wir uns zu einer erhabenern Classe von Frauen¬ zimmern -- zu den gelehrten Weibern!
17.
Ich muß gestehn, daß mich immer eine Art von Fieberfrost befällt, wenn man mich in Ge¬ sellschaft einer Dame gegenüber oder an die Seite setzt, die große Ansprüche auf Schön¬ geisterey, oder gar auf Gelehrsamkeit macht. Wenn die Frauenzimmer doch nur überlegen wollten, wie viel mehr Interesse diejenigen un¬ ter ihnen erwecken, die sich einfach an die Be¬ stimmung der Natur halten, und sich unter dem Haufen ihrer Mitschwestern durch treue Erfüllung ihres Berufs auszeichnen! Was hilft es ihnen, mit Männern in Fächern wett¬ eifern zu wollen, denen sie nicht gewachsen sind, wozu ihnen mehrentheils die ersten Grundbe¬ griffe, welche den Knaben schon von Kindheit an eingebläuet werden, fehlen? Es giebt Da¬ men, die, neben allen häuslichen und geselligen Tugenden, neben der edelsten Einfalt des Cha¬ racters und neben der Anmuth weiblicher Schön¬ heit, durch tiefe Kenntnisse, seltene Talente, seine Cultur, philosophischen Scharfsinn in ih¬ ren Urtheilen und Bestimmtheit im Ausdrucke,
Ge¬
wir uns zu einer erhabenern Claſſe von Frauen¬ zimmern — zu den gelehrten Weibern!
17.
Ich muß geſtehn, daß mich immer eine Art von Fieberfroſt befaͤllt, wenn man mich in Ge¬ ſellſchaft einer Dame gegenuͤber oder an die Seite ſetzt, die große Anſpruͤche auf Schoͤn¬ geiſterey, oder gar auf Gelehrſamkeit macht. Wenn die Frauenzimmer doch nur uͤberlegen wollten, wie viel mehr Intereſſe diejenigen un¬ ter ihnen erwecken, die ſich einfach an die Be¬ ſtimmung der Natur halten, und ſich unter dem Haufen ihrer Mitſchweſtern durch treue Erfuͤllung ihres Berufs auszeichnen! Was hilft es ihnen, mit Maͤnnern in Faͤchern wett¬ eifern zu wollen, denen ſie nicht gewachſen ſind, wozu ihnen mehrentheils die erſten Grundbe¬ griffe, welche den Knaben ſchon von Kindheit an eingeblaͤuet werden, fehlen? Es giebt Da¬ men, die, neben allen haͤuslichen und geſelligen Tugenden, neben der edelſten Einfalt des Cha¬ racters und neben der Anmuth weiblicher Schoͤn¬ heit, durch tiefe Kenntniſſe, ſeltene Talente, ſeine Cultur, philoſophiſchen Scharfſinn in ih¬ ren Urtheilen und Beſtimmtheit im Ausdrucke,
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wir uns zu einer erhabenern Claſſe von Frauen¬
zimmern — zu den gelehrten Weibern!
17.
Ich muß geſtehn, daß mich immer eine Art
von Fieberfroſt befaͤllt, wenn man mich in Ge¬
ſellſchaft einer Dame gegenuͤber oder an die
Seite ſetzt, die große Anſpruͤche auf Schoͤn¬
geiſterey, oder gar auf Gelehrſamkeit macht.
Wenn die Frauenzimmer doch nur uͤberlegen
wollten, wie viel mehr Intereſſe diejenigen un¬
ter ihnen erwecken, die ſich einfach an die Be¬
ſtimmung der Natur halten, und ſich unter
dem Haufen ihrer Mitſchweſtern durch treue
Erfuͤllung ihres Berufs auszeichnen! Was
hilft es ihnen, mit Maͤnnern in Faͤchern wett¬
eifern zu wollen, denen ſie nicht gewachſen ſind,
wozu ihnen mehrentheils die erſten Grundbe¬
griffe, welche den Knaben ſchon von Kindheit
an eingeblaͤuet werden, fehlen? Es giebt Da¬
men, die, neben allen haͤuslichen und geſelligen
Tugenden, neben der edelſten Einfalt des Cha¬
racters und neben der Anmuth weiblicher Schoͤn¬
heit, durch tiefe Kenntniſſe, ſeltene Talente,
ſeine Cultur, philoſophiſchen Scharfſinn in ih¬
ren Urtheilen und Beſtimmtheit im Ausdrucke,
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/224>, abgerufen am 22.02.2025.
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