§. 144. 3) Möglichkeit der Erfüllung des Versprechens.
Endlich gehört noch zur Gültigkeit eines Vertrags, die Möglichkeit der Erfüllung des gegebenen Versprechens a). Nach physischen und nach Rechtsgesetzen, muss die zugesagte Leistung möglich seyn. Jenen wäre ein Ver- sprechen zuwider, zu dessen Erfüllung die phy- sische Macht des Versprechenden in jeder Hin- sicht nicht hinreicht. Rechtlich unmöglich hin- gegen wäre eine Leistung, welche zu verspre- chen ein Staat darum nicht befugt ist, weil durch sie die Rechte eines Dritten würden ver- letzt werden b). Wohl aber ist ein Staat be- fugt, seine Dienstleistung (bona officia) zu ver- sprechen, dass eine dritte Macht sich zu be- stimmten Leistungen verstehe. Bei einer Un- möglichkeit der versprochenen Leistung, ist der versprechende Theil dem andern zur Entschädi- gung verpflichtet, wenn die Unmöglichkeit die- sem, nicht aber jenem, zur Zeit des geschlos- senen Vertrags unbekannt war c); so auch, wenn sie nachher von dem Versprechenden veranlasst worden ist. Für eine rechtliche Unmöglichkeit der Leistung, kann der offenbare Nachtheil al- lein nicht gelten, welcher durch die Leistung dem versprechenden Staat zuwachsen würde; selbst dann nicht, wenn sie ihn mit Umsturz seines politischen Daseyns, seiner Unabhängig-
II. Cap. Recht der Verträge.
§. 144. 3) Möglichkeit der Erfüllung des Versprechens.
Endlich gehört noch zur Gültigkeit eines Vertrags, die Möglichkeit der Erfüllung des gegebenen Versprechens a). Nach physischen und nach Rechtsgesetzen, muſs die zugesagte Leistung möglich seyn. Jenen wäre ein Ver- sprechen zuwider, zu dessen Erfüllung die phy- sische Macht des Versprechenden in jeder Hin- sicht nicht hinreicht. Rechtlich unmöglich hin- gegen wäre eine Leistung, welche zu verspre- chen ein Staat darum nicht befugt ist, weil durch sie die Rechte eines Dritten würden ver- letzt werden b). Wohl aber ist ein Staat be- fugt, seine Dienstleistung (bona officia) zu ver- sprechen, daſs eine dritte Macht sich zu be- stimmten Leistungen verstehe. Bei einer Un- möglichkeit der versprochenen Leistung, ist der versprechende Theil dem andern zur Entschädi- gung verpflichtet, wenn die Unmöglichkeit die- sem, nicht aber jenem, zur Zeit des geschlos- senen Vertrags unbekannt war c); so auch, wenn sie nachher von dem Versprechenden veranlaſst worden ist. Für eine rechtliche Unmöglichkeit der Leistung, kann der offenbare Nachtheil al- lein nicht gelten, welcher durch die Leistung dem versprechenden Staat zuwachsen würde; selbst dann nicht, wenn sie ihn mit Umsturz seines politischen Daseyns, seiner Unabhängig-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0239"n="233"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#i">II. Cap. Recht der Verträge.</hi></fw></div><lb/><divn="5"><head>§. 144.<lb/>
3) <hirendition="#i">Möglichkeit der Erfüllung des Versprechens</hi>.</head><lb/><p>Endlich gehört noch zur Gültigkeit eines<lb/>
Vertrags, die <hirendition="#i">Möglichkeit der Erfüllung des<lb/>
gegebenen Versprechens a</hi>). Nach physischen<lb/>
und nach Rechtsgesetzen, muſs die zugesagte<lb/>
Leistung möglich seyn. Jenen wäre ein Ver-<lb/>
sprechen zuwider, zu dessen Erfüllung die phy-<lb/>
sische Macht des Versprechenden in jeder Hin-<lb/>
sicht nicht hinreicht. Rechtlich unmöglich hin-<lb/>
gegen wäre eine Leistung, welche zu verspre-<lb/>
chen ein Staat darum nicht befugt ist, weil<lb/>
durch sie die Rechte eines Dritten würden ver-<lb/>
letzt werden <hirendition="#i">b</hi>). Wohl aber ist ein Staat be-<lb/>
fugt, seine Dienstleistung (bona officia) zu ver-<lb/>
sprechen, daſs eine dritte Macht sich zu be-<lb/>
stimmten Leistungen verstehe. Bei einer Un-<lb/>
möglichkeit der versprochenen Leistung, ist der<lb/>
versprechende Theil dem andern zur Entschädi-<lb/>
gung verpflichtet, wenn die Unmöglichkeit die-<lb/>
sem, nicht aber jenem, zur Zeit des geschlos-<lb/>
senen Vertrags unbekannt war <hirendition="#i">c</hi>); so auch, wenn<lb/>
sie nachher von dem Versprechenden veranlaſst<lb/>
worden ist. Für eine rechtliche Unmöglichkeit<lb/>
der Leistung, kann der offenbare Nachtheil al-<lb/>
lein nicht gelten, welcher durch die Leistung<lb/>
dem versprechenden Staat zuwachsen würde;<lb/>
selbst dann nicht, wenn sie ihn mit Umsturz<lb/>
seines politischen Daseyns, seiner Unabhängig-<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[233/0239]
II. Cap. Recht der Verträge.
§. 144.
3) Möglichkeit der Erfüllung des Versprechens.
Endlich gehört noch zur Gültigkeit eines
Vertrags, die Möglichkeit der Erfüllung des
gegebenen Versprechens a). Nach physischen
und nach Rechtsgesetzen, muſs die zugesagte
Leistung möglich seyn. Jenen wäre ein Ver-
sprechen zuwider, zu dessen Erfüllung die phy-
sische Macht des Versprechenden in jeder Hin-
sicht nicht hinreicht. Rechtlich unmöglich hin-
gegen wäre eine Leistung, welche zu verspre-
chen ein Staat darum nicht befugt ist, weil
durch sie die Rechte eines Dritten würden ver-
letzt werden b). Wohl aber ist ein Staat be-
fugt, seine Dienstleistung (bona officia) zu ver-
sprechen, daſs eine dritte Macht sich zu be-
stimmten Leistungen verstehe. Bei einer Un-
möglichkeit der versprochenen Leistung, ist der
versprechende Theil dem andern zur Entschädi-
gung verpflichtet, wenn die Unmöglichkeit die-
sem, nicht aber jenem, zur Zeit des geschlos-
senen Vertrags unbekannt war c); so auch, wenn
sie nachher von dem Versprechenden veranlaſst
worden ist. Für eine rechtliche Unmöglichkeit
der Leistung, kann der offenbare Nachtheil al-
lein nicht gelten, welcher durch die Leistung
dem versprechenden Staat zuwachsen würde;
selbst dann nicht, wenn sie ihn mit Umsturz
seines politischen Daseyns, seiner Unabhängig-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/239>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.