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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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VIII. Nachdruck. §. 40. Zurechnung.
solche Beurtheilung bieten sich die beiden folgenden Rechts-
fälle1):

1. Der Buchhändler Bieler in Berlin beauftragte den Li-
teraten B. mit der Anfertigung einer deutschen Uebersetzung
des Romans: Fanny von E. Feydeau, von welchem bereits
eine deutsche Uebersetzung in einem andern Berliner Verlage
erschienen war. Er machte demselben ausdrücklich zur Pflicht,
sich bei der Anfertigung der neuen Uebersetzung jeder Be-
nutzung der bereits erschienenen zu enthalten und sorgfältig
jeden Nachdruck zu vermeiden. Bei Ablieferung des Manu-
scriptes versicherte der Literat, eine Originalübersetzung ge-
liefert zu haben, und der Buchhändler, welcher selbst der
französischen Sprache nicht hinreichend mächtig war, liess
im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angabe die Ueber-
setzung im Druck erscheinen. Sie stellte sich jedoch als ein
unzweifelhafter partieller Nachdruck der ersten Uebersetzung
heraus und es wurde auf Antrag des rechtmässigen Verle-
gers die Untersuchung wegen Nachdrucks eingeleitet, welche
auch die rechtskräftige Verurtheilung des Bieler zur Folge hatte.

2. Im Verlage der Weidmann'schen Buchhandlung in Ber-
lin erschien unter der Leitung eines namhaften Philologen
eine Sammlung von Schulausgaben classischer Autoren, von
verschiedenen Gelehrten bearbeitet. Darunter befand sich
eine von F. K. Hertlein besorgte Schulausgabe von Xenophons
Anabasis mit deutschen Anmerkungen, welche letztere sich
als ein theilweiser Nachdruck der von K. W. Krüger be-
sorgten Schulausgabe der Anabasis herausstellte. Nachdem
dieser objective Thatbestand durch das Gutachten des Lite-
rarischen Sachverständigenvereins vom 22. März 1858 festge-
stellt worden, der Inhaber der Weidmann'schen Buchhandlung
aber im Laufe der eingeleiteten Untersuchung gestorben war,
erfolgte die Verurtheilung zur Confiscation der vorhandenen
Exemplare.

In dem ersten Falle wurde die strafbare Fahrlässigkeit
des Verlegers mit Recht daraus gefolgert, dass er die Existenz
der früher erschienenen Uebersetzung kannte und sich nicht

1) Heydemann u. Dambach, Die Preussische Nachdruckgesetzge-
bung S. 369. S. 345. -- Dambach, Die Strafbarkeit des Vorsatzes und
der Fahrlässigkeit beim Nachdruck S. 30 f.

VIII. Nachdruck. §. 40. Zurechnung.
solche Beurtheilung bieten sich die beiden folgenden Rechts-
fälle1):

1. Der Buchhändler Bieler in Berlin beauftragte den Li-
teraten B. mit der Anfertigung einer deutschen Uebersetzung
des Romans: Fanny von E. Feydeau, von welchem bereits
eine deutsche Uebersetzung in einem andern Berliner Verlage
erschienen war. Er machte demselben ausdrücklich zur Pflicht,
sich bei der Anfertigung der neuen Uebersetzung jeder Be-
nutzung der bereits erschienenen zu enthalten und sorgfältig
jeden Nachdruck zu vermeiden. Bei Ablieferung des Manu-
scriptes versicherte der Literat, eine Originalübersetzung ge-
liefert zu haben, und der Buchhändler, welcher selbst der
französischen Sprache nicht hinreichend mächtig war, liess
im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angabe die Ueber-
setzung im Druck erscheinen. Sie stellte sich jedoch als ein
unzweifelhafter partieller Nachdruck der ersten Uebersetzung
heraus und es wurde auf Antrag des rechtmässigen Verle-
gers die Untersuchung wegen Nachdrucks eingeleitet, welche
auch die rechtskräftige Verurtheilung des Bieler zur Folge hatte.

2. Im Verlage der Weidmann’schen Buchhandlung in Ber-
lin erschien unter der Leitung eines namhaften Philologen
eine Sammlung von Schulausgaben classischer Autoren, von
verschiedenen Gelehrten bearbeitet. Darunter befand sich
eine von F. K. Hertlein besorgte Schulausgabe von Xenophons
Anabasis mit deutschen Anmerkungen, welche letztere sich
als ein theilweiser Nachdruck der von K. W. Krüger be-
sorgten Schulausgabe der Anabasis herausstellte. Nachdem
dieser objective Thatbestand durch das Gutachten des Lite-
rarischen Sachverständigenvereins vom 22. März 1858 festge-
stellt worden, der Inhaber der Weidmann’schen Buchhandlung
aber im Laufe der eingeleiteten Untersuchung gestorben war,
erfolgte die Verurtheilung zur Confiscation der vorhandenen
Exemplare.

In dem ersten Falle wurde die strafbare Fahrlässigkeit
des Verlegers mit Recht daraus gefolgert, dass er die Existenz
der früher erschienenen Uebersetzung kannte und sich nicht

1) Heydemann u. Dambach, Die Preussische Nachdruckgesetzge-
bung S. 369. S. 345. — Dambach, Die Strafbarkeit des Vorsatzes und
der Fahrlässigkeit beim Nachdruck S. 30 f.
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[412/0428] VIII. Nachdruck. §. 40. Zurechnung. solche Beurtheilung bieten sich die beiden folgenden Rechts- fälle 1): 1. Der Buchhändler Bieler in Berlin beauftragte den Li- teraten B. mit der Anfertigung einer deutschen Uebersetzung des Romans: Fanny von E. Feydeau, von welchem bereits eine deutsche Uebersetzung in einem andern Berliner Verlage erschienen war. Er machte demselben ausdrücklich zur Pflicht, sich bei der Anfertigung der neuen Uebersetzung jeder Be- nutzung der bereits erschienenen zu enthalten und sorgfältig jeden Nachdruck zu vermeiden. Bei Ablieferung des Manu- scriptes versicherte der Literat, eine Originalübersetzung ge- liefert zu haben, und der Buchhändler, welcher selbst der französischen Sprache nicht hinreichend mächtig war, liess im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angabe die Ueber- setzung im Druck erscheinen. Sie stellte sich jedoch als ein unzweifelhafter partieller Nachdruck der ersten Uebersetzung heraus und es wurde auf Antrag des rechtmässigen Verle- gers die Untersuchung wegen Nachdrucks eingeleitet, welche auch die rechtskräftige Verurtheilung des Bieler zur Folge hatte. 2. Im Verlage der Weidmann’schen Buchhandlung in Ber- lin erschien unter der Leitung eines namhaften Philologen eine Sammlung von Schulausgaben classischer Autoren, von verschiedenen Gelehrten bearbeitet. Darunter befand sich eine von F. K. Hertlein besorgte Schulausgabe von Xenophons Anabasis mit deutschen Anmerkungen, welche letztere sich als ein theilweiser Nachdruck der von K. W. Krüger be- sorgten Schulausgabe der Anabasis herausstellte. Nachdem dieser objective Thatbestand durch das Gutachten des Lite- rarischen Sachverständigenvereins vom 22. März 1858 festge- stellt worden, der Inhaber der Weidmann’schen Buchhandlung aber im Laufe der eingeleiteten Untersuchung gestorben war, erfolgte die Verurtheilung zur Confiscation der vorhandenen Exemplare. In dem ersten Falle wurde die strafbare Fahrlässigkeit des Verlegers mit Recht daraus gefolgert, dass er die Existenz der früher erschienenen Uebersetzung kannte und sich nicht 1) Heydemann u. Dambach, Die Preussische Nachdruckgesetzge- bung S. 369. S. 345. — Dambach, Die Strafbarkeit des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit beim Nachdruck S. 30 f.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/428>, abgerufen am 26.04.2024.