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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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Buchhandel des Mittelalters. -- Zünfte.
der späteren Zeit von Buchhändlern (stationarii) vertrieben
wurden, so bezahlte man in dem Preise der Exemplare doch
nur die noch seltene und mühsame Kunst des Schreibens. Das
Abschreiben eines Exemplares zum eigenen Gebrauche wurde
Jedermann gestattet. Dies war sogar durch ein von Wächter1)
mitgetheiltes Statut der Pariser Universität vom Jahre 1323
den dortigen Buchhändlern zur Pflicht gemacht. Als das Wieder-
erwachen der Wissenschaften vom zwölften Jahrhundert ab
zahlreiche Jünger dem Studium des römischen Rechtes und
der klassischen Literatur zuführte, beschränkte die Schwierig-
keit der schriftlichen Mittheilung den Unterricht vorwiegend
auf den mündlichen Vortrag; und die italienischen, dann die
deutschen und französischen Universitäten versammelten Tau-
sende von Zuhörern aus allen Ländern in den Hörsälen der
berühmten Lehrer. Schriftliche Aufzeichnungen wurden damals
zuweilen geheim gehalten, um als Quelle einzelner Mittheilun-
gen oder mündlicher Lehrvorträge gegen Entgelt verwerthet
zu werden. So oft dagegen die öffentliche Verbreitung einer
Schrift beabsichtigt wurde, nöthigte die Schwerfälligkeit und
Kostspieligkeit der schriftlichen Vervielfältigung dazu, diese
Reproduction nicht als ein Recht und als eine Quelle des Ein-
kommens, sondern als eine Gunst zu betrachten, die der Schrift-
steller eifrig zu fördern bemüht war.

Auf dem Gebiete der Kunst fehlte es bis zur Erfindung
des Kupferstiches und des Holzschnittes an jedem Mittel einer
mechanischen Reproduction, so dass von einem geistigen Eigen-
thume an dem Kunstwerke, welches von dem Besitze des Ori-
ginales trennbar gewesen wäre, nicht wohl die Rede sein konnte.

In der Technik musste durch langes mühsames Ringen das
in den Stürmen der grössten geschichtlichen Umwälzung begra-
bene und vernichtete geistige Kapital wieder gewonnen werden,
welches auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst doch in
zahlreichen Trümmern gerettet und wie mit einem Zauber-
schlage durch die Wiedergeburt des klassischen Geistes zu
neuem Leben erweckt worden war. Langsam und stetig wuchs
der Gewerbfleiss der Städte heran und nur allmälig sammelte
sich die vereinigte Kraft des materiellen Reichthumes und das
geistige Kapital der Erfindungen und Entdeckungen in der

1) Das Verlagsrecht. Stuttgart 1857. Th. I. S. 4 Note 3.

Buchhandel des Mittelalters. — Zünfte.
der späteren Zeit von Buchhändlern (stationarii) vertrieben
wurden, so bezahlte man in dem Preise der Exemplare doch
nur die noch seltene und mühsame Kunst des Schreibens. Das
Abschreiben eines Exemplares zum eigenen Gebrauche wurde
Jedermann gestattet. Dies war sogar durch ein von Wächter1)
mitgetheiltes Statut der Pariser Universität vom Jahre 1323
den dortigen Buchhändlern zur Pflicht gemacht. Als das Wieder-
erwachen der Wissenschaften vom zwölften Jahrhundert ab
zahlreiche Jünger dem Studium des römischen Rechtes und
der klassischen Literatur zuführte, beschränkte die Schwierig-
keit der schriftlichen Mittheilung den Unterricht vorwiegend
auf den mündlichen Vortrag; und die italienischen, dann die
deutschen und französischen Universitäten versammelten Tau-
sende von Zuhörern aus allen Ländern in den Hörsälen der
berühmten Lehrer. Schriftliche Aufzeichnungen wurden damals
zuweilen geheim gehalten, um als Quelle einzelner Mittheilun-
gen oder mündlicher Lehrvorträge gegen Entgelt verwerthet
zu werden. So oft dagegen die öffentliche Verbreitung einer
Schrift beabsichtigt wurde, nöthigte die Schwerfälligkeit und
Kostspieligkeit der schriftlichen Vervielfältigung dazu, diese
Reproduction nicht als ein Recht und als eine Quelle des Ein-
kommens, sondern als eine Gunst zu betrachten, die der Schrift-
steller eifrig zu fördern bemüht war.

Auf dem Gebiete der Kunst fehlte es bis zur Erfindung
des Kupferstiches und des Holzschnittes an jedem Mittel einer
mechanischen Reproduction, so dass von einem geistigen Eigen-
thume an dem Kunstwerke, welches von dem Besitze des Ori-
ginales trennbar gewesen wäre, nicht wohl die Rede sein konnte.

In der Technik musste durch langes mühsames Ringen das
in den Stürmen der grössten geschichtlichen Umwälzung begra-
bene und vernichtete geistige Kapital wieder gewonnen werden,
welches auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst doch in
zahlreichen Trümmern gerettet und wie mit einem Zauber-
schlage durch die Wiedergeburt des klassischen Geistes zu
neuem Leben erweckt worden war. Langsam und stetig wuchs
der Gewerbfleiss der Städte heran und nur allmälig sammelte
sich die vereinigte Kraft des materiellen Reichthumes und das
geistige Kapital der Erfindungen und Entdeckungen in der

1) Das Verlagsrecht. Stuttgart 1857. Th. I. S. 4 Note 3.
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[39/0055] Buchhandel des Mittelalters. — Zünfte. der späteren Zeit von Buchhändlern (stationarii) vertrieben wurden, so bezahlte man in dem Preise der Exemplare doch nur die noch seltene und mühsame Kunst des Schreibens. Das Abschreiben eines Exemplares zum eigenen Gebrauche wurde Jedermann gestattet. Dies war sogar durch ein von Wächter 1) mitgetheiltes Statut der Pariser Universität vom Jahre 1323 den dortigen Buchhändlern zur Pflicht gemacht. Als das Wieder- erwachen der Wissenschaften vom zwölften Jahrhundert ab zahlreiche Jünger dem Studium des römischen Rechtes und der klassischen Literatur zuführte, beschränkte die Schwierig- keit der schriftlichen Mittheilung den Unterricht vorwiegend auf den mündlichen Vortrag; und die italienischen, dann die deutschen und französischen Universitäten versammelten Tau- sende von Zuhörern aus allen Ländern in den Hörsälen der berühmten Lehrer. Schriftliche Aufzeichnungen wurden damals zuweilen geheim gehalten, um als Quelle einzelner Mittheilun- gen oder mündlicher Lehrvorträge gegen Entgelt verwerthet zu werden. So oft dagegen die öffentliche Verbreitung einer Schrift beabsichtigt wurde, nöthigte die Schwerfälligkeit und Kostspieligkeit der schriftlichen Vervielfältigung dazu, diese Reproduction nicht als ein Recht und als eine Quelle des Ein- kommens, sondern als eine Gunst zu betrachten, die der Schrift- steller eifrig zu fördern bemüht war. Auf dem Gebiete der Kunst fehlte es bis zur Erfindung des Kupferstiches und des Holzschnittes an jedem Mittel einer mechanischen Reproduction, so dass von einem geistigen Eigen- thume an dem Kunstwerke, welches von dem Besitze des Ori- ginales trennbar gewesen wäre, nicht wohl die Rede sein konnte. In der Technik musste durch langes mühsames Ringen das in den Stürmen der grössten geschichtlichen Umwälzung begra- bene und vernichtete geistige Kapital wieder gewonnen werden, welches auf dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst doch in zahlreichen Trümmern gerettet und wie mit einem Zauber- schlage durch die Wiedergeburt des klassischen Geistes zu neuem Leben erweckt worden war. Langsam und stetig wuchs der Gewerbfleiss der Städte heran und nur allmälig sammelte sich die vereinigte Kraft des materiellen Reichthumes und das geistige Kapital der Erfindungen und Entdeckungen in der 1) Das Verlagsrecht. Stuttgart 1857. Th. I. S. 4 Note 3.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/55>, abgerufen am 26.04.2024.