Ein so genanntes Strandrecht a) (Grundruhr, jus littoris, droit de varech), ein Recht, die schiff- brüchigen, oder aus Noth über Bord geworfenen Güter sich zuzueignen, wäre wider das natürliche Völkerrecht; denn jene Güter werden, durch den Schiffbruch oder das Auswerfen zu Erleich- terung des Schiffes, nicht verlassenes oder Nie- mand gehöriges Gut (res derelictae aut nullius). Auch wird ein solches Recht jetzt nur noch aus- geübt gegen Seeräuber, Schleichhändler, und Schiffer in verbotenen Fluss- oder Seegegenden, an den dänischen Ufern der Elbe b), und retor- sionsweise. Durch Gesetze und Staatsverträge c) ist es vielfältig ausdrücklich abgeschafft. Dage- gen ist an den meisten Orten durch Gesetze und Verträge das Recht der Bergung (jus bona nau- fragorum colligendi, droit de sauvement) ein- geführt und bestimmt; nach welchem die geret- teten, geworfenen oder schiffbrüchigen, Güter gewisse Zeit, meist Jahr und Tag, aufzubewah- ren, und den unterdessen sich meldenden Eigen- thümern herauszugeben sind, gegen Entrichtung des Bergegeldes (Bergelohn, pecunia servaticia), welches gewöhnlich besteht in einem verhältniss- mäsigen Theil des Werthes der geretteten Gü- ter d).
a) J. Schuback commentarius de jure littoris. T. I. Hamb. 1751.
II. Cap. Recht der Unabhängigkeit.
§. 77. Insbesondere Strandrecht und Bergung.
Ein so genanntes Strandrecht a) (Grundruhr, jus littoris, droit de varech), ein Recht, die schiff- brüchigen, oder aus Noth über Bord geworfenen Güter sich zuzueignen, wäre wider das natürliche Völkerrecht; denn jene Güter werden, durch den Schiffbruch oder das Auswerfen zu Erleich- terung des Schiffes, nicht verlassenes oder Nie- mand gehöriges Gut (res derelictae aut nullius). Auch wird ein solches Recht jetzt nur noch aus- geübt gegen Seeräuber, Schleichhändler, und Schiffer in verbotenen Fluſs- oder Seegegenden, an den dänischen Ufern der Elbe b), und retor- sionsweise. Durch Gesetze und Staatsverträge c) ist es vielfältig ausdrücklich abgeschafft. Dage- gen ist an den meisten Orten durch Gesetze und Verträge das Recht der Bergung (jus bona nau- fragorum colligendi, droit de sauvement) ein- geführt und bestimmt; nach welchem die geret- teten, geworfenen oder schiffbrüchigen, Güter gewisse Zeit, meist Jahr und Tag, aufzubewah- ren, und den unterdessen sich meldenden Eigen- thümern herauszugeben sind, gegen Entrichtung des Bergegeldes (Bergelohn, pecunia servaticia), welches gewöhnlich besteht in einem verhältniſs- mäsigen Theil des Werthes der geretteten Gü- ter d).
a) J. Schuback commentarius de jure littoris. T. I. Hamb. 1751.
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II. Cap. Recht der Unabhängigkeit.
§. 77.
Insbesondere Strandrecht und Bergung.
Ein so genanntes Strandrecht a) (Grundruhr,
jus littoris, droit de varech), ein Recht, die schiff-
brüchigen, oder aus Noth über Bord geworfenen
Güter sich zuzueignen, wäre wider das natürliche
Völkerrecht; denn jene Güter werden, durch
den Schiffbruch oder das Auswerfen zu Erleich-
terung des Schiffes, nicht verlassenes oder Nie-
mand gehöriges Gut (res derelictae aut nullius).
Auch wird ein solches Recht jetzt nur noch aus-
geübt gegen Seeräuber, Schleichhändler, und
Schiffer in verbotenen Fluſs- oder Seegegenden,
an den dänischen Ufern der Elbe b), und retor-
sionsweise. Durch Gesetze und Staatsverträge c)
ist es vielfältig ausdrücklich abgeschafft. Dage-
gen ist an den meisten Orten durch Gesetze und
Verträge das Recht der Bergung (jus bona nau-
fragorum colligendi, droit de sauvement) ein-
geführt und bestimmt; nach welchem die geret-
teten, geworfenen oder schiffbrüchigen, Güter
gewisse Zeit, meist Jahr und Tag, aufzubewah-
ren, und den unterdessen sich meldenden Eigen-
thümern herauszugeben sind, gegen Entrichtung
des Bergegeldes (Bergelohn, pecunia servaticia),
welches gewöhnlich besteht in einem verhältniſs-
mäsigen Theil des Werthes der geretteten Gü-
ter d).
a⁾ J. Schuback commentarius de jure littoris. T. I. Hamb. 1751.
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Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/137>, abgerufen am 22.12.2024.
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