß Maͤßigkeit und Genuͤgſamkeit die Quellen aller Tugend und Freyheit ſind.
3.
Bleiben nun die mehrſten Menſchen ſtumpf fuͤr feinere Empfindungen und unfaͤhig zu er¬ habenen hohen Geſinnungen; ſo ſind ſie doch nicht Alle unerkenntlich gegen großmuͤthige Be¬ handlung, noch blind gegen wahren Werth. Rechne alſo weder auf die Zuneigung und Ach¬ tung, noch auf freywillige Folgſamkeit Derer, die Dir unterworfen ſind, wenn Dieſe ſelbſt fuͤhlen, daß ſie moraliſch beſſer, weiſer, geſchick¬ ter ſind, als Du; daß Du noͤthiger Ihrer be¬ darfſt, als ſie Deiner; wenn Du ſie mishan¬
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deſſen den Grund dieſer Wahrheit weniger in
den natuͤrlichen Anlagen, als in der Art der
Erziehung und in unſern durch Luxus und Des¬
potismus verderbten Zeiten ſuchen! Durch
ſie werden eine ungeheure Menge Beduͤrfniſſe
erzeugt, die uns von Andern abhaͤngig machen.
Das ewige Angeln nach Erwerb und Genuß
erzeugt niedrige Leidenſchaften, zwingt uns, zu
erbetteln und zu erkriechen, was wir fuͤr ſo
noͤthig zu unſrer Exiſtenz halten, ſtatt daß
Maͤßigkeit und Genuͤgſamkeit die Quellen aller
Tugend und Freyheit ſind.
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Bleiben nun die mehrſten Menſchen ſtumpf
fuͤr feinere Empfindungen und unfaͤhig zu er¬
habenen hohen Geſinnungen; ſo ſind ſie doch
nicht Alle unerkenntlich gegen großmuͤthige Be¬
handlung, noch blind gegen wahren Werth.
Rechne alſo weder auf die Zuneigung und Ach¬
tung, noch auf freywillige Folgſamkeit Derer,
die Dir unterworfen ſind, wenn Dieſe ſelbſt
fuͤhlen, daß ſie moraliſch beſſer, weiſer, geſchick¬
ter ſind, als Du; daß Du noͤthiger Ihrer be¬
darfſt, als ſie Deiner; wenn Du ſie mishan¬
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/240>, abgerufen am 22.02.2025.
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